Gentrifizierung, Wohnraumknappheit, Leerstand, das Schwinden autonomer und alternativer Freiräume, alles Themen welche die außerparlamentarische Linke im Moment umtreiben. Unter dem Motto: "Recht auf Stadt" gründeten sich in den letzten Jahren und Monaten überall Initativen gegen den neoliberalen Umbau der Städte. So jetzt auch in Konstanz. Nachfolgen dokumentieren wir das Selbstverständnis des Bündnisses "Recht auf Stadt Konstanz". Zudem weisen wir auf die Pressemitteilung des Bündnis, betreffend der Tanzdemonstration "Wohnraum für Alle!" am 09.07, hin.
Selbstverständnis des Bündnis Recht auf Stadt Konstanz:
WIR WERDEN IN KONSTANZ WOHNEN…
DIE FRAGE IST NUR WO ?
Flanieren Sie gerne entlang der idyllischen Konstanzer
Seepromenade?
Sehen Sie gern während Ihrer Kaffeepause
PolizistInnen dabei zu, wie Sie Jugendliche,Obdachlose und
FlaschensammlerInnen mit maßvoller Gewalt aus dem Stadtbild
vertreiben?
Würden Sie gern ein Zimmer in der historischen
Konstanzer Innenstadt beziehen und an der Exzellenz-Universität
studieren?
Bringen Sie gern Monate damit zu, irgendein bezahlbares
Zimmer in Konstanz und Umgebung zu suchen während Sie solange in
einer heimeligen Turnhalle hausen?
Dann laden wir Sie ein in Konstanz zu leben!
In Singen hat sich die Miete für Bestandswohnungen in den letzten
Jahren bei 6 Euro pro Quadratmeter eingependelt. Während es in
Radolfzell zu Mietschwankungen kam und sich der Quadratmeterpreis auf
etwa 7 Euro eingependelt hat, liegt der Quadratmeterpreis in Konstanz
bei rund 10 Euro. Betrachtet mensch den demographischen Wandel der
Stadt Konstanz, so wird deutlich dass die am größten wachsende
Bevölkerungsgruppe die der zwischen 18-und 30-Jährigen ist. Dieses
Wachstum nahm erst ab dem Zeitpunkt entscheidend zu, als die Uni
Konstanz als “exzellent“ ausgezeichnet wurde. Gar nicht exzellent
war und ist die Situation der zimmersuchenden
StudentInnen.
Verzweifelte Hilferufe an BürgerInnen waren aus dem
Rathaus zu vernehmen mit der Bitte freie Zimmer, Ferienwohnungen und
Abstellräume doch zu vermieten. Wochenlang waren StudentInnen,
während sie gerade verzweifelt nach geeigneten Wohnungen suchten, in
Turnhallen untergebracht. Gleichzeitig sieht die städteplanerische
Strategie vor junge, solvente Kleinfamilien nach Konstanz zu locken,
da diese lukrative Steuereinnahmen für die Stadt Konstanz
versprechen.
Ein Aspekt, der sicherlich zur Wohnraumknappheit und zur
Mietpreiserhöhung beiträgt, ist die Aufhebung des
Zweckendfremdungsverbots zur Jahrtausendwende vor allem von CDU und
FDP geführten Ländern. Dieses Verbot regelte, dass VermieterInnen
bereits bestehenden Wohnraum nicht einfach anderer Nutzung zuführen
durften, beispielsweise als Gewerbeflächen, welche teurer vermietet
werden können. Die Aufhebung des Verbotes hat es VermieterInnen
ermöglicht, durch das Leerstehenlassen verschiedener Gebäudekomplexe
in der ohnehin angespannten Wohnraumsituation in Konstanz den
Mietpreis nocheinmal nach oben zu treiben.
Andererseits besteht
auch ein nicht unerheblicher Leerstand an Gewerbefläche, die
theoretisch in Wohnraum umgewandelt werden könnten. Dafür bedarf es
jedoch auch den politischen Willen der Stadt und des Landes. Eine
Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbotes wäre als ein
möglicher erster Schritt zu nennen.
Doch nicht nur diese
Entscheidung reihte sich in die unsoziale Politik der ehemaligen
Landesregierung ein. Beim Cherisy-Wohnraumprojekt stehen weitere 118
Wohnplätze zur Disposition, da das Land öffentliche Fördermittel
zur Wohnraumsanierung nur für Studentenwerke zur Verfügung stellt.
Die Sanierung der Cherisy-Zimmer würde die Neue Arbeit (Träger der
Cherisy ) 4.800 Euro pro Zimmer kosten, also insgesamt ca. eine halbe
Million Euro. Dies wäre kostengünstiger, als so mancher in der
Stadt geplanter Neubau.
Eine selbstverständliche Entwicklung?
Die Aufwertung bisher preiswerter Wohnviertel hat sich zu einem ständigen Begleiter städtischer Veränderung im Zeitalter des Neoliberalismus entwickelt. Sanierte Häuser und neue Gewerbenutzung stehen nicht nur für einen Wandel im Stadtbild, sondern sorgen vor allem für steigende Mieten, Verdrängung ökonomisch Benachteiligter und der Auflösung alter Sozialstrukturen in den betroffenen Stadtteilen.
Konstanz ist keine Insel!
Auch das Konstanzer Stadtleben hat sich in den letzten Jahrzehnten
gravierend verändert. Kaum eineR kann sich noch vorstellen dass es
in der historischen Konstanzer Innenstadt bis Mitte der 80er drei
besetzte Häuser gab. Nachdem 1984 das autonome Zentrum am Fischmarkt
geräumt wurde, wichen alternative Freiräume und Kollektive und es
entstand im Gegenzug ein kommerzielles Tourismusparadies. Dadurch
verlagerten sich die sogenannten „soziale Brennpunkte“ in die
Randgebiete der Stadt (Berchengebiet), während gleichzeitig die
Mieten in der Innenstadt explodierten.
Gerade in den, für die
Tourismusbranche profitablen, Stadtteile (Altstadt, Seestraße) ist
ein sauberes Image von elementarer Bedeutung. Daher werden
Obdachlose, FlaschensammlerInnen und alle Anderen, die nicht in ein
sauberes und gepflegtes Stadtbild passen, aus diesen Arealen verjagt.
Alternative Projekte gibt es keine mehr und kulturelle Einrichtungen
wie Galerien, Theater oder internationale Läden werden bestenfalls
zur Vermarktung der Stadt und der Aufwertung des Standorts Konstanz
genutzt. Das vorerst verhinderte Konzerthaus zeigt klar wo die
Entwicklungsrichtung hin gehen soll: Hochkultur statt Subkultur.
Soll es das gewesen sein? – Die soziale Frage stellen!
Steigende Mieten, bei gleichzeitigem Leerstand, neue
Gewerbeflächen bei gleichzeitiger Wohnraumknappheit, Tourismus und
Prestigeobjekte statt alternativer (Jugend)Kultur, dies alles weißt
auf ein tieferes Problem hin.
Es stellt sich die Frage, ob
Stadtentwicklung und Politik sich nur an den abstrakten Prinzipien
der Gewinnmaximierung und des Standortwettbewerbes orientieren sollen
oder ob es nicht eher um die Befriedigung elementarer Bedürfnisse
der EinwohnerInnen einer Stadt gehen muss.
Wollen wir unser ganzes
Leben an ökonomischen Imperativen ausrichten?
Wir glauben, im
Gegensatz Carlos Horta, dass es unabhängig der gesellschaftlichen
Position eines Individuums ein Recht auf einen Wohnsitz in Konstanz
gibt. JedeR hat ein Recht auf Stadt!
Wir brauchen Freiräume! – Alternative Zentren schaffen!
Als Freiräume bezeichnen wir Orte, die Menschen für die
Entwicklung und Entfaltung ihrer Identität und Kreativität
benötigen. In einer Gesellschaftsformation, die von zahlreichen
Ausgrenzungsmechanismen wie Sexismus, Homophobie,
„Behinderten“feindlichkeit, Rassismus, Nationalismus und
Antisemitismus durchzogen ist, brauchen wir Orte, in die wir uns vor
der alltäglichen Gewalt zurückziehen können. Wir brauchen
alternative Zentren, um wenigstens dort ohne Angst einfach sein zu
können.
Einer Stadt, in der Menschen durch Polizeigewalt von den
einzigen Treffpunkten an denen unkommerziell gefeiert werden kann,
vertrieben werden und die keinerlei Plätze zur freien Entfaltung der
Individuen bietet, gilt unser Widerstand. Engagement gegen
Stadtaufwertung und der Kampf für selbstverwaltete, alternative
Freiräume ist dringend notwendig. Wir wollen keine Stadt, in der
Menschen mit geringem Einkommen an den Stadtrand gedrängt werden,
weil die Innenstadt zu einer reinen Luxus- und Tourismusmeile gemacht
wird. Wir wollen keine Stadt in der sich die Politik lieber mit dem
Bau neuer Einkaufszentren oder Hotels beschäftig, Wohnraum für
„Besserverdiener“ schafft und von einem goldenen Konzert- und
Kongresshaus träumt.
Wir fragen uns,
…wo(von) die Erwerbslosen und die Menschen mit geringem
Einkommen in Konstanz leben sollen?
…wo die Träume von so
Vielen, die keine Lust darauf haben jeden Abend in den selben
(teuren) Kneipen zu versauern, verwirklicht werden können?
…wo
und wie die Menschen, die sich nicht in das Bild , welches diese
Gesellschaft uns als Normal präsentiert, einfügen können oder
wollen, glücklich sein dürfen?
…wo die durch das Label
„Exzellenz“Uni angezogenen Studierenden wohnen sollen?
WIR FORDERN:
– (genügend bezahlbaren Wohnraum.) Konstanz muss bewohnbar
werden – für alle!
– eine Fortschreibung des Armutsberichtes
der Stadt Konstanz; der letzte stammt von 2002, doch die Armut hat im
letzten Jahrzehnt zugenommen
– eine bedürfnissorientierte
Stadtplanung, frei von kapitalistischer bzw. wirtschaftlicher
Verwertungslogik!
– die Zuführung aller leerstehender
Räumlichkeiten auf den Wohnungsmarkt!
– keine Unierweiterung
ohne bedürfnissorientierte Stadtplanung!
– keine Unierweiterung
auf Kosten der umliegenden Naturschutzgebiete!
– Räumlichkeiten
für unkommerzielle, selbstverwaltete Projekte zum Leben, Wohnen und
Lernen!
– Basisdemokratische Entscheidungsfindung bei
stadtplanerischen Belangen!
Wir sagen Menschen statt Profite! Die Stadt ist für Alle da!
Neoliberaler Stadtplanung den Kampf ansagen!
Solidarität mit allen selbstverwalteten Freiräumen!
Pressemitteilung zur Tanzdemo am 09.07
Demonstration der Initiative Recht auf Stadt Konstanz am 09.07
Die Initiative Recht auf Stadt Konstanz wird am 09.07 eine Demonstration mit dem Motto: „Wohnraum für Alle !“ durchführen. Der Zug wird um 17 Uhr auf der Marktstätte starten, zu den leerstehenden, ehemaligen Studentenwohnungen in der Gottfried Keller Straße führen. Enden soll die Veranstaltung auf dem Cherisygelände.
Grund der Demonstration seien: „Steigende Mieten, bei gleichzeitigem Leerstand, neue Gewerbeflächen bei gleichzeitiger Wohnraumknappheit, Tourismus und Prestigeobjekte statt alternativer (Jugend)Kultur“ wie dem Selbstverständnis der Initiative zu entnehmen ist.
Paul, ein Vertreter der Initiative, erläutert zudem: „Der geplanter Ausbau der Universität wird viele Studenten nach Konstanz locken, aber die Stadt hat keine Idee, wo diese Studenten wohnen sollen. Es ist für Geringverdiener und Studenten jetzt schon schwer, ein Zimmer oder eine Wohnung zu finden. Die Preise sind oft unbezahlbar. Wir wollen mit der Demonstration unserer Forderung auf bezahlbaren Wohnraum für jeden Nachdruck verleihen“
Maria, ebenfalls Aktivistin der Initiative meint: „ Das Fehlen von Freiräumen in Konstanz macht mir Sorgen. Junge Menschen, wie wir, brauchen einen Ort um uns auszuprobieren und uns frei von gesellschaftlichen Ausgrenzungsmechanismen zu entfalten. Das fehlt mir in Konstanz völlig.“
Wie dem Aufruf der Demo zu entnehmen ist, eint alle Vertreter der Initiative der Kampf gegen eine neoliberale Stadtplanung, welche nur Gewinnmaximierung und Standortvorteil kennt, aber nicht mehr die Bedürfnisse der Stadtbewohner. Mehr Infos finden sich auf dem Webblog der Initiative (http://rechtaufkonstanz.blogsport.de/)