RAF-Prozess Gericht verhängt Beugehaft gegen Ex-Terroristen
Zwei ehemalige Mitglieder der RAF sollen per Beugehaft zu einer Aussage im Buback-Prozess gezwungen werden. Das Oberlandesgericht Stuttgart ordnete die Maßnahme gegen die Ex-Terroristen Siegfried Haag und Roland Mayer an. Deren Anwälte legten Beschwerde ein, nun muss Karlsruhe entscheiden.
Stuttgart - Das Oberlandesgericht Stuttgart hat überraschend gegen die beiden früheren RAF-Mitglieder Siegfried Haag und Roland Mayer Beugehaft zur Erzwingung einer Aussage angeordnet. Der 66-jährige gelernte Jurist Haag und der 56-jährige Mayer hatten am Donnerstag im Prozess gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker wegen des Buback-Attentats von 1977 als Zeugen die Aussage verweigert. Nach Auffassung des Gerichts haben beide aber "kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht".
Beide früheren RAF-Leute und deren Anwälte reagierten sichtlich erstaunt. Haag gilt als früherer Anführer der "zweiten Generation" der RAF, der erst nach seiner Verhaftung im November 1976 von Brigitte Mohnhaupt abgelöst wurde. Die Anwälte legten umgehend Beschwerde an.
Die Beugehaft gilt für eine Dauer von bis zu sechs Monaten. Die Vollziehung der Beugehaft werde jedoch bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Beschwerden Haags und Mayers ausgesetzt, entschieden die Richter.
Haag und Mayer müssten zur Organisation der RAF sowie zur Planung und Durchführung der Anschlagsserie im Jahr 1977 aussagen - die mit dem Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback begann. Denn beide könnten deswegen "nicht mehr verfolgt werden", argumentierte das Gericht. Der Ex-Terrorist beruft sich jedoch bei der Verweigerung seiner Aussage darauf, dass er sich nicht der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen will. Haag war jedoch bereits wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und als "Rädelsführer" zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, wobei die Feststellungen zu Planungen des Buback-Attentats einbezogen waren. Nichts spreche auch für eine Verfolgungsgefahr wegen weiterer Taten. Haag saß bis 1987 in Haft. Mayer, der zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war, wurde 1988 entlassen.
Wer darf die Aussage verweigern - und wer nicht?
Haag war nach der Verhaftung des RAF-Terroristen Andreas Baader im Jahr 1972 dessen Rechtsanwalt, radikalisierte sich dann aber. Nach Angaben des RAF-Aussteigers Peter-Jürgen Boock hatte Haag im Sommer und Herbst 1976 die "Planungshoheit" in der Gruppe, die das Attentat auf Buback vorbereitete, das schließlich am 7. April 1977 ausgeführt wurde. Nach Haags Verhaftung am 30. November 1976 übernahm Mohnhaupt die Führung der RAF.
Haag wurde 1976 zusammen mit Mayer verhaftet. Bei ihnen wurden Unterlagen zu Anschlagsplänen sichergestellt, die aber letztlich erst im Nachhinein entschlüsselt wurden und als "Haag/Mayer-Papiere" bezeichnet werden.
Mayer arbeitet nach eigenen Angaben heute als Büroangestellter, Haag ist inzwischen Rentner. Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland betonte, dass beide früheren RAF-Leute "wesentlich" zur Aufklärung der Schuld der Angeklagten Verena Becker beitragen könnten. Allerdings sei sich der 6. Strafsenat im Klaren, dass Haag und Meyer trotz Beugehaft nur schwer zum Reden zu bewegen seien.
Die Bundesanwaltschaft wirft Becker vor, maßgeblich an der Entscheidung für den Mordanschlag auf Buback und an der Planung des Attentats mitgewirkt zu haben. Becker schweigt nach wie vor zum Tatvorwurf. Der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, glaubt, dass Becker seinen Vater erschossen hat.
Mehrere andere frühere RAF-Mitglieder wie etwa Mohnhaupt hatten als Zeugen geschwiegen. Ihnen hatte das Gericht aber ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugebilligt. Denn ihnen könne bei wahrheitsgemäßen Angaben die Gefahr der Strafverfolgung wegen früherer Straftaten drohen.