Die EU-Finanzminister haben keine Einigung in der Griechenland-Krise erzielt, nun rufen griechische Gewerkschaften und Bürgervereinigungen zum Kampf gegen das neue Sparpaket der Regierung auf. Für diesen Mittwoch sind Massendemos, ein Generalstreik und die Belagerung des Parlamentsgebäudes geplant - auch in den Reihen der Regierung rumort es.
Athen - Erste Demonstranten sind schon am frühen Mittwochmorgen zum griechischen Parlamentsgebäude gekommen, in ein paar Stunden soll dort nichts mehr gehen: Gewerkschaften und Bürgervereinigungen planen einen Belagerung des Gebäudes, auch die Zufahrtsstraßen zur Volksvertretung sollen blockiert werden.
Griechenland im Ausnahmezustand - darauf setzen empörte Bürger, die gegen das neue Sparpaket von Ministerpräsident Giorgos Papandreou protestieren wollen. Massendemonstrationen soll es am Mittwoch geben, dazu einen Generalstreik.
Die Pläne von Papandreou sehen zusätzliche Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in dem hoch verschuldeten Land vor, um den Haushalt von weiteren 6,5 Milliarden Euro zu entlasten. Damit will die Regierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem Hilfspaket von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank sichern, ohne die die Zahlungsunfähigkeit droht. Das Land steckt in einer schweren Finanzkrise.
Für Papandreou wird es auch in den eigenen Reihen zunehmend schwierig: Aus Protest gegen die Pläne erklärte ein Abgeordneter am Dienstag seinen Austritt aus der Fraktion der Sozialisten. Damit bleibt der Regierungspartei Pasok mit 155 Mandaten noch eine Parlamentsmehrheit von fünf Sitzen. Allerdings drohte bereits ein weiterer Abgeordneter an, gegen die Sparpläne zu stimmen. Das Parlament soll Ende des Monats über die neue Sparrunde abstimmen.
Über die Krise in Griechenland hatten am Dienstagabend auch die EU-Finanzminister bei einem Sondertreffen in Brüssel beraten. Dabei konnten sie sich nicht auf einen Weg zur Beteiligung privater Gläubiger einigen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, es habe noch kein Ergebnis gegeben. Deutschlands Vorschlag dazu geht der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und manchen Euro-Ländern zu weit. Ihnen kommt es darauf an, dass die Gläubiger nicht zum Festhalten an ihren Anlagen gezwungen werden dürfen. So warnte der Luxemburger Finanzminister Luc Frieden, die Einbeziehung der privaten Investoren dürfe keine negativen Auswirkungen auf andere Staaten und den gesamten Währungsraum haben. Doch seien hier nur technische Einzelheiten zu klären, so dass zumindest in den kommenden beiden Wochen eine Einigung über ein neues Griechenland-Paket bis Monatsende möglich sei.
Die Euro-Gruppe soll sich am Sonntagabend in Luxemburg erneut treffen, sagte Frieden. Entscheidend für einen Fortschritt in der Diskussion werde das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy am Freitag in Berlin sein, ergänzte ein EU-Diplomat. Schäuble pochte bei dem Sondertreffen erneut auf eine deutliche Beteiligung der Finanzwirtschaft. Umstritten ist vor allem, wie freiwillig ein Festhalten der privaten Anleger - also Banken, Versicherungen und Pensionsfonds - an ihrem Engagement in Griechenland sein soll. Bei einer erzwungenen Lösung seien "die Risiken wesentlich größer als die Chancen", warnte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung".
EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte dem Blatt, Deutschlands Forderung werde nicht von allen EU-Staaten geteilt. Die Kommission sei bereit, ein Modell zu prüfen, das auf einer freiwilligen Verlängerung der Laufzeiten griechischer Staatsanleihen beruhe - aber unter keinen Umständen zu einem Kreditausfall führe. Der Plan lehnt sich an das "Wiener Modell" an, bei dem westeuropäische Banken 2009 freiwillig vereinbart hatten, trotz Finanzkrise ihr Engagement in Osteuropa aufrechtzuerhalten.
Schäuble geht diese freiwillige Selbstverpflichtung nicht weit genug. Die Investoren sollen dazu gebracht werden, griechische Staatsanleihen noch vor ihrer Fälligkeit gegen neue Bonds mit sieben Jahren Laufzeit zu tauschen. Deutschland wird dabei von Finnland und den Niederlanden unterstützt. In allen drei Ländern ist es zunehmend schwierig, die Parlamente mehrheitlich hinter ein neues Kreditpaket für Griechenland zu bringen.
Der künftige EZB-Präsident, Italiens Notenbankgouverneur Mario Draghi, sagte, alle Konzepte die nicht auf eine freiwillige Mitwirkung der Privatwirtschaft setzten, müssten wegen ihrer gefährlichen Nebenwirkungen vom Tisch. Er erläuterte bei einer Anhörung vor Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel, von den derzeit diskutierten Möglichkeiten scheine ihm das Vorbild der sogenannten Wiener Initiative am erfolgversprechendsten.
Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, der frühere belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, kritisierte geplante neue Milliardenhilfen für Griechenland. "Die Verabschiedung immer neuer Rettungspakete kann nicht die Lösung der Griechenlandkrise sein", sagte Verhofstadt der "Welt". "Die neuen Hilfen werden die Finanzmärkte nicht überzeugen. Die Kredithilfen kommen viel zu spät und sind viel zu einseitig."
So seien neben den griechischen Reformen und Sparanstrengungen "auch Impulse für Wachstum und Investitionen notwendig". "Einfach noch mal viele Milliarden Euro nachzuschießen, das ist keine Lösung", sagte Verhofstadt dem Blatt.
hen/Reuters/dpa