BRD-Imperialismus: Durchsetzung lang gehegter Wünsche in der EU

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy

„Euro-Rettungsschirm“, „Euro-Bonds“ oder „europäische Wirtschaftsregierung“ sind die Stichworte der aktuellen Debatte rund um die Schuldenkrise einiger EU-Staaten. In der medialen Öffentlichkeit wird suggeriert, Deutschland sei der „Zahlmeister Europas“ und alle nutzten „uns“ nur aus. Das Gegenteil ist wahr!

 

Wie es Bundesfinanzminister Schäuble bereits im Dezember letzten Jahres prophezeit hatte (BamS, 12.12.10), könnte diese Krise im Ergebnis zu einem Ausbau der deutsch-französischen Hegemonie unmittelbar in der Euro-Zone, mittelbar in der gesamten EU und längerfristig sogar zu einer Ausweitung ihres weltweiten Einflusses führen.

 

Die milliardenschweren Hilfspakete sind kein Akt der Solidarität gegenüber den wirtschaftlich bedrängten Euro-Staaten, sondern sie gehen zu deren Lasten. Das klassische Mittel der Währungsabwertung als Antwort auf die übermächtige Konkurrenz und deren Resultat, ein überbordendes Leistungsbilanzdefizit, fällt bei gemeinsamer Währung weg. Die anstehenden Maßnahmenbündel sind das übliche: Einkommens- und Sozialleistungsabbau, Steuererhöhungen und Privatisierungen. Womit auch gleich klargemacht wurde, dass nicht alle GriechInnen jetzt den Gürtel enger zu schnallen haben: Sonderabgaben oder Steuererhöhungen für Reiche sind so wenig vorgesehen wie Einschnitte im Rüstungshaushalt. Und: „Von den 109 Milliarden Euro öffentlicher Kredite, die das neue Paket bis 2014 umfasst, ist ziemlich genau die Hälfte notwendig, um die Risiken der Beteiligung der Privatgläubiger abzusichern.“ (FAZ, 23.7.11) Von einer „Transferunion“ kann keine Rede sein.

 

Dennoch lassen sich Deutschland und Frankreich den Euro einiges kosten. Das heißt, sie brauchen ihn! Sie brauchen ihn in der internationalen Konkurrenz, um die Vorherrschaft des US-Dollars auf den Märkten zu brechen. Der Euro ist eine langfristig aufgebaute Waffe im internationalen Wirtschaftskrieg. Und deshlab soll er unbedingt verteidigt werden. Michael Diekmann,Vorstandschef der „Allianz“, formuliert dies in bestechender Offenheit: „Mit dem Euro haben wir Europäer in der Weltwirtschaft Gewicht. Kein Euroland, auch nicht Deutschland, würde mit nationaler Währung so viel Macht auf die Waage bringen. Dass 26 Prozent der Weltwährungsreserven auf den Euro lauten, zeigt das große Vertrauen in Europa und seine Mitgliedsländer.“ (FASZ, 26.6.11)

 

Frankreich und Deutschland wollen die Gunst der Stunde nutzen, um ihre „selbstlose Solidarität“ mit Griechenland, Irland, Portugal ... in mehr Eingriffsrechte in die inneren Angelegenheiten dieser (und perspektivisch: aller EU-) Länder umzumünzen. Nach den Beschlüssen zu einer Erweiterung des Euro-Rettungsschirms im Juli dieses Jahres jubelte Sarkozy: „Unser Plan ist es, die Griechenland-Krise als Chance zu ergreifen, um einen Quantensprung in Sachen europäischer Regierung zu machen.“ (jw, 23./24.7.11) Mit den Abmachungen von Merkel und Sarkozy am 16.8., den „europäischen Partnern“ eine engere finanzpolitische Zusammenarbeit vorzuschlagen, legt die Bundesregierung nach längerer Vorbereitung Hand an die Haushalte bislang souveräner Staaten. Einstweilen bleiben sie dabei durchaus nebulös, abstrakt ist von einer „echten europäischen Wirtschaftsregierung“ und konkret von Treffen auf Regierungsebene zur Abstimmung wirtschaftspolitischer Entscheidungen zweimal im Jahr die Rede. Ziel sei mehr wirtschaftspolitische Konvergenz im Euro-Raum. Und: Alle Euro-Länder hätten künftig ihre Haushaltspläne der EU-Kommission vorzulegen und deren „kritische Anmerkungen ... auch umzusetzen“ (Merkel, FAZ, 17.8.11). Damit würden die ökonomisch starken Länder ihren Einfluss auf die südlichen Staaten der EU erheblich ausbauen. Und letztere haben aufgrund ihrer finanzpolitischen Abhängigkeit kaum die Möglichkeit, dieses „Angebot“ abzulehnen. Während diese hoch aggressive Außenpolitik der Bundesregeirung in den Massenmedien zu selbstloser Hilfe umgelogen wird, heißt es z.B. in der außenpolitischen Fachzeitschrift „Internationale Politik“ mit unverhohlenem Nationalstolz: „In der Euro-Krise weiß jeder Gipfelteilnehmer, dass kein EU-Land gerettet werden kann, wenn Deutschland mit seinem wirtschaftlichen und finanziellen Potential und seinem guten Ruf auf den Finanzmärkten nicht sein OK gibt.“ (21.1.11)

 

Übrigens befinden sich SPD und Grüne durchaus im selben Fahrwasser, wenn sie sagen, Euro-Bonds (also gemeinsam aufgenommene Kredite der Euro-Länder) seien dann zu befürworten, wenn sich die Empfängerstaaten „einer europäischen Kontrolle unterwerfen und Haushaltsrechte abgeben“ (Gabriel im „ARD-Sommerinterview“, 14.8.11, Özdemir analog). Wo ist da der Unterschied zu Schäuble, der Euro-Bonds ausschließt, „solange die Mitgliedstaaten eine eigene Finanzpolitik betreiben“ (FAZ, 16.8.11)?

 

Und so geht es Schritt um Schritt voran nach dem Drehbuch des strategischen Aushängeschilds der deutschen EU-Poltik, Schäuble: „Die Integration muss fortschreiten, und ein Staat mit Problemen, dem geholfen wird, muss im Gegenzug einen Teil seiner Hoheitsrechte an die EU abgeben.“ (Stern, 27.7.11)

 

Aus den Erfahrungen zweier verlorener Weltkriege wurde frühzeitig der Schluss gezogen, dass (West)Deutschland seinen Einfluss international nur im Verbund mit anderen Staaten ausweiten könne. Daraus folgte die Strategie via europäischer Integration die eigenen Ziele weltweit durchzusetzen (vgl. http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agr/Mitteleuropastrategien.html). Sie ist bis heute gültig!

 

Dem sollte klar und deutlich widersprochen werden! Oder, wer es gern traditioneller mag:

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!