In Reinickendorf patrouillieren Bürger gegen Brandstifter. Dahinter steckt Norbert Raeder von der Partei Die Grauen. "Wir sind 500 Leute", sagt er. Und jede Nacht im Einsatz.
Norbert Raeder kann seine Augen kaum offen halten. Zurzeit bekommt der Hilfssheriff nur wenig Schlaf. Denn auch in der Nacht zu Freitag war Raeder wieder in Reinickendorf unterwegs. Von 23 Uhr bis 4.30 Uhr patrouillierte er durch den Bezirk – zusammen mit acht Mitstreitern, verteilt auf vier Autos und auf vier Routen. Seit zweieinhalb Wochen geht das nun schon so. Jede Nacht hält Raeder mit seiner Kiezstreife die Augen offen, auf der Jagd nach Brandstiftern. Wie viele sie sind? „Ungefähr 500 Leute“.
Der 42-Jährige trägt keine Schusswaffe, sondern das Haar vorne kurz und hinten lang, dazu einen Schnauzer. Raeder betreibt die Kneipe „Kastanienwäldchen“ in der Residenzstraße und ist der Spitzenkandidat der Wählergemeinschaft Die Grauen in Reinickendorf. Er sagt: „Wir sind auf der Straße, damit die Brandserie nicht nach Reinickendorf schwappt.“ Bislang wurden in diesem Jahr zwei Autos im Bezirk angezündet. Raeder aber will das Problem schon „im Keim ersticken“.
Beim nächtlichen Kleben der Wahlplakate sei ihm die Idee gekommen, eine Kiezstreife zu bilden, erzählt Raeder. „Wir sind ja sowieso jede Nacht unterwegs, da können wir ja auch ein wachsames Auge auf diese Verrückten haben.“ Einen Brandstifter habe er bisher noch nicht auf frischer Tat ertappt. Dafür sorgt der Zwei-Meter-Mann auch so für Ordnung in seinem Kiez, erzählt er. Einmal habe er eine Schlägerei zwischen Jugendlichen verhindert, ein anderes Mal Plakateabreißer zur Rede gestellt und erst letztens zwei Autoknacker in die Flucht geschlagen. „Eine Bürgerwehr mit Knüppeln sind wir aber nicht“, sagt Raeder. Eigentlich will er nur die Polizei alarmieren, wenn ihm irgendetwas auffällt und nicht selbst einschreiten. „Die Cops hier mögen uns, die wissen ja, dass wir hier nicht den Superhelden spielen wollen.“
Dabei scheint die Brandserie, die vor knapp drei Wochen begonnen hat, so langsam abzuebben. Die Zahl der Brandstiftungen ist deutlich zurückgegangen, seitdem bis zu 650 Polizisten auf den Straßen unterwegs sind. In der Nacht zu Freitag brannte ein Porsche auf einem Parkplatz an der Clayallee in Dahlem. Das Feuer griff auch auf einen VW über. Zwar geht die Polizei von Brandstiftung aus, doch ein politisches Motiv scheidet aus, hieß es bei der Polizei.
Für Norbert Raeder ist der Rückgang der Taten noch lange kein Grund, seine Kiezpatrouille wieder einzustellen – im Gegenteil. Immer mehr Leute würden mitmachen, erzählt Raeder. Mit nur 20 Leuten hätten sie angefangen, heute sei auch ein Krankentransportunternehmen dabei und eine Sicherheitsfirma, die ihre Mitarbeiter dazu auffordert, Ausschau zu halten.
Das wahre Problem sind für Raeder aber nicht die politisch motivierten Täter, sondern die „Trittbrettfahrer und diese ganzen Chaoten“. Tatsächlich wird nur bei der Hälfte der 541 Autos, die seit Jahresbeginn in Flammen standen, ein politisches Motiv vermutet. Raeder befürchtet daher sogar, dass es in Berlin bald „Londoner Verhältnisse“ geben könnte.
Ein Mittel, um im Wahlkampf mehr Stimmen zu werben, sei die Kiezstreife aber nicht. „Wir sind doch so eine kleine Partei“, sagt Raeder. Er war einmal Bundesvorsitzender der „Grauen Panther“, mittlerweile sitzt er in der BVV in Reinickendorf für die Nachfolgepartei. Und da möchte er gerne auch bleiben. „Bürger sei wachsam“, das sei seine Botschaft, sagt Raeder zum Schluss. Jetzt will er sich erst einmal ins Bett legen. Mal kurz die Augen zumachen. Dann legt er auf.