Joe Fitzsimmons ist ein ehemaliger politischer Gefangener aus der Grafschaft Down im Norden Irlands und seit den 70er Jahren in der irisch-republikanischen Bewegung engagiert. Heute ist Joe im "32 County Sovereignity Movement" aktiv. Auf Einladung war er am 30. August in Berlin um über die republikanische Bewegung und die Repression gestern und heute zu berichten. Mit ihm führte ich dieses kurze Interview.
„Das Ziel unserer Bewegung ist eine alle Grafschaften Irlands umfassende sozialistische Republik“
Pit: Joe, du bist nun schon seit einigen Jahrzehnten politischer Aktivist in Nordirland. Welche Positionen hat das "32 County Sovereignty Movement", in dem du heute aktiv bist, zum Friedensprozess in Nordirland und zur heutigen Partei Sinn Fein von Garry Adams?
Joe: Der sogenannte „Friedensprozess“ und das Karfreitagsabkommen haben, nach Ansicht des „32 County Sovereignty Movement“, die Teilung Irlands zementiert. Man braucht sich beispielsweise nur anzuschauen, wie das heutige nordirische Parlament funktioniert um zu erkennen, dass etwa das pro-britische, unionistische Veto gegen bestimmte Entscheidungen immer noch vorhanden ist.
Sinn Fein ist zu einer konservativen Mittelklassepartei geworden, die mittlerweile die in der so genannten „Sozialistischen Internationalen“ organisierten Social and Democratic Labour Party (SDLP) in ihrer Rolle ersetzt und sich zusammen mit der rechten, pro-britischen Democratic Unionist Party die Macht teilt. Aus reinem Machtinteresse hat Sinn Fein nach unserer Meinung die Interessen der Arbeiterklasse verraten.
13 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen und dem so genannten Friedensprozess sind wir mit einer steigenden Arbeitslosigkeit, Kürzungen im Gesundheits- und Sozialsystem, Menschen die aus ihren Wohnungen gejagt werden, sowie Folter an republikanischen Gefangenen konfrontiert. Ein großes Problem stellt auch die aktuelle Situation der auf Bewährung freigelassenen, republikanischen Kriegsgefangenen dar: So befindet sich z.B. unser Vorstandsmitglied Marian Price, seit nun mehr 100 Tagen, ohne Anklageerhebung oder Prozess im Knast. Damit ist die Internierung ohne Anklageerhebung zurück und die Knäste füllen sich - soviel zum Thema Gerechtigkeit und Frieden.
Pit: Gab es im Zuge der Proteste gegen den Besuch der Queen im Mai 2011 in der Republik Irland verstärkte Angriffe gegen republikanische Aktivisten? Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Joe: Ja! Seit dem Besuch der englischen Königin im Süden Irlands, werden Republikaner/innen, sowie alle die gegen den Besuch protestiert haben, ständig kontrolliert und ihre Wohnungen durchsucht. Die staatliche Überwachung hat seit dem Besuch der Queen in allen der 26 Grafschaften im Süden Irlands deutlich zugenommen.
Pit: Der Klassenkampf in Irland ist zentraler Punkt für das „32 County Sovereignty Movement“. Schließlich hat etwa die irische Republik im Süden der Insel große Finanzprobleme, die sozialen Spannungen steigen im südlichen wie in Nordirland immer deutlicher an. Kannst du uns einige Beispiele der aktuellen sozialen Konflikte nennen?
Joe: Der Klassenkampf hat sich seit den Euroturbulenzen deutlich verschärft. Der Mindestlohn wurde herabgesetzt und es gibt drastische Kürzungen im Sozialbereich, bei der Gesundheit und bei der Bildung. Geisterstädte aus tausenden leer stehenden Wohnungen sind entstanden, während auf der anderen Seite die Zahl der Obdachlosen beständig zunimmt. Jungen Menschen bleibt die Wahl ihr Leben entweder als Arbeitslose zu fristen oder zu emigrieren. Im Norden Irlands sieht es auch nicht viel besser aus. Dort gibt es zwar wie im ganzen Vereinigten Königreich einen niedrigen Mindestlohn, unserer Meinung muss es aber einen maximalen Lohn für alle Menschen geben!
Pit: Was sind deiner Meinung nach die nächsten wichtigen Ziele der republikanischen Bewegung, was die nächsten anstehenden Aktivitäten des "32 County Sovereignty Movement"?
Joe: Das Ziel unserer Bewegung ist eine alle Grafschaften Irlands umfassende sozialistische Republik, die von einer vereinigten Arbeiterklasse aufgebaut wird. Außerdem müssen alle Formen von Kapitalismus und Imperialismus weltweit bekämpft und abgeschafft werden.
Gegenwärtig steht für uns die katastrophale Lage unserer republikanischen Gefangenen im Vordergrund: Sie werden jetzt bis zu 23 Stunden am Tag weggeschlossen, regelmäßig zusammengeschlagen und sind entwürdigenden „Strip Searches“ (gewaltsamen Leibesvisitationen) ausgesetzt. Außerdem kämpfen wir weiter gegen die Wiedereinführung der Internierung in den 6 Grafschaften Nordirlands.
Interview: Pit Beuttel