Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erhält eine Sendung mit einer Patrone zugeschickt. Eine linksmilitante Gruppe bekennt sich zu der Drohung. VON KONRAD LITSCHKO, WOLF SCHMIDT
Keine nette Post für den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Foto: dpa
Berlin taz | Mutmaßliche Linksmilitante haben Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) per Post eine Patrone zugeschickt. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft der taz am Montag. Auch die Karlsruher Ermittlungsbehörde habe eine Sendung mit einer Patrone erhalten, sagte ein Sprecher.
Der taz liegt ein Bekennerschreiben vor, das über das Internet verbreitet wird. Dort bekennt sich die linksmilitante Gruppe "Revolutionäre Aktionszellen" (RAZ) zu den Drohsendungen und begründet sie unter anderem mit Razzien der Polizei und Ausspähungen der linken Szene. "Wenn der repressive Staatsapparat der Meinung ist, uns durch eine Kette von Repressionsschlägen einzuschüchtern, dann hat er sich verspekuliert", heißt es in dem Schreiben.
Als "Beitrag zur organisierten Gegenwehr der revolutionären Linken" habe man ",herausragenden Persönlichkeiten' einen besonderen Gruß hinterlassen, in dem wir ihnen eine 8-mm-Patrone postalisch zukommen ließen". Dann folgt die Drohung: "Die nächste Zustellung erfolgt per Express …"
"Wir ermitteln in diesem Zusammenhang gegen unbekannt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung", sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Montag. Das Innenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Drohschreiben äußern.
Neben dem neuen Innenminister Friedrich und der Bundesanwaltschaft erhielt auch der Extremismusforscher Uwe Backes eine Kleinkaliberpatrone zugeschickt, wie er der taz bestätigte. Backes ist Politikprofessor an der TU Dresden und wird von linker Seite wegen seines Ansatzes zur Totalitarismusforschung kritisiert.
Der Vorfall erinnert an eine Aktion im Juni 2001, zu der sich die "militante gruppe" (mg) bekannt hatte. Damals bekam unter anderem Otto Graf Lambsdorff als Regierungsbeauftragter für die Entschädigungen von NS-Zwangsarbeitern einen Umschlag mit einer Patrone zugeschickt. Die "militante gruppe" bekannte sich in den folgenden Jahren zu Dutzenden Brandanschlägen, bis sie im Jahr 2009 ihre Auflösung bekannt gab.
Wer hinter der klandestinen Gruppe RAZ steckt, ist Polizei und Ermittlern unbekannt. Bisher bekannten sich die "Revolutionäre Aktionszellen" zu drei Brandanschlägen in Berlin: im letzten November auf das Bundesverwaltungsamt, im Februar 2010 auf das "Haus der Wirtschaft" und im Dezember 2009 auf eine Arbeitsagentur.
Die bei den Anschlägen verwendeten, zeitverzögerten Gaskartuschen verursachten Sachschäden. Eine Anleitung zum Bau dieser Brandsätze erschien auch im Januar 2010 in der Untergrundzeitung "radikal", unterzeichnet war der Beitrag mit: "Revolutionäre Aktionszellen". Die Polizei beschlagnahmte die Ausgabe.
In einem "Kommuniqué" vom November beziehen sich die RAZ auf die mg. "Militant-klandestine Gruppenzusammenhänge" seien Teil eines "komplexen revolutionären Aufbauprozesses".
Der Brandenburger Verfassungsschutz konstatiert in seinem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht, dass verwendete "Grußformeln" Zusammenhänge zwischen "militanter gruppe" und RAZ "belegen" würden.