reframe the re-words: revolution & regress in "middle east"

 

reframe the re-words: revolution & regress in "middle east"


 

- Eine Veranstaltungsreihe zur Diskussion um die Situation im „Nahen Osten" und nördlichen Afrika

 

Seit Beginn des Jahres sorgen Aufstände und Umbrüche im »Nahen Osten« und nördlichen Afrika für Schlagzeilen. Während viele Interpretationen im bürgerlich-liberalen Spektrum »demokratische Revolutionen« analog zur Implosion des Ostblocks von 1989 sehen, verweisen andere auf die Gefahr einer islamistischen Vereinnahmung der Proteste vergleichbar mit der »iranischen Revolution« 1979. Doch lassen sich die Umbrüche und Aufstände als Aufbegehren nach Demokratie und Marktwirtschaft westlichen Typs verstehen? Ist der Antisemitismus ein zentrales, wenn nicht gar die Bewegungen einigendes Moment? Wir möchten mit dieser Veranstaltungsreihe eine Diskussion anregen jenseits von Eurozentrismen und rassistischen Ressentiments, ohne dabei jedoch einen emanzipatorischen Anspruch aufzugeben. Wir fragen nach dem Verhältnis von Revolution und Regress - nach Ansätzen, die progressiv über das Bestehende hinausweisen ebenso wie nach regressiven Momenten in den Umbrüchen, wie etwa dem Antisemitismus als reaktionärem Verarbeitungsmuster gesellschaftlicher Krisen. Die Thematisierung wirtschaftlicher und politischer Interessen in Deutschland, die weiterhin zur Unterstützung autoritärer Regimes weltweit führen und der Verbreitung menschenverachtender Einstellungen hierzulande soll dabei im Spiegel der Umbrüche ebenso beitragen zu einer Kritik deutscher Zustände.

 

Die Vorträge:

 

STEPHAN GRIGAT:

„Das iranische Regime, der arabische Aufbruch und die Bedrohung Israels"

Donnerstag - 26/05/2011 - 20h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

 

SOLALE SCHIRASI:

„Aktuelle Situation der Frauenbewegung im Iran"

Mittwoch - 01/06/2011 - 18h - Ort: Universität Konstanz, Raum R 512

 

JÖRG FINKENBERGER:

„Der Mittlere Osten und die Revolution"

Mittwoch - 08/06/2011 - 19h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

 

HANNES BODE:

„Emanzipation oder Regression im Nahen Osten? Warum diese Frage mit eurozentrischen und kulturalistischen Erläuterungen zu den Arabern und dem Islam nicht beantwortet werden kann"

Mittwoch - 15/06/2011 - 19h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

- organisiert in Zusammenarbeit mit dem U-ASTA Konstanz und im Rahmen des festival contre le racisme -

 

 

 

Die Referent_innen:

 

STEPHAN GRIGAT

Donnerstag - 26/05/2011 - 20h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

„Das iranische Regime, der arabische Aufbruch und die Bedrohung Israels"

In dem Vortrag sollen Charakteristika der iranischen Diktatur aus Ajatollahs und Pasdaran skizziert und die Bedrohungssituation für Israel dargestellt werden. Die deutsche Unterstützung für das Regime in Teheran wird ebenso beleuchtet wie die globale Bündnispolitik von Ahmadinejad und Khamenei. Zudem soll die Bedeutung der aktuellen Entwicklungen in den arabischen Ländern für die Sicherheit Israels einerseits und für die Expansionsbestrebungen des iranischen Regimes andererseits diskutiert werden.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bündnisses www.stopthebomb.net und Mitherausgeber von "Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer" (Studienverlag 2008) und "Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung" (Studienverlag 2010).

 

SOLALE SCHIRASI

Mittwoch - 01/06/2011 - 18h - Ort: Universität Konstanz, Raum R 512

 „Aktuelle Situation der Frauenbewegung im Iran"

Im Iran läuft eine starke Demokratiebewegung, die das diktatorische System verändern möchte. Die Frauenbewegung, die schon seit Jahren auf verschiedene Weise gegen die Herrschaft der Mollas kämpft, spielt in der jetzigen Situation eine wichtige Rolle. Wie sieht dieser Kampf aus und wie wird es in der Zukunft sein? Darüber möchte dieser Vortrag informieren.

Solale Schirasi absolvierte ein Hochschulstudium in Teheran und wurde Lehrerin für Mathematik. 1975 wurde sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten zusammen mit ihrem Mann verhaftet und zwei Jahre später dank der Intervention von Amnesty International und des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes freigelassen. Nach der Revolution erhielt sie ein Berufverbot. 1987 - nachdem ihr Mann aus dem Gefängnis der Mollas fliehen konnte - verließ sie mit ihm und ihren Kindern den Iran. Seither veröffentlicht sie Artikel über die Situation der Frauen im Islam und speziell im Iran und hält Vorträge und Lesungen. Seit 1991 ist sie Dozentin an der Universität Konstanz. Im Jahr 2004 hat sie gemeinsam mit ihrem Mann das Buch "Weder Kopftuch noch Handgranate" verfasst. 

 

JÖRG FINKENBERGER

Mittwoch - 08/06/2011 - 19h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

„Der Mittlere Osten und die Revolution"

Vor einem Jahr hätten es die wenigsten für möglich gehalten, dass die Länder Nordafrikas und des Mittleren Osten vor tief greifenden Umwälzungen stehen. Sie schienen stabil, sogar stagnierend. Die von den Regimes erzwungene Unterentwicklung erschien manchen Freunden des Rückständigen im Westen als Äußerung einer besonderen "arabischen" Kultur. Der Aufstand im Iran, und die Welle von Aufständen in der arabischen Welt, die folgte, haben diese Ansicht blamiert. Heute kann niemand mehr so tun, als hätten die Verhältnisse, die viel zu lange geherrscht haben, die Zustimmung der Bevölkerung.  Die Geschichte wird, wie sich zeigt, tatsächlich von den Menschen selbst gemacht, wenn auch nicht aus freien Stücken. Diese verleugnete Realität meldet sich zurück. Wie die Geschichte ausgeht, ist, wie immer, völlig offen.  Der Referent versucht, anhand der Entwicklung und der Vorgeschichte dieser Auseinandersetzungen aufzuzeigen, was aus dieser Entwicklung an Gefahren und Perspektiven herauszulesen sein wird, über die gesamte Entwicklung der Dinge im Mittleren Osten; über den israelisch-arabischen und den israelisch-iranischen Konflikt; über die Lage der unteren Schichten, der Frauen, der unruhigen Jugend und der Minderheiten in den Gesellschaften; über den Islamismus und die Bedingungen, aus denen er erwächst; und über die Perspektiven, die sich aus ihnen für die Befreiung der Menschheit ergeben.

Jörg Finkenberger (Würzburg/Freiburg) ist Autor und Mitherausgeber der Zeitschrift ehemals "Letzter Hype", jetzt " In The Absence Of Truth".

 

 

HANNES BODE

Mittwoch - 15/06/2011 - 19h - Ort: Schwarze Katz (Katzgasse 8, 78462 Konstanz)

- organisiert in Zusammenarbeit mit dem U-ASTA Konstanz und im Rahmen des festival contre le racisme -

„Emanzipation oder Regression im Nahen Osten? Warum diese Frage mit eurozentrischen und kulturalistischen Erläuterungen zu den Arabern und dem Islam nicht beantwortet werden kann"

Als in Tunesien und bald darauf in Ägypten zahllose Massendemonstrationen und Straßenschlachten zum Sturz der dortigen Regime führten, entdeckte das hiesige Feuilleton - mit einiger Verzögerung - den Nahen Osten wieder. Während dieser zuvor nur als bauliche orientalische Pracht in den Reisebeilagen oder als politisch-strategischer Partner ab und an im Politikteil auftauchte, entfachte nun seine Bevölkerung die Begeisterung bürgerlicher Liberaler. Einige kritisierten westliche Staaten, die ja ihrem eigentlichen Anspruch nicht gerecht worden wären, und frohlockten über markige Ansagen von Politikern an bereits gestürzte Despoten, ohne zu bemerken, dass anderswo mit ebenso despotischen Regimes auch weiterhin beste Beziehungen bestehen und dass nicht individuelle Inkonsequenz, sondern kapitalistische Konsequenz das Problem ist. Die blumige Jasmindemonstration wurde zum Widergänger der „demokratischen Wende" 1989, das „Volk" auf den Straßen war authentisch und jeder wusste irgendwie das Geschehen zu kommentieren. Während so genannte Islamkritiker sich plötzlich auffällig zurückhielten, wollten verschiedene Kulturalisten endlich den Beweis gefunden haben, dass *die* Araber *den *Islam mit *der* Demokratie vereinbaren können. Und überhaupt kreiste die Debatte rund um die Uhr um die Frage, ob jetzt Muslimbrüder an die Macht kommen oder ein zweites 1979 vor der Tür stehen würde, ob *die* Araber jetzt endlich modern seien und ob sich der Reformislam durchsetzen würde. Diese Kommentare zum Geschehen im Nahen Osten waren meist unbeholfen und lagen oft daneben. Denn der wirkmächtige Araberstereotyp und die Determinante Islam sind nutzlos, wenn man gesellschaftliche Prozesse analysieren will, und soziale und politische Kämpfe ausgetragen werden. Wer über Moderne und Emanzipation, über Öffentlichkeit und Individualität reden will, muss den Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und Subjekte richten, und nicht ideologischen Konstrukten und identitären Zuschreibungen aufsitzen. Um Geschichte und Gegenwart des Nahen Ostens zu verstehen, braucht man nicht zuerst Koran oder Al-Ghazali, sondern Marx und Habermas oder Hobsbawm.

Die Themen Religion, Öffentlichkeit und Emanzipation sollen mit einigen historischen und aktuellen Beispielen angesprochen werden, um zuletzt auch die Frage diskutieren zu können, was er denn nun ist, der Nahe Osten nach dem Umbruch.

Hannes Bode hat an der Universität Halle Islamwissenschaft und Geschichte studiert. Er beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen und der Rolle der Religion im Nahen Osten seit dem 18. Jahrhundert, der Frage nach Tradition und Moderne sowie den aktuellen politischen Entwicklungen in der Region. Er schrieb u.a. für die politische Wochenzeitung Jungle World.

 

 

Weitere Informationen auf:

www.salonliberte.blogsport.de

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