Für eine organisierte klandestine Militanz
„Wir stehen dazu – Militanz“, so lautet das Motto, mit dem der Vorbereitungskreis des „Autonomie“-Kongresses in Köln Mitte Juni des Jahres das Kapitel zum Thema „Militanz“ überschreibt. Ob wir uns durch wen auch immer genötigt sehen sollen, ein bejahendes Bekenntnis zur Militanz abgeben zu müssen, lassen wir an dieser Stelle dahingestellt. Wichtiger scheint uns, dass sich zeigt, dass das Thema „Militanz“ ein diskutiertes ist – auch im Rahmen eines quasi öffentlichen „Autonomie“-Kongresses. Das ist nicht nur gut so, sondern vor allem auch notwendig, um sich in einen Prozess des Austausches und der Auseinandersetzung zu begeben, der die Hinterzimmer der Konspiration verlässt und (kontrolliert) die Türen für den einen oder anderen Einblick aufmacht.
Es ist des weiteren zu begrüßen, dass diese Initiative, „Militanz“ zu einem (begrenzt) öffentlichen Thema einer „Szene-Veranstaltung“ zu erklären, trotz der nicht unerheblichen Gegenstimmen, durchgesetzt werden konnte. Öffentlichen Raum nimmt die Frage der „zunehmenden Militanzbereitschaft“ eh ein und als Schlagzeilenproduzent funktioniert es im weiten Rund des Boulevards fast täglich. Allerdings entgleitet uns die Thematisierung klandestin organisierter Militanz oft aus den Händen, zum Teil selbst verschuldet, da zu wenig Eigenvermittlung stattfindet und zum Teil dringen unsere O-Töne aufgrund der geringen Reichweite nicht weit genug durch, um unverzerrt für die „Allgemeinheit“ verstanden werden zu können.
Wir setzen auf einen Kongressablauf in Köln, der zunächst einmal durch eine grundsätzlich solidarische Atmosphäre gekennzeichnet ist. Daraus kann nur folgen, auf offene oder verdeckte Diffamierungen und Hasstiraden zu verzichten. Allerdings sollte man erfahrungsgemäß darauf eingestellt sein, dass es in jedem Debattenprozess mindestens eine Ausnahme geben wird. Ist ein solcher Fall eingetreten, ist es die Aufgabe der beteiligten DiskutantInnen, einer solchen Stimme nicht mehr Gewicht einzuräumen, als ihr nach dem, was inhaltlich vorgebracht bzw. vor allem nicht vorgebracht wird, zusteht.
Der Anspruch kann unserer Meinung nach nur sein, die vorgetragenen Diskussionsstränge und (Teil-)Ergebnisse der Militanzdebatte, die von 2001 bis 2009 ein komplexes wie kompaktes Knäuel von Fragestellungen, Ausgangsbedingungen und Wirkungsweisen potentiell organisierter Militanz hinterlassen hat, aufzunehmen und weiter zu spinnen.So legt bspw. der Text von den „Klandestinen Militanten“, der in der aktuellen Ausgabe der „radikal“ (164) abgedruckt ist, viel Wert darauf, liegen gebliebene Aspekte der vergangenen Militanzdebatte aufzugreifen, um jene zu vervollständigen. Das scheint uns deshalb ein wichtiger Beitrag zu sein, weil sie zeigt, dass aus dem Material der Militanzdebatte noch viel an Diskussionsstoff herauszuziehen ist, der in unsere weitergehenden Überlegungen der Organisierung klandestiner Militanz einfließen muss, wenn wir auf der „Höhe der Zeit“ agieren wollen.
Indirekt sind in dem Kongress-Beitrag viele Momente aus der abgelaufenen Militanzdebatte formuliert oder zwischen den Zeilen herauslesbar und -hörbar. (So z.B. dazu beitragen zu wollen, dass wir zu einer Normalisierung und zu einem selbstverständlichen Umgang mit Militanz kommen) Dass das ohne „Quellenangabe“ geschieht, kann kaum mit einem „Quellenschutz“ erklärt werden, denn eher mit der vielleicht sogar unbeabsichtigten „Vergesslichkeit“ der AutorInnen.
Problematisch war und ist eine solche Vorgehensweise weniger deswegen, weil hier eine Art „Ideenklau“ stattgefunden hat, sondern weil die Chance ungenutzt bleibt, durch eine gekennzeichnete Bezugnahme direkte Anschlüsse zu dem Material herzustellen, auf welches sich unausgedrückt sowieso gestützt wurde. Deshalb ist es auch eine hilflose Geste, wenn mangelnde Kontinuitäten beklagt werden, aber selbst die offenkundigen Verbindungslinien links liegen gelassen werden.
Somit hängt auch dieser Kongress-Beitrag eigentümlich in der Luft, obwohl unzählige Erfahrungswerte eingeflossen sind, ohne dass die interessierte LeserInnenschaft erfährt, woher welcher Gedankenanstoß überhaupt kommt.
Das Thema „Militanz“ braucht keine Wiederbeatmung, dafür ist es seit dem Jahr 2001 im doppelten Wortsinn ein „Dauerbrenner“. Die Aufgaben- und Zielstellung der klandestin-militanten AktivistInnen sehen wir vor allem darin, für eine inhaltliche Vertiefung und Verbreiterung, praktische Präzisierung und eine strukturelle Vernetzung Sorge zu tragen. Das passiert bislang nur in Ansätzen.
Wir hoffen, dass die auf diesem kleinen Kongress stattfindende Diskussion um „militantes Allerlei“ den einen oder anderen vormaligen Debattenstrang aus dem vergangenen Jahrzehnt mit aufnimmt, um auf der „Höhe der Zeit“ fortfahren zu können.
In den folgenden kurzen Abschnitten wollen wir anhand von drei ausgewählten Aspekten eine Brücke schlagen, die hoffentlich trittfest genug ist, um den Übergang zur Militanzdebatte aus der zurückliegenden Dekade zu erleichtern, damit letztlich über deren Stand hinausgegangen werden kann.
Von der militanten Praxis zur organisierten klandestinen Militanz
Wenn wir von den (Teil-)Ergebnissen der abgelaufenen Militanzdebatte sprechen, dann beziehen wir uns u.a. auf die praktisch ermittelten Ergebnisse der Politik klandestiner Gruppenzusammenhänge. Danach ist in erster Linie von der militanten gruppe (mg) und – mit Abstrichen – von der Militanten Antiimperialistischen Gruppe – Aktionszelle Pierre Overney (MAG-APO) der Schritt unternommen worden, von einer temporären, sporadischen und unzusammenhängenden militanten Praxis zu einer kontinuierlichen, organisierten Form klandestiner Militanz zu gelangen. Damit wurde eine wichtige Scheidelinie gezogen, wie sich militante Praxen zu einem Konzept „organisierte Militanz“ entwickeln lassen.
Das ist aus unserer Sicht deshalb nicht zu vernachlässigen, da erst die Konzipierung einer militanten Politik diese zu anderen Widerstandsfeldern der revolutionären Linken abgrenzbar macht, um sie dann in ein Verhältnis zu eben jenen setzen zu können. Wenn diese Anstrengung unterbleibt, wird in schlechter Regelmäßigkeit zu einem Punkt zurückgekehrt, der längst hinter uns liegen könnte, wenn wir denn an unsere unmittelbaren VorgängerInnen oder wenigstens aktuellen BegleiterInnen in der militanten und/oder bewaffneten Linken anschließen würden. Es ist nur schwer begreiflich, dass wir an unseren eigenen Fundamenten oft arglos vorbeigehen.
Zwei wesentliche Voraussetzungen für eine gegenseitige Bezugnahme, die ein Merkmal organisierter Militanz ist, sind zum einen, dass das ignorante Verhalten demgegenüber abzulegen ist, was vor einem/einer gesagt, getan und unterlassen wurde, sowie zum anderen, einen (publizistischen) Raum bereitzustellen, der es ermöglicht, u.a. vormalige Debattenanläufe um Militanz, militante Praxen und organisierte Militanz vorzustellen und zu analysieren. Beide Voraussetzungen sehen wir innerhalb des „revolutionären Aufbauprozesses“ erfüllt.
Die Präzision oder Nicht-Präzision klandestin-militanter Eingriffe ist u.E. ein deutlicher Fingerzeig hinsichtlich des Organisierungsgrades klandestiner Kerne. Nur wenn diese Praxis als Bestandteil einer umfassenderen Politik verstanden und auch entsprechend konzipiert ist, liegt eine Gewähr dafür vor, das eigene Handeln kollektiv zu reflektieren. Eine Reflexion ist allein deshalb mit dem Konzept „organisierte Militanz“ direkt verbunden, da die Aus- und Nachwirkungen klandestin-militanter Aktionsformen auf andere Widerstandsfelder berücksichtigt werden müssen, damit man sich nicht gegenseitig in seinen jeweiligen Vorhaben torpediert. Wir halten einen dabei entstehenden größeren „Legitimationsdruck“ bspw. für feurig-flammende Streifzüge für geboten, da hierüber einer Fehlentwicklung bei bestimmten klandestin-militanten Aktionsformen (Stichwort: „Beifänge“ beim „Nobelkarossentod“) besser entgegen gewirkt werden kann. Es ist aus unserer Sicht weiterhin innerhalb der revolutionären Linken darauf hinzuwirken, dass die Zielauswahl bei klandestin-militante Aktivitäten so bestimmt ist, dass tatsächlich auch nur das ins Visier genommene Objekt den gewollten Schaden erfährt. Jeder – vor allem fahrlässig verschuldete – Fehltritt „feuert“ nicht nur übers Ziel hinaus, sondern liefert eine weitere offene Flanke für mediale Hetze. Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund dafür, das Sprichwort „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“ lax auf das Feld klandestin-militanter Aktivitäten zu übertragen.
Im Idealfall stellt sich das Verhältnis der einzelnen Aktivitäten, die aus den Strukturen der verschiedenen Widerstandsfelder der revolutionären Linken kommen derart dar, dass jene nicht nur in einer Wechselwirkung zueinander stehen, sondern taktische Elemente einer strategischen Linie der Erkämpfung einer klassen- und herrschaftslosen Gesellschaft sind.
D.h. aber nicht, dass es nicht unterschiedliche Interessen und Schwerpunktsetzungen im Zusammenhang eines „revolutionären Aufbauprozesses“ geben kann und wird. Entscheidend ist, dass in der Summe an einem Strang gezogen wird und ein „Interessenausgleich“ zwischen den einzelnen Widerstandsfeldern der revolutionären Linke gefunden wird, der den „revolutionären Aufbauprozess“ insgesamt vorwärts bringt. Und wenn sich die klandestin-militanten Kerne in der Lage sehen, ihre eigene „Rolle“ innerhalb einer zu entwickelnden Zentralperspektive auf den Punkt zu bringen, ist bereits von deren Seite viel unternommen und erreicht.
Von der Militanzdebatte zur Organisierungsfrage
Wenn wir uns für das Konzept „organisierte Militanz“ einsetzen, so schließt das ein, dass wir aus der Enge einer um sich selbst kreisenden Diskussion über Sinn & Zweck alternativ-militantem „Freizeitvergnügens“ heraus müssen. Dieser vorweggenommene Isolationismus ist aus unserer Sicht nur aufzubrechen, wenn wir erklärtermaßen den Schritt in eine breiter angelegte Organisierungsdebatte unternehmen, in der erheblich mehr Strukturfragen anstehen als die Teildiskussion um Militanz. Denn „Militanz“ ist nur eine Teildiskussion im Zusammenhang der perspektivischen Suche nach dem Weg zum Ziel einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung.
Aus der abgelaufenen Militanzdebatte ist die nachvollziehbare Konsequenz gezogen worden, und nur diese konnte u.E. gezogen werden, dass die Spezialität der Militanzfrage nur aufgehoben werden kann, wenn sie in eine konkrete Diskussion um die Organisierung der revolutionären Linken überführt wird.
Wir werden in den Zeilen dieses Beitrags nicht auf das komplizierte Verhältnis von Spontaneität und Organisierung/Organisation eingehen können. Nur soviel: Aktion braucht eine organisierende Struktur, und Strukturen, aus denen heraus keine Aktionen organisiert werden, sind leblos und rein formell. D.h., wir brauchen sowohl den „spontanen Impuls“ und Handlungsautonomie als klandestin-militanter Gruppenzusammenhang, aber auch einen übergeordneten strukturierten Rahmen, innerhalb dessen unsere Politik eingebettet ist, damit wir nicht als Selbstläufer „freidrehen“.
Festhalten wollen wir damit, dass Unorganisiertheit für uns kein Prädikat einer besonders lebendigen Spontaneität ist, die uns in unerwarteten Momenten zu überrumpeln versteht, sondern im Wortsinne ein Hemmschuh. Organisiertheit ist im Gegensatz dazu aber auch kein Zustand, der mal eben einfach herzustellen ist. Es handelt sich hierbei um etwas Prozesshaftes, denn eine Organisierung wird erst in gesellschaftspolitisch zugespitzten Zeiten eine breitere Ausdehnung erfahren. Davor werden die Organisierten immer nur einen Bruchteil derer ausmachen, die sich bspw. im Verlaufe einer Revolte einklinken.
„Initiativ-Aktionen“ tragen durchaus ein avantgardistisches Moment. Das ist so lange kein Problem, so lange daraus keine Überinterpretation der vermeintlichen Wichtigkeit der eigenen Rolle im „Ensemble“ der Widerstandsfelder abgeleitet wird. Nach einem solchen Höhenflug werden die Beteiligten unweigerlich eine Bruchlandung erleiden müssen, die, falls die Akteure lernwillig sein sollten, lehrreich ist. Organisierung ist demnach kein Selbstzweck, um welche organisatorische Vorhut auch immer zu simulieren, sondern eine Voraussetzung dafür, eventuell ausbrechenden Kämpfen Halt und Dauer geben zu können. Und außerdem wäre es zu viel des Guten, wenn die organisatorischen „Initialzündungen“ ausschließlich oder auch nur in erster Linie für den „revolutionären Aufbauprozess“ von den klandestin-militanten Kernen ausgehen müssten.
Unser Hauptbeitrag als RAZ liegt darin, mit dem Konzept „organisierte Militanz“ im Rahmen eines spezifischen Organisierungsprozesses innerhalb der revolutionären Linken aufzuwarten. So wie das informelle Widerstandsfeld in der strukturellen Form des Projektes der Revolutionären Linken (RL) oder sympathisierende legal und halboffen agierende Basisgruppen tragende Säulen des Gesamtkonzepts des „revolutionären Aufbauprozesses“ sind, so legen wir als RAZ ebenso ein Stück des Fundaments aus und stützen den begonnenen Rohbau.
Allerdings bleiben parallele Versuche zur der in der „radikal – publikation der revolutionären linken“ eingeläuteten Organisierungsdebatte nicht nur inhaltlich rückwärts gewandt, sondern sind vor allem methodisch überaus fraglich, um es schmeichelhaft zu formulieren. Der Textversuch, der mit dem spiritistisch anmutenden Dreiklang „Hoffnung-Militanz-Perspektive“ aufmacht, kann bestenfalls als fulminanter Fehltritt gelesen werden. Da kann nur jeder Hoffnungsschimmer verblassen, wenn ein solcher Diskussionsauftakt mit einem diffamierenden Pamphlet begonnen wird, in dem durch jede dritte Zeile eine hasserfüllte Tonart angestimmt wird. Ignoranz gegenüber einer langjährigen Praxis klandestin-militanter Politik bestimmter Gruppenzusammenhänge paart sich hier mit der Denunziation im Stile des BKA und der BAW. Aus jenen Textstellen spricht schlichtweg das Alte; vergangene Grabenkämpfe innerhalb der revolutionären Linken werden erneut ausgehoben und statt zu organisieren, wird zersplittert.
Unabhängig davon, sehen wir eine Grundbedingung für eine potentielle Ausweitung von Diskussionen über Tellerränder hinweg, darin, die liebgewonnenen Nischen zu verlassen. Die „autonome Bewegung“, deren Entstehungshintergründe bereits dreißig Jahre zurückliegen, waren und sind ein mehr oder minder in sich gekehrtes soziales Milieu mit deutlicher Mittelschichtsdominanz, das für außenstehende politisch Interessierte eine gewisse Anziehungskraft haben kann, aber letztlich verschlossen bleibt. Und da es von Anbeginn an sowohl introvertierte als auch hermetische Züge trägt, bleibt eine spezifische „autonome Militanz“ auch immer eine moralisch aufgeladene, die aufgrund fehlender proletarischer Klassenbezüge nur von außen kommend wahrgenommen werden kann. Das ist hinsichtlich der Frage einer „Massenakzeptanz“ ein reales Problem, was permanent die Gefahr einer Isolierung mit sich bringt. Da bleibt oft nur autonome Klientelpolitik übrig, die sich zwar über einige Generationen hinweg aufrechterhalten ließ, aber nur in Ausnahmefällen (z.B. Anti-AKW) grenzüberschreitend wirken konnte.
Wenn wir von einer Organisierung sprechen, so von einer, die sich klassenspezifisch positioniert. Unter dem Begriff „Klassenautonomie“ verstehen wir nicht das plakative Einnehmen eines proletarischen Klassenstandpunktes, der die Selbstemanzipation des Proletariats gegenüber Stellvertretersystemen und Verwaltungseinrichtungen ausdrücken soll. Vielmehr zielt die Erlangung von Klassenautonomie auf die praktische Förderung des Räte-Gedankens, der Basis der Schaffung einer egalitären und libertären Gesellschaftsform. Hiermit wird der Blick wesentlich geweitet und überwindet zumindest dem Anspruch nach die Kapsel der selbst auferlegten Beschränkung.
Ein aufständischer Ausblick
Wir sind große AnhängerInnen von realistischen Einschätzungen, die sich empirisch abstützen lassen, als von Mutmaßungen, die vage bleiben und nicht wirklich greifbar sind. Deshalb lassen wir ein genaueres Prognostizieren des „kommenden Aufstands“ und orientieren uns scheinbar widerspruchsvoll an dem wahrscheinlichsten Szenario: das bis an die Zähne bewaffnete Bollwerk der staatlichen Repressionsapparate samt Söldnertruppen wird uns nicht nur abwartend gegenüberstehen, sondern schussbereit sein und offensiv werden, sofern sich die Grundfeste dieses kapitalistischen Klassenstaates zu verschieben droht.
Übrigens hantieren wir hier mit einer Wahrscheinlichkeit, die oft genug in der Geschichte der revolutionären Linken zur (bitteren) Realität wurde; bitter vor allem deshalb, weil die fehlende mentale und materielle Vorbereitung zu einem großen Handicap wurde, da wir mit einer gegnerischen Armada konfrontiert wurden, die uns weit überlegen war. Diese gesellschaftsgeschichtliche Konstante gilt es auszuhebeln.
Deshalb setzen wir darauf, uns als klandestin-militanter Sektor der revolutionärer Linken Rüstzeug zu beschaffen und anzulegen. Das mag als (sprachliche) Aufrüstung verstanden werden, entspringt aber aus einer nicht nur historisch begründbaren Annahme, dass der kapitalistische Klassenstaat von seinen AnhängerInnen (letztlich militärisch) geschützt wird. Sie haben ganz einfach den rechtsstaatlich verbrieften Auftrag, die Unversehrtheit der herrschenden Eigentumsordnung zu garantieren.
Jedes auch nur gedankliche Aufstandsszenario kommt, falls alle möglichen und unmöglichen Resultate mit gedacht sind, nur durch eine unverantwortliche Ausblendung an politisch-militärischen Fragestellungen vorbei. Wir können nur dazu ermuntern, sich z.B. mit verschiedenen historischen Aufstandspolitiken, seien es jene, die in Lenins und Blanquis oder in Bakunins und Mosts Schriften vermittelt werden, zu beschäftigen. Denn eines vermitteln diese schon sehr präzise: Aufgrund der bereits damals bis unter die Depotdecke mit militärischem Equipment gefüllten Arsenale war eine nicht-militärische Lösung im Verlauf der Zuspitzung des Klassenkampfes in Richtung eines (bewaffneten) Aufstands pure Illusion. Uns hilft nicht die Verleugnung des politisch-militärischen Faktors im Rahmen des „kommenden Aufstands“, sondern nur eine Auseinandersetzung über eine der gesellschaftspolitischen Lage nach angemessenen Umsetzung einer Option des bewaffneten Kampfes, die in eine proletarische Massenlinie integriert ist.
„Unsere Militanz sollte sich gegen jede Form des Militarismus samt seiner Ästhetiken wenden“, so die AutorInnen in dem Kongressreader. Wir halten diese Aussage für einen klassischen Verwechslungs-, oder besser gesagt Vermengungsfall. Es ist unmöglich, aus dem bisschen militanter Praxis, von dem hier ausgegangen wird, ein „Militarismus“ herausholen zu wollen. Nicht umsonst ist in langwierigen Teildiskussionen innerhalb der Militanzdebatte herausgearbeitet worden, dass eine militante Politik in mehreren Aspekten von einer bewaffneten oder gar (para-)militärischen unterschieden werden muss. Militanz allein genommen bewegt sich, wie verschiedentlich herausgestrichen wurde, in den „Niederungen des Taktischen“. Das ist auch kein Manko, da die Bandbreite der Interventionsmittel nach zähem Ringen recht einvernehmlich abgesteckt wurde.
Das, was hier als „Militarismus“-Gefahr verhandelt wird, ist zuallermeist eine alberne spätpubertäre Pose, die eher als sexistischer Machismo zu betiteln ist. Wir reden an dieser Stelle nichts Klein, sondern meinen, dass zum „Militarismus“ wenigstens die „Fähigkeit zum Militärischen“ gehören muss, wenn man sich nicht selbst den Vorwurf gefallen lassen will, „mit Kanonen auf Spatzen“ geschossen zu haben. Somit hätte man sich selbst durch die Hintertür an einer „Aufrüstung“ beteiligt.
Dass eine Praxis von revolutionären Organisationen oder Befreiungsbewegungen ins rein Militärische abgleiten kann, ist immer dann nicht nur latent, sondern offen gegeben, wenn quasi a-politisch die (militärische) Tat im Vordergrund steht. Solche Tendenzen der Verselbständigung hat es in der Geschichte der revolutionären Linken in allen Winkeln dieser Welt regelmäßig gegeben, Regulierungen aber auch.
Viel ergiebiger scheint uns für unsere Zwecke stattdessen die Fortsetzung der Kontroverse um den Aspekt eines „militanten Reformismus“ zu sein, wie sie in der „radikal“ von der (mg) ausgelöst wurde. Kritisiert wird hier – analog zum „bewaffneten Reformismus“ -, dass fallweise zu Aktionsformen wie Brandanschlägen gegriffen wird, die als „Protestsignal“ allein aufgrund ihrer Unangebrachtheit verpuffen oder hinsichtlich der aufgestellten Forderungen übers Ziel hinausschießen.
Ein wesentliches Kriterium für das Richtig-Liegen oder Falsch-Liegen der eigenen klandestin-militanten Aktivitäten lässt sich u.a. an dem Ausmaß der Resonanz sprichwörtlich ablesen. Dabei ist die Zeilenanzahl in den Spalten der herkömmlichen Presseerzeugnisse viel weniger gemeint, als dass die Ausdrucksmittel organisierter Militanz in unserer Klasse auf fruchtbaren Boden fallen. Hierbei sind Berichterstattungen in den Medien sicherlich ein wichtiges Transportmittel, denn nicht umsonst greift der bürgerliche Klassenstaat in Krisenzeiten im Zuge seiner mehr oder minder offenen Faschisierung auf repressive Zensurmaßnahmen gegen Zeitungsprojekte der revolutionären Linken zurück. Unser Vorteil liegt allerdings seit einigen Jahren darin, dass uns die weltweit abrufbaren Datennetze einen nie zuvor gekannten publizistischen Raum eröffnen, der von unserer Seite noch zu wenig ausgeschöpft wird.
Wie dem auch sei: vom vereinzelten Funkenschlagen bis zum aufständischen Flächenbrand ist es in bestimmten Perioden nur ein kurzer Weg, wie die aktuelle Situation im spanischen Staat oder seit Jahren in Griechenland aufzeigt. Legen wir ein, zwei, drei, viele Lunten, um eine Internationalisierung des Klassen- und Befreiungskampfes weiter anzufachen... Ein paar aufsteigende Rauchsäulen während der „Innenminister-Konferenz“ (IMK) Ende Juni in Frankfurt/M. wären hier sicherlich ein passendes Signal!
Klasse gegen Klasse – Krieg dem Krieg!
Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!
Revolutionäre Aktionszellen (RAZ), Juni 2011