Auf jeder Lebensmittelpackung steht, was drin steckt. Inhaltsangaben von Waschmitteln lesen sich wie Beipackzettel. Auf Tränengassprays steht nichts. Nur der jeweilige Wirkstoff, Pfeffer oder CS-Gas, wird genannt. Welche weiteren Stoffe versprüht werden, ist offenbar ein Staatsgeheimnis. Immerhin prangt auf einem käuflichen Abwehrspray für den Privatgebrauch ein Logo des BKA. Daneben noch der Name des Herstellers.
Am 24. Juni starten wir eine Anfrage beim BKA und fragen auch den Hersteller nach den Inhaltsstoffen von Tränengas. Besonders interessiert uns natürlich die Ware, die gegen des Volkes Wut versprüht wird, sprich Tränengas der Polizei, des Bundesgrenzschutzes und mehr.
Vier Tage später antwortet die BKA-Pressestelle und schickt eine Technische Richtlinie für Reizstoffsprühgeräte des Polizeitechnischen Instituts der Deutschen Hochschule der Polizei. Klingt toll. Steht aber nichts drin. Außer wie das Gerät funktioniert.
Nachdem auch konkrete Anfragen beim Hersteller nichts gebracht haben und eine Anfrage bei Greenpeace noch unbeantwortet ist, nehmen wir am 5.7. nochmals die BKA-Fährte auf. Die Frau von der Pressestelle antwortet, diesmal noch am selben Tag: „Ich kann Ihre Anfrage nicht beantworten und muss dazu den Fachbereich einbinden. Aus diesem Grund müssten Sie sich mit einer Antwort noch gedulden.“ Sofort rufen wir an, um zu erfragen, wie lange eine Fachbereichsbearbeitung dauern könne. Vermutlich übers Wochenende, so die Antwort, denn es sei „doch eigentlich eine einfache Anfrage, die schnell beantwortet werden könnte.“
Am 7.7. antwortet Greenpeace. Sehr detailliert. So erfahren wir, dass genau der Hersteller (Hoernecke), bei dem wir schon angefragt hatten, seine Pfefferspray-Kompositionen in den OC-Reizstoff-Sprühgeräten RSG-x an die Polizei aller Bundesländer außer Schleswig-Holstein, an Bundesgrenzschutz, Bundeswehr und Zoll liefert. Was allerdings außer dem Wirkstoff Oleoresin Capsicum oder seinem Imitat dem Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA) sonst noch versprüht wird, erfahren wir auch hier nicht.
Manche andere Hersteller nennen ebenfalls nur unterschiedliche Bestandteile, nie alles. Benzylalkohol als Lösungsmittel, andere Zusatzstoffe wie Petroleumöle, Kaliumchlorat, Methylenchlorid, Kerosin und als Treibstoff unter anderem Freon 113.
Am 8.7. kommt die versprochene Aufklärung durch das BKA und damit eine echte Überraschung:
Das BKA ist nicht zuständig!
Die Abwehrsprays für polizeiliche Zwecke sind von waffenrechtlichen Bestimmungen befreit und deshalb hat das BKA keine Zuständigkeit mehr.
Obschon auf den Abwehrsprays für den Privatgebrauch das Logo des BKA prangt, ist man auch hier nicht mehr zuständig, sondern seit der Änderung des Waffengesetzes im Jahr 2003 die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) Braunschweig.
Nun, ist es aber so, dass die PTB die Inhaltstoffe gar nicht untersucht, sondern nur die Funktionsweise der Sprühgeräte. Dynamische Druckmessung nennt sich das.
Für die Inhaltsstoffe sei der Hersteller verantwortlich. Nochmals rufen wir bei Hoernecke an. Eine Mitarbeiterin erklärt, dass die Mixtur ein Betriebsgeheimnis sei. Sie würden auch dem PTB oder BKA gegenüber keine Listen rausgeben. „Wenn wir Kontakt mit den Regierungsbehörden haben, kommen die zu uns und prüfen hier.“ Und überhaupt müssten sie viele Inhaltsstoffe sowieso gar nicht melden, weil die absolut ungefährlich seien.
Wir geben uns geschlagen. Wir könnten jetzt das Gas von käuflichem Abwehrspray durch einen Gaschromatographen jagen und analysieren. Doch wir wollten wissen, was die Polizei verwendet.
Bei Einsätzen der Staatsgewalt wird Tränengas versprüht, von dem nur der reizende, entscheidende Wirkstoff bekannt ist. Der Rest der Mixtur ist geheim. Mir kommen die Tränen.
Ende Juli meldet sich ein Mitarbeiter des PTB und gibt Tipps – das Erprobungszentrum der Bundespolizei Lübeck könnte geprüft haben. Schließlich bekämen auch Polizisten teilweise etwas von dem Gas ab und das könne doch gesundheitsgefährdend sein. Doch auch von der Bundespolizei Lübeck werden wir weiter verwiesen: Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an das Bundespolizeipräsidium in Potsdam. Dessen Antwort kam gestern. Demnach müsse der Hersteller immerhin Sicherheitsdatenblätter über die enthaltenen Stoffe vorlegen. Welche dies sind, steht da nicht. Wir erhalten noch den Verweis auf die Technischen Richtlinien für Reizstoff-Sprühgeräte. Zurück auf Start.