Tagesseminar mit Lars Quadfasel
Weil die Kritik der
Religion die religiösen Vorstellungen vom Himmel auf die Erde hole, sei
sie die Voraussetzung aller Kritik meinte einst Karl Marx. Darauf
aufbauend sei von der Kritik der Religion überzugehen zu einer Kritik
der Gesellschaft, die der Religion bedürfe. In der sich die Menschen aus
dem Jammertal, dass die wirkliche Welt sei, in die Religion flüchten,
anstatt die Verhältnisse zu verändern.
Doch obwohl gänzlich „entlarvt“ und
entzaubert, ist die Religion nicht verschwunden. Die Kritik der Religion
hat es deswegen im Spätkapitalismus mit einem Paradox zu tun: Die
Kirchen, einst Herrn über Könige und Kaiser, sind zum Hilfsinstitut für
Seelenhygiene herabgestürzt. Ihre Dome wurden zu Touristenattraktionen,
ihre Prediger zu Showmastern, ihr Papst zum Grußaugust und Superstar.
Widerlegt, erledigt und entmachtet, hat sich aber die Religion mit ihrem
Sturz nicht bloß arrangiert, sondern daraus neue Kraft geschöpft. Ins
Schattenreich des Privaten verstoßen, regeneriert der Glauben sich in
dessen Schutz: Alles Wesentlichen, seiner Substantialität und
Allgemeinverbindlichkeit, beraubt, gewinnt er erst eine
zukunftsträchtige Gestalt. Dank der Vorstellung dass es sich mit einem
Glauben, egal woran, besser leben lasse, ist Glauben populär wie nie.
Nicht mehr die Inhalte der Religionen werden geglaubt, sondern am
Glauben selbst festgehalten. Aus ihm spricht nicht mehr die Hoffnung auf
ein Jenseits des schlechten Diesseits, sondern die Ahnung einer
allumfassenden Hoffnungslosigkeit.
Dieses Elend der Religion
spiegelt sich auch im Elend der gängigen Religionskritik. Positivistisch
erledigt sie alles was über das Bestehende hinausweist und erledigt
damit zugleich die letzten kümmerlichen Reste der Hoffnung, dass es
anders werden könnte. Die gängige Religionskritik wagt sich so nur an
die offenkundigen Lügen der Religion, nicht aber an die Wahrheit, die
sie verbirgt. Im Seminar soll diesen Überlegungen folgend durch die
Kritik von Religion und Religionskritik der Blick auf eine profane
Erlösung frei gelegt werden: die Emanzipation der Menschen aus
versklavenden Verhältnissen.
Wo: Veto