Nach den Ausschreitungen am Zürcher Bellevue kursieren die üblichen Schuldzuweisungen
Zum dritten Mal innerhalb von anderthalb Jahren ist es am Samstag in Zürich zu Ausschreitungen mit grossen Sachschäden gekommen. Die Polizei spricht von der Gewaltbereitschaft einiger weniger, die im Schutz einer illegalen Party randalierten.
Nach knapp zwei Stunden war der Spuk vorbei. Wer sich etwas beeilte, erwischte gerade noch die letzte S-Bahn ohne Nachtzuschlag, um nach den Tumulten rund ums Zürcher Bellevue mit brennenden Containern, eingeschlagenen Schaufenstern und viel heulendem Blaulicht zurück in die ruhige Agglomeration zu fahren. Zurück blieben acht verletzte Polizisten und ein Sachschaden, der alleine am NZZ-Gebäude an der Falkenstrasse auf weit über 100 000 Franken geschätzt wird. Die Bilanz erinnert fatal an die Ausschreitungen von Februar 2010, als unter dem Namen von «Reclaim the Streets» in den Kreisen 4 und 5 gewütet wurde, oder an den vergangenen November, als gewaltbereite Chaoten im Schutz einer Demonstration gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative ebenfalls massiven Schaden anrichteten.
Kantonspolizei eingebunden
Gemeinsam ist den drei Ereignissen, dass sie mehr oder weniger kurzfristig organisiert wurden und dass dank dem Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel innert Kürze eine breite Masse mobilisiert werden konnte. Dies stellt die Polizei vor neue Herausforderungen, denen die Politik anfänglich mit dem Aufbau einer mobilen Einsatztruppe begegnen wollte. Bald stellte sich heraus, dass dies unbezahlbar wäre, denn ein solcher Pikettdienst von 20 bis 30 Polizisten würde nach ersten Schätzungen etwa das Zehnfache an neuen Stellen bedingen.
Derweil streiten sich der Stadtrat und der Gemeinderat weiterhin darüber, ob es nun sinnvoll sei, das Korps wenigstens um 15 Stellen aufzustocken oder nicht. Kommt der Vorschlag wie vor zwei Jahren von bürgerlicher Seite (FDP, SVP), wird er von Links-Grün abgelehnt. Bringt ihn der links-grüne Stadtrat aufs Tapet, zieht er ihn aus Trotz gegen die gemeinderätlichen Sparvorgaben wieder zurück.
Das Geld fehle nicht nur für die früh begrabene Idee einer mobilen Einsatzgruppe, es fehle auch für ein Alarmierungskonzept, um Polizeiangehörige im Bedarfsfall aus der Freizeit aufzubieten. Dies schrieb der Stadtrat Anfang Juni auf eine Anfrage aus dem Gemeinderat. Was am Samstag hingegen gegenüber den beiden früheren Ereignissen erstmals funktionierte, das war die kurzfristige Konzentration möglichst vieler im Dienst stehender Einsatzkräfte auf den Brennpunkt am Bellevue. Laut Angaben von Michael Wirz, dem Mediensprecher der Stadtpolizei, hat diesmal auch die Einbindung der Kantonspolizei bestens geklappt.
Ziel ist es laut Wirz gewesen, sich zurückzuhalten, um den rund tausend Personen am Bellevue keine Angriffsfläche zu bieten. Selbst die Intervention wegen des einsturzgefährdeten Tramhäuschens sei mit den Direktbeteiligten kooperativ verlaufen. Einige gewaltbereite Jugendliche hätten aber nur auf eine solche Situation gewartet, um die Polizisten anzugreifen. Der Mediensprecher ortet die Angreifer einerseits in linksextremen Kreisen, anderseits bei sogenannten Risiko-Fussballfans. Sie seien mit Skibrillen, Schals, Pflastersteinen und Steinschleudern ausgerüstet gewesen, was nicht gerade auf friedliche Absichten schliessen lasse.
Polizei weist Vorwurf zurück
Den Vorwurf der Veranstalter – den einzelne Politiker gerne übernehmen –, die Polizei sei zuletzt verstärkt gegen illegale Partys vorgegangen, weist Wirz zurück. Schon immer sei jeder einzelne Fall anhand der Verhältnismässigkeit beurteilt worden. In den meisten Fällen komme es zu konstruktiven Gesprächen mit den jeweiligen Organisatoren, und fast immer könne eine friedliche Lösung gefunden werden. Wenn die Gegenseite aber gewaltbereit sei, wie am vergangenen Samstagabend am Bellevue, lasse sich immer ein Auslöser finden für Tumulte und Scharmützel. Besonders erschreckend sei gewesen, wie schnell die Stimmung aufgrund eines banalen Vorgangs gekippt sei.
Hoffen auf weitere Festnahmen
Neben den beiden Festnahmen zweier Tatverdächtiger im Alter von 16 und 25 Jahren, denen Landfriedensbruch vorgeworfen wird, hofft die Polizei auf weitere Identifizierungen von Gewalttätern. Diesbezüglich gibt es laut Angaben des Mediensprechers erfolgversprechende Beweismittel, darunter verschiedene in der Öffentlichkeit zirkulierende Filmaufnahmen.