Meldepflicht für Hinweise auf Kindesmissbrauch
In Irland soll es künftig unter Strafe stehen, Hinweise auf Kindesmissbrauch nicht umgehend zu melden - auch eine solche Beichte muss gemeldet werden. Auslöser ist die Untersuchung eines Vertuschungsskandals in der Diözese Cloyne. Doch die katholischen Priester wollen nicht kooperieren.
Von Sebastian Hesse, MDR-Hörfunkkorrespondent London
Wer gedacht hatte, die Dimensionen des Kindesmissbrauchs-Skandals in der katholischen Kirche Irlands seien inzwischen bekannt, der sah sich vergangenen Monat getäuscht: Da wurde nämlich der sogenannten Cloyne Report veröffentlicht, die amtliche Untersuchung der Vertuschung von Missbrauchsfällen in der irischen Diözese Cloyne. Das Ergebnis: Der Vatikan hatte aktiv dafür gesorgt, dass Fälle sexueller Gewalt an Kindern nicht angezeigt und vor Gericht gebracht wurden. Die Regierung in Dublin schäumte.
Außenminister Eamon Gilmore bestellte den päpstlichen Nuntius, also den Botschafter des Vatikans in Irland ein: "Ich habe ihm gesagt, dass die irische Regierung es inakzeptabel findet, dass Priester durch die Einmischung des Vatikans glauben durften, dass sie Missbrauchsfälle nicht vor Gericht bringen müssen." Also zog Gilmore die Konsequenzen: "Nachdem die katholische Kirche einmal mehr gezeigt hat, dass sie mit den Missbrauchsfällen nicht angemessen umgeht, sieht sich die Regierung gezwungen, Gesetze zu verabschieden, nach denen es strafbar ist, Informationen über Kindesmissbrauch zurückzuhalten."
Meldepflicht für Kindesmissbrauch gilt für alle...
In der Folge legte die Dubliner Ministerin für Kinder- und Jugendangelegenheiten, Frances Fitzgerald, einen Gesetzesentwurf vor, die "Children First Bill", wonach es künftig unter Strafe steht, Hinweise auf Kindesmissbrauch nicht umgehend der Polizei zu melden. Diese Meldepflicht gilt ausdrücklich für alle Organisationen und Individuen, die mit Kindern als Schutzbefohlenen zu tun haben: Sprich, auch für die Kirche und ihre Geistlichen.
...auch für die Beichte abnehmende Priester
Blick auf das Kreuz an der Brust eines irischen Bischofs. (Foto: AFP) Großansicht des Bildes Alle irischen Geistlichen sollen künftig Hinweise auf Kindesmissbrauch melden müssen - Beichtgeheimnis hin oder her. Nach Verabschiedung des Gesetzes in ein paar Monaten macht sich ein katholischer Priester strafbar, wenn er im Beichtstuhl von Missbrauchsfällen erfährt und diese nicht umgehend meldet. Das Beichtgeheimnis wäre also aufgehoben.
Dagegen nun läuft die Kirche Sturm. Geistliche wie Father PJ Madden von der Association of Catholic Priests fühlen sich nicht an die weltliche Gesetzgebung gebunden. "Das Beichtgeheimnis ist Teil des heiligen Bußsakraments, das weit über das Thema Kindesmissbrauch hinausgeht. Wer in den Beichtstuhl kommt, der kommt nicht als Krimineller, sondern als reumütiger Sünder, der Vergebung sucht vor Gott", so Madden. Er würde Geständigen im Beichtstuhl mit Nachdruck anraten, sich den weltlichen Behörden zu stellen, sagt der Geistliche, aber er würde niemals das Beichtgeheimnis brechen.
Geistliche wollen weiter Beichtgeheimnis wahren
Auch Kardinal Seán Brady, der ranghöchste katholische Geistliche Irlands, hat sich in einer Predigt ähnlich geäußert. Zudem sagen Experten, dass Kinderschänder schlicht nicht mehr zur Beichte gehen werden, wenn sie wissen, dass die Priester sie anzeigen. Momentan gäbe es immerhin noch die Chance, sie zur Selbstanzeige zu überreden. Doch die Regierung in Dublin will sich von ihrem Gesetzesvorhaben nicht abbringen lassen.