Der Rechtsstaat spitzelt

Erstveröffentlicht: 
26.03.2011

Bundesregierung kündigt verstärkte Unterwanderung linker Organisationen und sozialer Bewegungen durch »menschliche Quellen« an

 

Der deutsche Verfassungsschutz will linke Organisationen noch stärker mit Spitzeln durchsetzen als bisher. Das kündigt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion an. Weil es angeblich einen erheblichen Anstieg »linksextremer« Gewalttaten gibt, betreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Projekt mit dem Titel »Verstärkte Aufklärung der gewaltbereiten Szene durch menschliche Quellen«, das vorsieht, mehr sogenannte »Vertrauensleute« in linke Organisationen einzuschleusen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das »eines der effektivsten nachrichtendienstlichen Mittel zur Informationsbeschaffung«. Allerdings ist diese Praxis ins Gerede gekommen, nachdem Ende vorigen Jahres der britische Polizeispitzel Mark Kennedy aufgeflogen war, der sieben Jahre lang Antiglobalisierungsbewegungen in ganz Europa unterwandert hatte. Unter anderem war der als »Mark Stone« firmierende Agent auch beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm eingesetzt. Zur »Legendenbildung« war er zudem in Berlin an Straftaten beteiligt – er hatte am Rande einer Demonstration eine Mülltonne angezündet. Im Bundestagsinnenausschuß deutete selbst der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Jörg Ziercke an, daß der Einsatz von Kennedy »aus dem Ruder« gelaufen sei und es Lücken bei der Kontrolle solcher Agenten gebe. Wenn der Verfassungsschutz nun sein Spitzelprogramm ausweite, seien »noch mehr Straftaten im Namen der Staatsräson und noch mehr Überwachung sozialer Bewegungen« unvermeidlich, kritisierte die Linksfraktion am Freitag.

Seine »Analysekompetenz« soll der Verfassungsschutz in einer Reihe weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung des »Linksextremismus« einbringen. Ihre Umsetzung wird in einer Koordinierungsgruppe besprochen, die vom BKA geleitet wird und der die Verfassungsschützer aus Bund und Ländern, die Landeskriminalämter und die Bundesanwaltschaft angehören. Die Details sind als Verschlußsache eingestuft.

Bestätigt hat die Bundesregierung, daß sie an der Einführung einer EU-weiten Datei über »reisende Gewalttäter« festhält, gemeint sind etwa Demonstranten, die zu Gipfeltreffen fahren. Einmal mehr erweist sich Deutschland als Scharfmacher: Während die EU-Kommission dazu neigt, nur solche »Gewalttäter« zu speichern, über die tatsächlich eine Kriminalakte existiert, will die Bundesregierung auch Dossiers über Personen anlegen, gegen die nur ein Verdacht vorliegt.

Bei der Begründung dieser Maßnahmen zeigt sich die Regierung phantasievoll: Angebliche »Gewaltexzesse« linker Gruppen häuften sich vor allem bei Protesten gegen Neonaziaufmärsche wie jüngst in Dresden und seien geeignet, »eventuell vorhandene bürgerliche Proteste zu diskreditieren«. Dort hatten Linke gemeinsam mit anderen politischen Kräften den Umzug der Rechten erfolgreich verhindert. Nur CDU und FDP waren nicht dabei.