Leipzig: 30.04. und 1.5.

Plakat erster Mai

Während in Berlin und anderen Städten zum X-ten Mal im Rahmen des 1.Mai zur Revolution und dem vermeintlichen Ende des Kapitalismus aufgerufen wird, scheinen diese Töne in Leipzig anders zu klingen. Doch auch Leipzig erwartet rund um den 1.Mai kapitalismuskritische und staatskritische Aktivitäten.

 

Seitdem Christian Worch und andere Neonazis Leipzig offenbar nicht mehr attraktiv genug für ihre politischen Manifestationen finden, scheint es rund um den 1.Mai in der Messestadt ruhiger geworden zu sein. Während noch bis 2007 mehrere hundert Neonazis versuchten, verschiedene Stadtteile zu erreichen und mit ihrer menschenverachtenden und geschichtsrevisionistischen Propaganda zu füllen,  dabei oftmals auf vehementen und entschlossenen antifaschistischen Protest stießen, haben sich die Nazis dieses Jahr u.a. nach Halle/Saale zurückgezogen. Die Stadt Leipzig lädt am 1.Mai eher zum Bratwurst - Essen und Relaxen ein, ganz so wie sich Politik, Kapital und viele Andere die Gestaltung des Tages wünschen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass der DGB in Leipzig nur eine kleine Kundgebung am Augustusplatz plant, die alljährliche Demonstration von dogmatischen Linken und Gewerkschafter_innen vom Connewitz Kreuz zum Augustusplatz wurde ganz abgesagt.

 

Das scheinbar immer gleiche Spiel aus Hasstiraden auf Manager, Spekulant_innen und konservativ-liberale Politiker_innen sowie Lobesrede auf ehrliche, gute Arbeit bleibt jedoch auch dieses Jahr keineswegs den Zuhöher_innen auf dem Augustusplatz und anderswo erspart. Erfreulicherweise zeigen sich dazu aber auch zunehmend kritische Töne. 2010 blockierte eine Gruppe arbeitskritischer Demonstrant_innen mit einem Transparent, Liegestühlen und Cocktails die Demonstration vom Connewitz Kreuz und forderte: Proletarier aller Länder – macht Feierabend!

 

Die fehlende Notwendigkeit sich am 1.Mai mit den Nazis auseinandersetzen zu müssen und die arbeitsbejahende Politik von Gewerkschaften und Parteien bewegte 2009 einige Menschen zur Gründung eines neuen Bündnisses, das sich fortan für die Durchführung eigener Veranstaltungen rund um den 1.Mai aussprach. So fand 2009 erstmals eine Sterndemonstration am 1.Mai statt. Verschiedene Akteure aus drei Stadtteilen organisierten jeweils eigene Demonstrationen, welche dann in der Südvorstadt zu einem zentralen Demozug zusammenführten. Auch 2010 wurde dieses Konzept angewendet und beinhaltete u.a. die Situation von alternativen Freiräumen im Leipziger Westen und arbeitskritische Positionen auf einer Demonstration in Leipzig Reudnitz. Die Teilnehmer_innenzahlen auf diesen Veranstaltungen waren deutlich größer als bei den 1.Mai Kundgebungen des DGB oder der Demonstration vom Connewitz Kreuz. Es zeigte sich bereits, dass der 1.Mai jenseits von Reaktionen auf Nazis und Arbeitshuldigung gestaltbar ist und andererseits, dass es in Leipzig zahlreiche Menschen gibt, die sich für eine völlig neue Besetzung dieses Datums jenseits von Revolutionsromantik und sozialdemokratischer Gewerkschaftspolitik interessieren.

 

Im Jahr 2011 begann das 1.Mai Bündnis Leipzig bereits ab Januar mit einer Kinoreihe zu den Schwerpunkten der diesjährigen Kampagne. An verschiedenen Orten Leipzig wurden Dokumentationen und Spielfilme gezeigt, anschließend fanden Diskussionsrunden unter den Teilnehmer_innen statt. Der Politikansatz des Bündnisses fokussierte bewusst auf eine starke inhaltliche Diskussion und einen Austausch. Aus diesen ersten Veranstaltungen entstand die Kampagne „The Future is unwritten – Für eine Perspektive jenseits von Arbeitswahn und Staatsfetisch“ welche aus einem Aufruf, einer Veranstaltungsreihe und einer Demonstration am 30. April besteht. Am 5. Und 7. April fanden dazu Auftaktveranstaltungen in Leipzig statt. Knapp 80 Menschen nahmen daran teil. Nach kurzen Statements der Organisator_innen gab es zahlreiche Beiträge aus dem Publikum und längere Diskussionen dazu. Im Mittelpunkt der Diskussion standen Fragen nach der Organisation von Kritik und der Einschätzung der globalen kapitalistischen Verhältnisse.  Die Veranstaltungsreihe startete zudem mit einem Seminar, welches Menschen einlud sich näher mit kapitalismuskritischen Positionen auseinanderzusetzen. Die Kampagne zielt zum einen auf die Notwendigkeit, sich mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen zu befassen sich von dessen Folgen auf Individuum und Gesellschaft bewusst  zu machen und insbesondere Kritik an Lohnarbeit, staatlicher Verwaltung und kapitalistischer Vergesellschaftung zu üben. Jedoch lädt sie gleichzeitig zum Austausch und zur Diskussion über politische Interventionen ein. Beispielsweise soll auf einer Podiumsdiskussion über das kommende Ende der Erwerbsarbeitsgesellschaft debattiert werden, wobei bewusst auch Vertreter_innen des DGB und des Netzwerk Grundeinkommen eingeladen wurden. Das 1. Mai Bündnis Leipzig möchte nicht nur zur Teilnahme an den Veranstaltungen einladen, es will gleichzeitig die Notwendigkeit der Auseinandersetzung, Austausch und Diskussion unter verschiedenen linksradikalen und arbeitskritischen, kapitalismuskritischen Akteuren deutlich machen. Das Kampagnenmotto „The Future is unwritten“ zielt jedoch nicht nur auf eine emanzipatorische Perspektive jenseits von Arbeitswahn und Staatsfetisch, sondern weist zugleich auf die drohende Entwicklung hin: Eine Demokratie welche sich als Selbstzweck begreift und im Kontext von Extremismus-Klausel und staatlicher Repression zunehmend autoritärer wird aber auch eine weit verbreitete Sicht auf den Kapitalismus, die Manager und Spekulant_innen als Verursacher der Krise begreift und entsprechend regressive Forderungen aufstellt.

 

Noch bis zum 9. Juni wird es in Leipzig Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne geben. Am 30.04. startet die zentrale Demonstration vor dem Hauptbahnhof Leipzig um 16 Uhr.

 

Das Datum des 30.04. wurde jedoch nicht nur aus Distanz zu der übrigen politischen Besetzung des 1.Mai gewählt, sondern auch um eine breite Teilnahme an den antifaschistischen Protesten gegen den Naziaufmarsch in Halle zu ermöglichen. Das 1.Mai Bündnis Leipzig unterstützt die antifaschistischen Gruppen aus Halle und ruft zur Blockade des Aufmarschs in Halle auf.

 

Das 1.Mai Bündnis will bewusst zur Diskussion über die Kritik an Arbeit und Staat einladen. Eine linksradikale Perspektive muss den Bruch mit Arbeit und Staat wagen und sich darüber hinaus organisieren.

 

Weitere Informationen dazu gibt es auf dem Blog des Bündnisses: http://mayday2011.blogsport.eu