Weitgehend unbeachtet bleibt derzeit, dass die Abschottung der EU nach außen vorangetrieben wird
Auf dem letzten EU-Gipfel in Brüssel einigten sich die Regierungschefs darauf, das Schengen-Abkommen über die Freizügigkeit weiter aufzuweichen. Zugelassen sollen nun örtlich und zeitlich begrenzte Grenzkontrollen in "wahrhaft kritischen Situationen". Dänemark hat daraufhin am vergangenen Dienstag wieder mit Grenzkontrollen begonnen, nachdem zuvor das dänische Parlament der Wiedereinführung permanenter Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden zugestimmt hat.
Man hat den Eindruck, dass das Land in der Krise [1] dringend ein Thema zur Ablenkung braucht, denn als Begründung wird angeführt, man wolle an den Grenzen zu Deutschland und Schweden den Drogen-, Waffen- und Geldschmuggel eindämmen. Es handelt sich aber vor allem um Populismus, mit der sich die Regierung die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei DVP in der Rentenreform sichern will.
Was auf dem Weg nach Dänemark für Europäer lästig sein kann, endet an den EU-Außengrenzen oft tödlich [2]. Weitgehend unbeachtet blieb die Entscheidung des EU-Gipfels, dass auch die Abschottung der EU nach außen noch weiter vorangetrieben werden soll. Denn auf der einen Seite begrüßt man die Veränderungen in Nordafrika, rüstet aber schon gegen neue Flüchtlingsströme auf, wie sie im Frühjahr in Richtung Italien zu beobachten waren. Die führten schließlich dazu, dass auch Frankreich seine Grenzen dicht gemacht [3] und gegen das Schengen-Abkommen verstoßen hat. Vor allem die Konflikte in Syrien könnten zu neuen Flüchtlingsströmen führen, ist man bei Frontex besorgt.
Deshalb soll die Grenzschutzagentur weiter ausgebaut werden. Das Thema wurde nach dem Gipfel von den Innenministern aus Mittel- und Osteuropa weiter vertieft. Ein zentraler Inhalt der Debatte ist, dass Frontex [4] offensichtlich zu einer eigenen Grenzpolizei aufgerüstet werden soll. Wie der stellvertretende Frontex-Direktor Gil Arias Fernandez erklärte [5], ist es Frontex leid, von den Mitgliedsländern abhängig zu sein, mit denen man sogar immer darüber "verhandeln müssen, wann wir mit dem Auftrag beginnen, wie lange er dauert, usw." Für jeden Einsatz müsse man die "EU-Mitgliedsstaaten darum bitten, uns Grenzschutzbeamte, Helikopter und Patrouillenboote zur Verfügung zu stellen". Von dieser Kontrolle will man sich bei Frontex offensichtlich frei machen.
Deshalb, darin hat sich Frontex durchgesetzt [6], soll die Agentur nun eigenes Personal und Einsatzmaterialien erhalten, um effektiver arbeiten zu können. Inzwischen hat man sich auf die Reform eines Arbeitsauftrages verständigt, über den demnächst zunächst der Innenausschuss und später dann das Europaparlament abstimmen sollen.
Man darf davon ausgehen, dass es für Frontex dabei erneut reichlich Geld geben wird, auch wenn sonst die Kassen leer sind. Seit die Agentur 2005 die Arbeit aufnahm, verzeichnet ihr Haushalt sonst unbekannte Steigerungsraten. Zum Start hatte die Behörde ein Budget von 6,3 Millionen Euro. Es wurde ständig deutlich aufgestockt [7] und beläuft es sich schon auf eine Summe von 86 Millionen Euro.
Ralf Streck 09.07.2011
Links
[1] http://www.heise.de/tp/blogs/8/150066
[2] http://www.heise.de/tp/blogs/8/149610
[3] http://www.heise.de/tp/artikel/34/34534/1.html
[4] http://www.frontex.europa.eu
[5] http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/07/08/dlf_20110708_0924_e...
[6] http://www.heise.de/tp/artikel/32/32218/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/artikel/29/29036/1.html