BZ-INTERVIEW: Die Anti-Atomkraft Gruppe ist sich in ihren Forderungen einig – ob jung oder alt. Sofort abschalten, finden Elke Brandes (links) und Dieter Schneyinck.
In der vergangenen Woche kamen in Freiburg 2500 Anti-Atomkraftbewegte zur Montags-Demo, in dieser Woche waren es nur noch knapp 1000. Wie bewahren Atomkraftgegnerinnen und -gegner ihren langen Atem, was ist Schub und Motivation, was frustriert? Julia Littmann sprach mit einer jüngeren und einem älteren Aktivisten aus der Anti-Atom-Gruppe Freiburg: Elke Brandes, 33, Biologin, und Dieter Schneyinck, 70, Lehrer im Ruhestand.
BZ: Wie und wann sind Sie von der Atomkraftgegnerin zur Aktivistin geworden?
Elke Brandes: Ich habe an der großen
Demonstration am AKW Biblis im April 2010 teilgenommen. Als danach im
Mai die Initiative hier in Freiburg wieder aktiver wurde, bin ich mit
eingestiegen.
Dieter Schneyinck: Ich war 31 Jahre alt, als meine erste Frau an Krebs starb. Ich kam bei der Suche nach möglichen Ursachen auch auf die Atombombenversuche. Wenig später passierte das Reaktorunglück von Harrisburg, da begann quasi meine aktive Zeit als Atomkraftgegner.
BZ: Ist es entmutigender, dass da jemand
schon seit Jahrzehnten gegen Atomkraft aktiv ist und immer wieder
Rückschritte hinnehmen muss wie die Laufzeitverlängerung für
Atomkraftwerke, oder ist das für die Jüngeren vielleicht noch schwerer
zu verkraften?
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Brandes: Weder noch, glaube ich. Wir sind
alle wütend und hochmotiviert, egal wie lange wir dabei sind. Die, die
enttäuscht ausgestiegen sind, kennen wir ja nicht, aber für alle anderen
ist klar, es gibt gar keine Alternative, als weiterzukämpfen für den
sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.
Schneyinck: Das sehe ich genauso. Und
vielleicht bin ich deshalb auch nach all den Jahren noch so sehr
motiviert, weil bald unser 13. Enkel geboren wird – wir fühlen uns den
nachfolgenden Generationen verpflichtet. Im übrigen ist das gerade für
uns Alte extrem ermutigend, dass so viele Junge sich gegen Atomkraft
engagieren.
Brandes: Und umgekehrt. Für uns Junge ist
dieses breite Spektrum, diese unterschiedlichen Menschen jeden Alters in
der Bewegung und auch ganz konkret in unserer Gruppe, ein Vergnügen und
ein Ansporn. Mich baut die Gruppe auf!
BZ: Warum engagieren Sie sich eigentlich nicht in einer Partei für Ihr Anliegen?
Brandes: Dass der Atomausstieg in Parteien
nicht gut aufgehoben ist, sieht man ja am sogenannten Atomkonsens von
Rot/Grün im Jahr 2001 – damals hätte man schon ein Ausstiegsszenario
gebraucht, das sofort wirksam wird.
Schneyinck: Außerdem muss man in einer
Partei das "Gesamtpaket" der jeweiligen Parteipolitik für alle Bereiche
mittragen – da würde es schon schwierig. Da ist eine unabhängige
Aktionsgruppe besser.
Brandes: Finde ich auch. In einer Partei geht es um
Macht und Positionen, aber mir geht’s um die Sache. Da ist mir das
Engagement in einer basisdemokratischen Gruppe lieber, wo ich den
direkten Draht zu den Menschen nicht verliere.
Schneyinck: Das Graswurzel-Handeln, direkt
und an der Basis, das überzeugt mich auch nach wie vor am meisten.
Menschen einzeln ansprechen und möglichst viele davon überzeugen, dass
Ökostrom ein wichtiger persönlicher Beitrag ist, den Druck auf der
Straße erhöhen...
BZ: Ist der nach den Landtagswahlen denn noch nötig?
Brandes: Auf jeden Fall! Derzeit sprechen
die Grünen von einem Ausstieg im Jahr 2017, die SPD ist noch bei 2020.
Beides ist nicht akzeptabel. Jeder Tag, an dem hier noch ein AKW läuft,
ist eine Laufzeitverlängerung. Solange nicht alle AKWs in Deutschland
abgeschaltet und stillgelegt sind, haben wir nicht genug erreicht. Da
auf die Politik warten? Lieber den Druck auf die Politik erhöhen!
Schneyinck: Auch die Medien mischen bei der
Atomkraft mit. Es ist ein irres Déjà-vu für mich, wie schnell Fukushima
in den Medien keine Rolle mehr spielt. Wie vor 25 Jahren Tschernobyl.
Eine traurige Lehre aus den vielen Jahren ist auch, dass es offenbar
schreckliche AKW-Unfälle braucht, um die Atomkraft zur Debatte stellen
zu können. Wieder und wieder.