Drug-Checking – Instrument der Gesundheitsvorsorge oder Repressionshilfe?

Mobiles Drugchecking in der Schweiz auf Parties

 

Drug-Checking ist eine Interventionsstrategie zur Erhaltung der Gesundheit, da die genaue Kenntnis von Dosierung und Wirkstoffzusammensetzung einer Droge den potentiellen Gebrauchern derselben das objektiv bestehende Gefahrenpotential vergegenwärtigt und somit eine klare Grundlage für die subjektive Risikoabschätzung vor der eventuellen Einnahme schafft. Drug-Checking fördert somit den Lernprozess zu einem verträglichen Risikomanagement.

 

Beim Drug-Checking werden Partydrogen im Labor qualitativ und quantitativ auf Wirkstoffgehalte und auf die Gesundheit gefährdende Verunreinigungen hin getestet, um im Falle des Auftauchens extrem gefährlicher Schwarzmarktprodukte die Konsumenten mit einer entsprechenden Warnung zu informieren. Drug-Checking ist in erster Linie ein Instrumentarium zum Schutz von Gesundheit und Leben. Die gewonnenen Daten werden natürlich auch von der Polizei für die Strafverfolgung genutzt.

 

Die UNO und Drug-Checking

In der Zeit vom 21. bis 25. März 2011 tagte in der UNO-City in Wien die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (Commission on Narcotic Drugs, CND). Die Suchtstoffkommission wollte eine bessere Verfügbarkeit kontrollierter Substanzen für die wissenschaftliche und medizinische Nutzung ermöglichen. Diese Substanzen benötigt man zum eichen der Apparaturen zur Analyse von auf dem Schwarzmarkt kursierenden Drogen – dem sogenannten Drug-Checking. Bei der Beratung gab eine kurze Diskussion welche Organisation, der Suchtstoffkontrollrat (International Narcotic Control Board, INCB) oder das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC), diese Substanzen zur Verfügung stellen und die Qualität kontrollieren solle.

Der Vorschlag kam aus Finnland mit der Argumentation, dass Drogentestlabore immer eine gewisse Menge von den kontrollierten Substanzen benötigen um ihre Analysen durchzuführen. Auch wenn diese Labore ihre Arbeit im Auftrag der Regierung durchführen, sei es schwierig, an diese Substanzen zu gelangen. Somit sei es nötig, die Verteilung von Testproben für Qualitätskontrollen international zu organisieren.

Angedacht war ursprünglich eine Ermöglichung von Drug-Checking für »Medizinische Zwecke« wie auch für »wissenschaftliche Zwecke«. Die Formulierung »Medizinische Zwecke« wurde in der Folge aus der Vereinbarung entfernt, es verbleiben somit nur noch die »wissenschaftlichen Zwecke«. Vergl. hierzu den Artikel auf derHanfplantage von tribble: »Suchtstoffkommission möchte bessere Verfügbarkeit kontrollierter Substanzen für die Wissenschaft«.

UNO-Behörden und nationale Regierungsstellen behaupten immer wieder, dass Betäubungsmittelgesetze dem Gesundheitsschutz dienen sollen. Doch im Falle von Drug-Checking engagierten sich bei der Suchtstoffkommission nur ganz wenige Regierungsvertreter für die medizinischen Zwecke. Einen Beitrag Deutschlands bei dieser Diskussion sucht man vergeblich in den Protokollen des CNDblogs. Es zeigt sich hier deutlich, dass bei der Suchtstoffkommission und den zugeördneten UNO-Behörden wie auch bei den meisten Regierungen die Repression vorrangig bedacht wird und der Gesundheitsschutz nachrangig behandelt wird. Hier offenbart sich wieder einmal mehr die schier grenzenlose Bigotterie nationaler und internationaler Behörden in Sachen Drogenpolitik.

 

Drug-Checking in Deutschland
Die erste etablierte Drogenberatungsstelle in Deutschland, die den Nutzen eines solchen Drug-Checking-Programms erkannte und in der Lage war, dieses System auch partiell mit zu nutzen, war die DROBS in Hannover, die ab 1995 Pillenidentifikationen in Verbindung mit Schnelltests durchführte. Die DROBS war, was den Bereich Drug-Checking anbelangte, eine Art Satellitenstation des niederländischen Systems, da die Ergebnislisten für die Pillenidentifizierung regelmäßig aus den Niederlanden bezogen wurden. Die DROBS führte keine eigenen Laboranalysen durch. Aus rechtlichen Gründen mußte die DROBS diesen Service im Jahr 2005 einstellen. 

Ebenfalls im Jahr 1995 begann in Berlin der Verein zur Förderung der Party- und Technokultur und zur Minderung der Drogenproblematik, Eve & Rave, ein eigenes Drug-Checking-Programm zu installieren. Eve & Rave veröffentlichte regelmäßig die Ergebnisse der Analysen in Listenund machte so die Informationen öffentlich zugänglich. Um zu erfahren, was die einzelnen Pillen für Wirkstoffe enthielten, musste man nicht eine Beratungsstelle aufsuchen, sondern jedermann konnte selbst eine Pillenidentifizierung anhand der öffentlichen Listen vornehmen. Des weiteren wurden die Analyseresultate von Eve & Rave Berlin regelmäßig bei der Informationszentrale gegen Vergiftungen der Universität Bonn über Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Leitmotiv dieser Handlungsweise war die Förderung der Eigenkompetenz, das heißt durch Anregung zum selbständigen Handeln das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit zu fördern, das Selbstvertrauen zu steigern und so das Selbstbewusstsein zu festigen. Ziel des Drug-Checking-Programms in Berlin war nicht nur die Minderung der gesundheitlichen Risiken für Drogengebraucher, sondern auch die Förderung der Drogenmündigkeit, die mit zunehmenden Maße eine Reduzierung der Notwendigkeit von Fürsorge durch das Drogenhilfesystem zur Folge hat.

Gut drei Monate nach dem Start des Drug-Checking-Programms wurde von Amtes wegen im Mai 1995 Strafanzeige gegen Unbekannt in Sachen Drug-Checking erstattet und Ermittlungen gegen verschiedene Mitglieder des Vereins Eve & Rave Berlin seitens des Landeskriminalamtes (LKA) eingeleitet. Über 20 Monate ermittelte das LKA gegen mehrere Mitglieder des Vereins. Im Januar 1997 waren dann die Ermittlungen abgeschlossen. Erst zehn Monate nach dem Abschluss der Ermittlungen beim LKA erhob dann die Staatsanwaltschaft I bei dem Amtsgericht Berlin im November 1997 Anklage gegen drei beschuldigte Mitglieder des Vereins Eve & Rave. Vier Monate später, im März 1998, wurde den drei Angeschuldigten dann die Anklageschrift durch das Amtsgericht Tiergarten mitgeteilt. Zwischen dem Zeitpunkt der Strafanzeige und dem Zeitpunkt der Mitteilung der Anschuldigungen lagen somit fast drei Jahre. Nach einem weiteren Jahr, im März 1999 wussten dann die drei Angeschuldigten durch Beschluss des Landgerichtes Berlin, dass sie sich im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Drug-Checking-Programm nicht strafbar gemacht hatten und nicht gegen geltendes Recht verstoßen hatten.

Eigentlich hätte Eve & Rave e.V. Berlin gemäß der Gerichtsbeschlüsse in Deutschland wieder ein Drug-Checking-Programm durchführen können, da durch die Gerichtsentscheide in dieser Angelegenheit nun Rechtssicherheit bestand.

Eine Wiederaufnahme des Drug-Checking-Programms konnte jedoch nicht mehr in Angriff genommen werden, weil das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin, das gemäß § 3 BtMG zuständig für die Erteilung einer Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln ist, dem Institut der Charité, die für Eve & Rave die Analytik von Ecstasy-Pillen im Rahmen des Drug-Checking-Programms durchgeführte, die hierfür notwendige Erlaubnis massiv einschränkte. Dem Gerichtsmedizinischen Institut war nun nur noch erlaubt, Untersuchungen von Betäubungsmitteln für die Polizei und die Staatsanwaltschaft durchzuführen, jedoch nicht mehr für private Organisationen und Einrichtungen. Diese Einschränkung durch das BfArM erfolgte nur aus politischen Erwägungen, denn das betroffene Institut der Charité hatte es weder an der nötigen Sorgfaltspflicht mangeln lassen, noch hatte das Institut gegen geltendes Recht verstoßen. Diese massive Einschränkung der Erlaubnis muss als reiner Akt der Willkür bezeichnet werden.

 

Ein Drug-Checking-Symposium soll’s richten

In der Zeitschrift Akzeptanz Heft 1/2010 veröffentlichten Tibor Harrach und Rüdiger Schmolke einen Artikel unter dem Titel »Drugchecking: Von der Drogenkontrolle zum individuellen Risikomanagement«. In dem Artikel heißt es u.a.: »Drugchecking ist nur dann glaubwürdig und wirksam, wenn die Ergebnisse des sogenannten Monitorings ausschließlich zur Verbesserung und Erweiterung der Hilfsangebote und nicht zum Ausbau repressiver Maßnahmen genutzt werden.« Tibor Harrach und Rüdiger Schmolke gehören zu den Initiatoren der Drugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg.

Auch auf der Website dieser Drugchecking-Initiative ist ein ähnlicher Text zu lesen: »Die Initiative hat das Ziel, in absehbarer Zeit Drugchecking als Strategie der Gesundheitsförderung in Deutschland wieder möglich zu machen. Dabei herrscht Einigkeit darüber, dass eventuell im Zuge von Drugchecking-Programmen ermittelte Erkenntnisse über Drogenkonsummuster und -trends nicht zur Verfolgung repressiver Strategien angewendet dürfen, sondern allein dem Ziel des Gesundheitsschutzes der Konsumenten dienen sollten.«

Da die Bundesrepublik Deutschland sich jedoch an der letzten Tagung der Suchtstoffkommission in Wien nicht für den Beibehalt der Worte »Medizinische Zwecke« im Rahmen der Diskussion des Tagesordnungspunktes für eine bessere Verfügbarkeit kontrollierter Substanzen eingesetzt hat, drängt sich die Frage auf, ob die Forderung »nicht zur Verfolgung repressiver Strategien angewendet dürfen« derzeit in diesem Land reale Aussichten auf Erfüllung hat.

Derzeit sprechen sich nur drei politische Parteien explizit für Drug-Checking aus: Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenpartei. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jedenfalls am 6. April 2011 einenAntrag beim Abgeordnetenhaus Berlin eingereicht: »Prävention stärken und Drogenrisiken senken mit Drugchecking«. In dem Antrag heißt es: »Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

Der Senat wird aufgefordert, die Einführung eines Berliner Modellprojekts „Drugchecking und Prävention“ auf der Basis der Erfahrungen der Drugchecking-Projekte in Wien, Zürich, Bern und anderen europäischen Städten zu prüfen und vorzubereiten. Das Projekt soll mit Hilfe einer Überprüfung von Drogen auf Wirkstoffgehalt und Beimengungen über gesundheitliche Risiken des Drogenkonsums aufklären.«

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Berlin ist seit 2009 mit der Drugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg im Gespräch, um die Realisierung eines Modellprojekts in Berlin zu prüfen und zu unterstützen. Um dieses Ansinnen umzusetzen wird am 6. Mai 2011 zunächst ein Symposium mit der Senatsverwaltung und den verschiedenen Akteuren der Dugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg stattfinden. Die Ergebnisse des Symposiums werden zeigen, inwieweit die Repressionisten hierzulande fähig sind, Vernunft walten zu lassen und einen effektiven Gesundheitsschutz zu tolerieren. Andererseits wird sich auch zeigen, inwieweit Projekte der sogenannten »akzeptanzorientierten Drogenarbeit« sich instrumentalisieren lassen und sich als »inoffizielle Mitarbeiter« des Repressionsapparates einspannen lassen.

 

Aktivisten von Eve & Rave Berlin befürchteten Missbrauch

Bis vor wenigen Wochen zierte u.a. ein Logo von Eve & Rave e.V. Berlindie Website der Dugchecking-Initiative Berlin-Brandenburg, da Eve & Rave die Initiative unterstützte. Als dann die Website der Dugchecking-Initiative umgezogen ist und neu gestaltet wurde, war Eve & Rave Berlin plötzlich in der Liste der »Mitglieder« aufgeführt. Es gab jedoch keine Konsultationen bezüglich einer Mitgliedschaft und Eve & Rave Berlin wurde auch nicht über die damit einhergehenden Pflichten und Rechte orientiert. Viele Mitarbeiter von Eve & Rave Berlin befürchteten einen Missbrauch des Namens »Eve & Rave«, da der Verein nicht informiert wurde und sich später herausstellte, dass auch keine Aussicht auf eine Einflussnahme auf das Symposium gegeben war. So beschlossen gemäß Pressemitteilung vom 20. März 2011 die meisten Aktiven von Eve & Rave Berlin den Verein zum Frühlingsanfang zu verlassen, so dass der Verein in der Folge nicht mehr über die notwendigen sieben Mitglieder verfügte und damit den facto kein Verein mehr ist. Somit könne gemäß besagter Pressemitteilung niemand mehr im Namen von »Eve & Rave e.V. Berlin« ein Statement abgeben und so den Verein respektive seine (früheren) Mitglieder in Verruf bringen, z.B. durch Zugeständnisse an den Repressionsappart im Rahmen des geplanten Symposiums.

»Eve & Rave e.V. Berlin« stellte mit Wirkung ab Frühlingsanfang, Montag, 21. März 2011, sämtliche Aktivitäten ein. Die Website www.eve-rave.net wird nicht mehr aktualisiert werden und nur noch als Archiv fungieren. Zugesagte und geplante Infostände werden nicht mehr wie in den letzten Jahren vom Webteam www.eve-rave.net Berlin organisiert und betreut, sondern vom Webteam www.drogenkult.net respektive von der »Freien Arbeitsgemeinschaft DrogenGenussKultur« in Berlin. Für die Szenen vor Ort ändert sich also nichts.