Rede von Wolfgang Ehmke auf der Kundgebung in Hamburg
Eine frische Brise, ein Schluck Wasser, ein frischer Salat? Das, was uns selbstverständlich ist, geht in Japan nicht mehr. Wer etwas älter ist, kann sich gut erinnern: als vor 25 Jahren die radioaktive Wolke von Tschernobyl über Europa hinweg zog, gab es Milchpulver, Konserven, der Salat wurde umgepflügt und die Kinder durften nicht auf den Spielplatz. Die Atomkatastrophe in Japan heizt die Debatte um den Atomausstieg in Deutschland erneut an. Eine Technologie, die Unfehlbarkeit verlangt wie die Atomkraft, übersteigt das menschliche Maß. Hochrisikotechnologien bergen latent die Möglichkeit, dass die geballte Produktivkraft in ihr Gegenteil umschlägt, die Destruktivität beschädigt Mensch und Natur.
Die Menschen im Umfeld Fukushimas, in Tokio zittern, fragen sich, woher, wohin der Wind weht. Die Strahlenwolke zieht über das Land, verseucht Obst und Gemüse, das Trinkwasser und birgt die Gefahr des schleichenden Todes. Ein Restrisiko, das den Mensch und Natur buchstäblich den Rest gibt, ist nicht erst seit dem Inferno in Japan neu. Seit 34 Jahren engagieren wir uns im Wendland gegen Gorleben und für den Atomausstieg, schon dreimal gab wurde in dieser Zeit Reaktor- und Strahlenalarm ausgelöst.
Es begann mit Three Miles Island (Harrisburg), vor 25 Jahren explodierte Tschernobyl und jetzt als Folge des schweren Erdbebens zittern wir mit den Menschen im Pazifik.
Die Wahrscheinlichkeit einer Reaktorkatastrophe wird statistisch mit 1:10.000 Betriebsjahren angegeben. Diese Abschätzung sollte beruhigend wirken. Aber bei 438 Reaktoren weltweit kommt man schon rein rechnerisch auf eine Havarie in 25 Jahren. Das ist unglaublich beunruhigend. Aber der Zufall, das sogenannte Restrisiko ist keine Rechengröße und hält sich nicht an statistische Vorgaben.
Was macht die Bundesregierung? Gerade noch hatte sie alle Warnungen in den Wind (sic!) geschlagen und die Laufzeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke beschlossen. Jetzt wurden 7 für eine Sicherheitsüberprüfung vom Netz genommen.
Kurz danach im Bundestag verkrampft sich die Kanzlerin schon wieder in die Atomkraft und das Brüderle verplappert sich: "Alles nur Wahlkampf". Wendehals hin, Wendehals her, diese Maßnahme ist also temporär.
Mit der wiederholten Ankündigung, die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke zu überprüfen, wird Schwarz-Gelb nicht mehr durchkommen, der "Stresstest" der europäischen AKWs unterliegt sogar der Freiwilligkeit.
Welch ein Hohn, ein Einknicken vor den Konzerninteressen. Doch den Tanz auf dem atomaren Vulkan haben die Menschen satt. Die Energiekonzerne gehören unter Aufsicht und müssen vergesellschaftet werden, denn solange der Profit das Handeln regiert, wird die Sicherheit abserviert.
In Deutschland ist man - im Unterschied zur Abhängigkeit vom Atomstrom wie in Japan - in einer energiepolitisch komfortablen Lange: Im ersten Quartal 2010 erzielte die Bundesrepublik mit gut 9 Milliarden Kilowattstunden den höchsten Exportüberschuss ihrer Geschichte. Der Exportüberschuss entsprach ziemlich exakt jener Menge, die in der gleichen Zeit in den alten Reaktoren Biblis A und B, Neckarwestheim I, Isar 1, Philippsburg 1 und Grafenrheinfeld erzeugt wurde. Deutschland hätte auf diese acht Atomkraftwerke sofort verzichten können - und hätte selbst dann noch eine ausgeglichene Bilanz.
Selbst bei einem vollständigen Atomausstieg gingen die Lichter nicht aus, bei einer Katastrophe sehr wohl. Die Zukunft gehört den Erneuerbaren Energien, gepaart mit Energieeffizienz, Energiesparen und intelligenten Formen des Energieeinsatzes. Wir sagen: Ausstieg sofort!
Aber es bewegt sich nur was, wenn wir uns bewegen! Parteien und ihre Versprechen kennen kurze Halbwertzeiten, wir aber kennen einen langen Atem!
Das Reaktorrisiko und die nukleare Hinterlassenschaften, der hochradioaktive Müll, der eine Million Jahre sicher vor der Biosphäre abgeschlossen muss - das sind im Übrigen zwei Seiten einer Medaille und Ausdruck menschlicher Hybris.
Die Havarie der beiden Atommülldeponien Morsleben und Asse II gab genügend Anlass zur Revision auch der Endlagerpläne. In Gorleben soll hochradioaktiver Müll in einen Salzstock versenkt werden, der Wasserkontakt hat, Gaseinschlüsse kennt und unter dem ein großes Gasreservoir lagert.
Deshalb fordern wir den Abbruch der Bauarbeiten und die Aufgabe Gorlebens und einen Neustart in der Endlagersuche.
Mitten hinein in die Debatte um das Ende der Atomkraft platzt nun die Nachricht, dass im Herbst der 13. Castortransport nach Gorleben rollen soll. Da schlägt es nun echt 13. Wir geben keinen Deut mehr nach.
Was es heißt, wenn der Castor rollt? Wir stehen auf und setzen uns nieder: mit der Atomkraft und Gorleben kommt ihr da oben nicht mehr durch, denn wir sind obenauf: Wir stellen uns quer! Auf Wiedersehen in Gorleben am 2. April um 12 Uhr zur nächsten Demo.
Wolfgang Ehmke 0170 510 56 06
http://www.bi-luechow-dannenberg.de
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow - Dannenberg e.V.
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29439 Lüchow
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