Der Betreiber des elsässischen AKW Fessenheim hält die Erdbebensicherheit auch nach den Erfahrungen von Fukushima für ausreichend. Block II ist derzeit zur Revision abgeschaltet. Dafür wurden tausende Leiharbeiter angeheuert.
Auf dem Gelände herrscht Geschäftigkeit. Hinter den Einlasskontrollen stehen jetzt weiße Baracken. Tausende Leiharbeiter werden in den kommenden 200 Tagen für die Zehnjahresinspektion von Block II erwartet. Am 16. April war der Meiler vom Netz genommen worden. "Sicherheit und Transparenz sind unsere Prioritäten", versicherte Rosso am Freitag vor Journalisten. "Alle zehn Jahre müssen wir nachweisen, dass unsere Anlagen mit der neuesten Technik ausgestattet sind."
Fukushima hat in Frankreich den Glauben an die Beherrschbarkeit der Atomkraft keineswegs erschüttert. Dass Paris die 58 Reaktoren im Land den in ganz Europa geplanten Stresstests unterziehen möchte, hat mit der Inspektion in Fessenheim nichts zutun. Sie ist von langer Hand geplant und Voraussetzung für eine Laufzeitverlängerung. Der Stromkonzern EDF investiert mit 200 Millionen Euro sogar weit mehr als bei Block I, der 2009 und 2010 dem Check unterzogen wurde.
In Block II – vom Rhein aus gesehen auf der rechten Seite – müssen neben einem Drucktest des Reaktorgebäudes oder einer Untersuchung der Schweißnähte diesmal auch die drei Dampfgeneratoren ausgetauscht werden.
15.000 Reparaturen, Modernisierungen und Tests
Befragt nach einer Neubewertung des Erdbebenrisikos nach Fukushima fragte Rosso am Freitag provokant zurück: "Wollen Sie sagen, dass unsere Wissenschaftler weniger wüssten?" Er spielte damit auf die Genfer Résonance-Studie an, die das Erdbebenrisiko in Fessenheim für zu gering veranschlagt hält. "Unsere Sicherheitsmaßnahmen sind mit großzügigen Spielräumen ausgelegt", so Rosso.
Zudem habe der französische Premierminister bei dem geplanten französischen AKW-Audit explizit die Überprüfung der Erdbebensicherheit gefordert.
15.000 Reparaturen, Modernisierungen und Tests kündigte Rosso bis Jahresende an. Ausgeführt werden sie nicht nur von den Bediensteten von EDF: Die Zehnjahresinspektionen funktionieren nur dank tausender Leiharbeiter, die von AKW zu AKW ziehen. 30.000 von ihnen sollen es in ganz Frankreich sein. Für Fessenheim werden zusätzliche 1500 Arbeiter beschäftigt. In den Spitzenzeiten der Großinspektion sind es sogar 2400 Menschen, die das Gelände beziehen.
Arbeitsnomaden übernehmen die gefährlichen Jobs
EDF spricht nicht gerne davon, die Beschäftigten vor Ort wissen es aber sehr genau: Wer als Leiharbeiter bei dem Testmarathon anheuert, verdient den französischen Mindestlohn von etwa 1200 Euro und damit mehrere hundert Euro weniger als die festangestellten EDF-Leute. Seit Jahren lasse EDF zwei Drittel der Instandsetzungsarbeiten von billigeren Subunternehmern ausführen, kritisiert ein Gewerkschafter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Er selbst ist in Fessenheim seit 1992 beschäftigt und will beobachtet haben, dass Arbeiter früher Abklingbecken mit Lappen reinigen mussten. Heutzutage, sagt er, gebe es für die gefährlichen Jobs die Arbeitsnomaden – auch wenn sich die Sicherheitsvorschriften in 20 Jahren verbessert hätten.
Die Leiharbeiter würden überall dort eingesetzt, sagt der Mann von der Gewerkschaft CGT, wo man potenziell höheren Strahlendosen ausgesetzt sei. "Deshalb liegen die Unfallraten bei den Leiharbeitern auch über dem Durchschnitt der EDF-Beschäftigten." Weil die Leiharbeiter alle paar Monate ihren Arbeitsplatz wechseln müssten, werde ihre Strahlenbelastung unzureichend kontrolliert.
Französische Medien zitieren unlängst auch die Soziologin Annie Thébaud-Mony. Sie untersuchte die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter in Frankreichs Atomkraftwerken. 80 Prozent der problematischen Strahlendosen bekämen sie ab, sagt sie. Sobald sie die zulässige Jahreshöchstdosis von 20 Millisievert erreicht hätten, würden sie entlassen.