»Kasseler Erklärung« zum Ausstieg des DGB aus der DGB/BDAInitiative zur »Tarifeinheit«:
Zusammen mit der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) hatten die Vorstände des DGB und seiner Einzelgewerkschaften im Juni 2010 mit ihrer Gesetzesinitiative zur Tarifeinheit versucht, das Streikrecht zu beschneiden. Minderheitsgewerkschaften sollte eine Friedenspflicht (und somit ein generelles Streikverbot) aufgezwungen werden. Damit verstiegen sich DGB und BDA dazu, einen Angriff auf die Koalitionsfreiheit zu führen.
Die gesetzliche Herstellung einer »Tarifeinheit« hätte bedeutet, daß die jeweilige »Minderheitsgewerkschaft« nach Abschluß eines Tarifvertrages durch die in einer Branche oder einem Betrieb vorhandene »Mehrheitsgewerkschaft« nicht mehr hätte streiken dürfen. Der Versuch des DGB, über die Einschränkung des Streikrechtes dem wachsenden Einfluß von Spartengewerkschaften und Berufsverbänden zu begegnen, konnte vor allem durch die erfreuliche Protestwelle innerhalb der DGB-Gewerkschaften, aber auch durch die eindeutig ablehnende Haltung maßgeblicher Arbeitsrechtler gestoppt werden. Dazu trugen auch Aktionen und Veranstaltungen von Basisinitiativen, der FAU sowie Proteste von GDL, GDL-Stadtverkehr, Marburger Bund und anderen betroffenen Gewerkschaften bei.
Die Vorstände von ver.di, DGB und IG Metall haben aber deutlich gemacht, daß sie weiterhin von der Richtigkeit ihrer Initiative überzeugt sind, und auf »anderen Ebenen« ihr Ziel weiterverfolgen wollen.
Wir lehnen dieses ignorante Verhalten gegenüber dem deutlich gewordenen Willen der gewerkschaftlichen Basis ab! Wir fordern die Führungsgremien der DGB-Gewerkschaften auf, keine weiteren Versuche zur Monopolisierung des Abschlusses von Tarifverträgen (und damit Beschneidung des Streikrechts) zu unternehmen. (...)
Spartengewerkschaften entschließen sich bei der Durchsetzung ihrer Tarifpolitik eher zu Kampfmaßnahmen bis hin zum Streik als so manche Einzelgewerkschaft des DGB. Damit gelingt es ihnen, Kollegen anzusprechen und einzubeziehen. Allerdings geraten auch sie in Widersprüche bei der Beteiligung von Kollegen, wenn es um Entscheidungsprozesse über die Fortsetzung oder den Abbruch von Streiks geht. Auf der Grundlage einer grundsätzlich sozialpartnerschaftlich verorteten Politik sind – wie bei den DGB-Gewerkschaften – tendenziell undemokratische Prozesse feststellbar.
Sozialpartnerschaftliche Praktiken stehen einer konsequenten Durchsetzung der Interessen der Kollegen entgegen. Standortideologie – ob auf betrieblicher, Konzern- oder nationaler Ebene –lehnen wir ab. Wir brauchen statt dessen übergreifende Solidarität gegen die Macht des Kapitals.
Darüber hinaus wollen wir:
– Ausweitung statt Einschränkung des Streikrechtes! Das Recht auf politischen Streik bis hin zum Generalstreik müssen wir uns nehmen!
– Gemeinsam gegen Dumping-Politik der Unternehmer und deren Pseudo-Gewerkschaften statt jeder für sich (DGB und Spartengewerkschaften).
– Solidarische Aktionen über alle Gewerkschaftsgrenzen hinweg, statt sich gegenseitig zu blockieren!
Einstimmig angenommen auf der Tagung der Initiative »Hände weg vom Streikrecht! – Für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit.« Kassel, den 10. September 2011