Bundesregierung kündigt verstärkte Unterwanderung linker Organisationen und sozialer Bewegungen durch »menschliche Quellen« an
Der deutsche Verfassungsschutz will linke Organisationen noch
stärker mit Spitzeln durchsetzen als bisher. Das kündigt
die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der
Linksfraktion an. Weil es angeblich einen erheblichen Anstieg
»linksextremer« Gewalttaten gibt, betreibt das
Bundesamt für Verfassungsschutz ein Projekt mit dem Titel
»Verstärkte Aufklärung der gewaltbereiten Szene
durch menschliche Quellen«, das vorsieht, mehr sogenannte
»Vertrauensleute« in linke Organisationen
einzuschleusen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das
»eines der effektivsten nachrichtendienstlichen Mittel zur
Informationsbeschaffung«. Allerdings ist diese Praxis ins
Gerede gekommen, nachdem Ende vorigen Jahres der britische
Polizeispitzel Mark Kennedy aufgeflogen war, der sieben Jahre lang
Antiglobalisierungsbewegungen in ganz Europa unterwandert hatte.
Unter anderem war der als »Mark Stone« firmierende
Agent auch beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm eingesetzt. Zur
»Legendenbildung« war er zudem in Berlin an Straftaten
beteiligt – er hatte am Rande einer Demonstration eine
Mülltonne angezündet. Im Bundestagsinnenausschuß
deutete selbst der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA)
Jörg Ziercke an, daß der Einsatz von Kennedy »aus
dem Ruder« gelaufen sei und es Lücken bei der Kontrolle
solcher Agenten gebe. Wenn der Verfassungsschutz nun sein
Spitzelprogramm ausweite, seien »noch mehr Straftaten im
Namen der Staatsräson und noch mehr Überwachung sozialer
Bewegungen« unvermeidlich, kritisierte die Linksfraktion am
Freitag.
Seine »Analysekompetenz« soll der Verfassungsschutz in
einer Reihe weiterer Maßnahmen zur Bekämpfung des
»Linksextremismus« einbringen. Ihre Umsetzung wird in
einer Koordinierungsgruppe besprochen, die vom BKA geleitet wird
und der die Verfassungsschützer aus Bund und Ländern, die
Landeskriminalämter und die Bundesanwaltschaft angehören.
Die Details sind als Verschlußsache eingestuft.
Bestätigt hat die Bundesregierung, daß sie an der
Einführung einer EU-weiten Datei über »reisende
Gewalttäter« festhält, gemeint sind etwa
Demonstranten, die zu Gipfeltreffen fahren. Einmal mehr erweist
sich Deutschland als Scharfmacher: Während die EU-Kommission
dazu neigt, nur solche »Gewalttäter« zu speichern,
über die tatsächlich eine Kriminalakte existiert, will
die Bundesregierung auch Dossiers über Personen anlegen, gegen
die nur ein Verdacht vorliegt.
Bei der Begründung dieser Maßnahmen zeigt sich die
Regierung phantasievoll: Angebliche »Gewaltexzesse«
linker Gruppen häuften sich vor allem bei Protesten gegen
Neonaziaufmärsche wie jüngst in Dresden und seien
geeignet, »eventuell vorhandene bürgerliche Proteste zu
diskreditieren«. Dort hatten Linke gemeinsam mit anderen
politischen Kräften den Umzug der Rechten erfolgreich
verhindert. Nur CDU und FDP waren nicht dabei.