Bildung statt Ausbildung! - Aufruf zum Bochumer Schulstreik

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Gegen Leistungsterror, soziale Selektion und den sinnlosen Schulalltag 
Mal im Ernst: wer geht eigentlich gerne zur Schule?
Nein, das passt nicht zusammen. Die Schule ist kein Ort wo wir Schüler_innen gerne hingehen. Die Schule, das ist eine fünfmal die Woche stattfindende Pflichtveranstaltung, die bei den meisten Widerwillen, Stress und Frust hervorruft. Wie das Wort Schulpflicht schon sagt müssen wir trotzdem dort hingehen. Vorträge von lustlosen Lehrer_innen über uns ergehen lassen, über Themen, die wir uns nicht ausgesucht haben; uns Tag für Tag unter Druck setzen lassen die gewünschte Leistung zu bringen – und uns dann noch die Drohung anhören, wenn wir nicht richtig mitmachen, werden wir arbeitslos.

 

Schule in Deutschland: Soziale Ausgrenzung mit System


In keinem anderen Land werden Kinder so früh auf die späteren Schulformen verteilt, wie in Deutschland. In der Regel im Alter von 10 Jahren entscheiden Eltern und Lehrer_innen, über die weitere berufliche Laufbahn der Kinder. Ohne einen reellen Einfluss der betroffenen Schüler_innen steckt man sie in Haupt-, Real-, oder Gesamtschulen – die „Glücklicheren“ dürfen den gesteigerten Leistungsterror auf dem Gymnasium über sich ergehen lassen.
Angeblich werden die Schüler_innen nach ihrer Leistung(sfähigkeit) in die entsprechenden Schubladen einsortiert. Wenn das so wäre, müsste man sich fragen, was für eine moralische Verdorbenheit der Idee zu Grunde liegt, zehnjährige Kinder in knallharte Konkurrenz- und Leistungsprinzipien einzuspannen.
Es ist allerdings noch wesentlich erschreckender. Die Zahlen der PISA-Studie belegen, dass die soziale Schicht und die Frage, ob ein Kind Migrationshintergrund hat, entscheidenden Einfluss auf die spätere Schul- und damit Arbeitsmarktkarriere der Kinder haben.
Ungefähr die Hälfte der Kinder aus den oberen Schichten besuchen in Deutschland das Gymnasium in den unteren Schichten sind es um die 20%. Hier besuchen mehr als die Hälfte Haupt- und Reals- und Sonderschulen. (1)
Wir wissen, dass für die ungleich verteilten Berufschancen nicht nur das Schulsystem, sondern zahlreiche andere gesellschaftliche Faktoren entscheidend sind. Wir wenden uns jedoch entschieden gegen die Praxis die Ungleichheit noch durch das Schulsystem zu zementieren und Schüler_innen über ihre Köpfe hinweg in Schubladen zu sortieren. Wir fordern die bedingungslose Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und die Einführung einer inklusiven Gesamtschule für alle!

 

Entspannt bleiben: G 8 abschaffen!


Die Schule lässt einem ohnehin schon viel zu wenig Zeit für die eigenen Interessen. Sport, Zocken, lesen, auf die Straße gehen, oder in der Woche abends durch die Stadt laufen wird durch das alltägliche Pflichtprogramm stark eingeschränkt. Uns selbst nach eigenen Vorlieben zu bilden wird uns durch den zementierten Lehrplan nicht ermöglicht – und nach 6 bis 12 Stunden Schule am Tag ist es nur allzu legitim sich nur noch mit Shoppen, Facebook, Computerspielen und ähnlichem die Zeit zu vertreiben. Als wäre das grundsätzlich nicht schon beschissen genug, setzte man uns noch das Gymnasium in acht Jahren (G 8 ) vor die Nase.
Wer zum priviligierten Teil der Schüler_innen gehört, darf seine Zeit nun nicht einmal mehr mit sinnfreien Beschäftigungen jenseits von Schule verbringen. Mit G 8 erfüllte die NRW-Landesregierung die Forderung der Wirtschaft, junge Menschen müssten schneller auf den Arbeitsmarkt geworfen werden. Auch das grundsätzliche Prinzip von Leistung- und Gehorsam soll mit erhöhtem Druck an Gymnasien in uns hineingelehrt werden. Kein Wunder, dass wir uns das nicht bieten lassen und stattdessen lieber streiken und auf die Straße gehen.

 

Kein Bock auf Befehle und Kommandos

 

In der Schule wird man dem Druck zur Leistung nicht nur durch Anreize und Drohungen ausgesetzt. Die Lehrer_innen, das „Kollegium“ und die Schulleitung haben die Macht. Und wir sollen keine haben. Was der Lehrer im Unterricht sagt, ist Gesetz und Wahrheit zugleich. Historische „Wahrheiten“, politische Einschätzungen, oder ganz einfach, was man als Schüler_in zu tun, oder zu lassen hat, kann der/die jeweilige Lehrer_in entscheiden. Obwohl wir zu mündigen Bürger_innen erzogen werden, macht uns die Schule unmündig. Auch auf politische Entscheidungen, das Schulsystem, oder die Länge unseres Schultages gesteht man uns keinen Einfluss zu. Wir sind per Gesetz verpflichtet, Folge zu leisten. Die Schüler_innenvertretungen haben meist keinen Einfluss und oftmals kein Interesse daran, eine Gegenmacht mit aufzubauen. Meist ist die nächste Stufenparty interessanter. Das hat auch damit zu tun, dass sie nicht nach politischen Kriterien gewählt werden, sondern sich aus den jeweiligen Klassensprecher_innen, die sowieso nach persönlicher (Un-)Sympathie gewählt werden, zusammen setzen. Mehr Einfluss können wir uns nur auf der Straße, oder durch entschlossenes gemeinsames Handeln im Klassenzimmer aneignen. Widersetzen wir uns Lehrer_innen und Politiker_innen für mehr Mitbestimmung und unsere Interessen!

 

Auf den Punkt gebracht: Bildung statt Ausbildung!


Letztlich wollen wir nicht mehr und nicht weniger als Bildung, die nicht den Kriterien von Leistung und Konkurrenz untergeordnet ist. Nicht Wirtschaft und Politik sollen entscheiden, was und wie wir lernen, sondern wir selbst. Wir wollen nicht für einen bestimmten Zweck ausgebildet werden; wir wollen uns bilden, um selbstbewusste und selbstbestimmte Individuen sein zu können. Wir brauchen hierfür keine pathetischen Bildungsideale mit der wir uns den Zweck, zu dem uns die Schule ausbildet, schön reden. Wir wollen mehr Freiheiten. Wir wollen von Lehrer_innen und Politiker_innen mit ihrem Leistungsterror in Ruhe gelassen werden. Und wir wollen in der Schule gleich behandelt werden – unabhängig vom Portemonnaie oder der Herkunft unserer Eltern! Wir rufen euch auf anstatt die Leistungsideologie, die uns vermittelt werden soll, auf persönlicher Ebene zu kopieren und in allgemeiner Konkurrenz eure Mitschüler_innen zu mobben und nieder zu machen, gemeinsam und entschlossen gegen die sinnlosen Anforderungen von Lehrer_innen und Politik vorzugehen. Ihre Versuche gegen Mobbing mobil zu machen sind scheinheilig, denn das gegenseitige Niedermachen unter den Schüler_innen ist nur eine Kopie des von ihnen vermittelten Konkurrenzprinzips.

Also gehen wir auf die Straße und streiken gegen die Bedingungen, die uns das Leben erschweren und wirkliche Bildung nicht möglich machen. Und auch danach sind unsere Forderungen ausgerichtet. Wir wollen nicht in asbestverseuchten Gebäuden sitzen, keinen Druck in acht Jahren mit dem Abi fertig zu werden und keine soziale Ausgrenzung im dreigliedrigen Schulsystem.

 

In diesem Sinne: Am 1. Juli 2011 – Heraus zum Schulstreik!


10 Uhr Bochum Hauptbahnhof

 

Die Forderungen:

 

Gymnasium in acht Jahren abschaffen – Leistungsterror entgegen treten
Eine inklusive Gesamtschule für alle – gegen das dreigliedrige Schulsystem
Gegen die Diktatur des Kollegiums – für Selbstbestimmung
Solidarität statt Konkurrenz – Mobbing bekämpfen
Gegen Bildung für wirtschaftliche Zwecke – Bildung statt Ausbildung!

 

 

(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Auswertung_der_PISA-Studien:_Einfluss_des_s...

 

 

Schulstreik Bochum