[Oranienburg] Auswertung der Antirassismusdemonstration

Fronttransparent mit Berliner Support

 Seit 1997 wird in Oranienburg die Antirassismusdemonstrationzelebriert. Da im Jahr 2008 keine solche Demonstration stattfand, haben wir als Antifa Gruppe Oranienburg, diese Oranienburger Tradition 2009 wieder erweckt und auf Anhieb 350 Menschen zur Demo begeistern können. Bei der Demonstration 2010 überließen wir einen Großteil der Organisation dem Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt, was sich aus unserer Sicht an mehreren Stellen als nicht optimal darstellte. So entschieden wir uns für das Jahr 2011 eine Demonstration nach unseren Vorstellungen vorzubereiten und dem Forum Partizipationsmöglichkeiten anzubieten.

 

Das Forum konnte sich nicht dazu durchringen unsere Demo offiziell zu unterstützen. So wurde in Besprechungen darauf verwiesen, dass der Aufruf zu lang und zu links sei und er nicht tragbar sei, da die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder als Rechtspopulisten dargestellt wurde. Dies bedeutete für uns eine schwerere Mobilisierung innerhalb der Zivilgesellschaft und der eher linken Parteien, da während dieser Zeit die Extremismusdebatte Einzug in den Landkreis Oberhavel hielt. Dennoch versuchten wir nach außen es nicht als Demonstration darstellen zu lassen, welche ausschließlich für Autonome/Antifas sei. Die Resonanz vorher, was die Mobilisierung anging, war mehr als schlecht. So wurde die Demonstration außerhalb des Autonomen/Antifa-Spektrums nur bei den Kreisgrünen und den Kreislinken beworben, wofür wir uns hier bei beiden dafür natürlich bedanken. Einen Tag vor der Demo erfolgte dann ein Zeitungsartikel zu den Antirassismustagen, wobei die Sprecher des Forums klar machten, dass die Demonstration NICHT Teil der Antirassismustage sei. Dies war natürlich ein Tiefschlag, besonders da wir als Gruppe diese Tage gegen Stimmen im Forum im Jahr 2009 durchsetzten mussten und nun als Urheber der Tage ausgeschlossen wurden. Monate vorher bereits diskutierte mensch, dass in der Öffentlichkeit NICHT das Bild einer Spaltung entstehen sollte – doch durch den Artikel muss eine andere Botschaft durchs Forum nach außen erschienen sein. Aufgrund des Mehraufwandes den wir zu bewerkstelligen hatten, haben wir uns Genoss_innen außerhalb unserer Gruppe gesucht und mit Ihnen die Umsetzung der Antirassismusdemo erarbeitet. Bei den Genoss_innen möchten wir uns hiermit bedanken.

Veranstaltungen

Im Vorfeld der Demonstration veranstalteten wir mit dem Supporter-Kreis eine Soliparty, sowie drei Infoveranstaltungen. Bei der Soliparty in der Bunten Kuh versuchten wir es mit einem Hardcore/Metalcore-Konzert und konnten so ein Startbudget für die Mobilisierung erarbeiten. Wir möchten uns natürlich bei den Bands und den knapp 50 Gästen bedanken. Infoveranstaltungen veränderten wir Publikumsgerecht. In Oranienburg stellten wir nicht nur die Neonaziszene in Oberhavel vor, sondern gaben eine kurze Einführung in die Extremismustheorie und eine Kritik an ihr. Unter den Gästen waren Journalisten, Teile der Zivilgesellschaft, Jugendliche und einige Zuhörer, die von der Veranstaltung in den Zeitungen gelesen hatten. Das Ergebnis war überwältigend. In den lokalen Medien wurde die Recherchebroschüre gelobt und in beiden lokalen Zeitungen(OGA, MAZ) wurde das Wort Rechtsextremismus durch Neonazismus ersetzt, bzw. verzichteten sie komplett auf den Extremismusbegriff.

Bei den beiden Veranstaltungen in Berlin bestand die Einleitung aus einer kleinen Vorstellung, der Zivilgesellschaftlichen Akteure in Oberhavel. Dank der NEA und den RASH konnten wir zum ersten Mal außerhalb unseres Umfeldes eine Veranstaltung halten, welche im Bandito Rosso auch gut gefüllt war. Da wir dort auch deren Umfeld erwarteten, bauten wir hier speziell das Thema Rechtsrock und Grauzone in Oberhavel ein. Auch hier strichen wir positives Feedback ein und die Recherchebroschüre war schneller weg, als wir gucken konnten.

Demo

Am Demonstrationstag wurden laut Medienberichten 9 Neonazis in Gewahrsam genommen. Augenzeugen trafen auf die Gruppe und konnten den in diesem Frühjahr verurteilten Patrick Schulz entdeckt. Die Gruppe war teilweise vermummt und mit Walkie-Talkies ausgestattet. Getroffen wurden sie in der Bernauer Straße, vom Bahnhof kommend


Fronttransparent mit Berliner SupportAn der Demonstration nahmen ca. 220 Personen teil, wovon allerdings der Großteil, ca. 190 aus dem Antifa-Spektrum kamen. Der geringe Anteil von Menschen aus dem parteipolitischen/ zivilgesellschaftlichen Spektrum ärgert uns. An mangelnder Mobilisierung lag es jedenfalls nicht. In Zukunft gilt für uns daher hier einen weiteren Schwerpunkt unserer Arbeit zu setzen und interessierte Menschen antifaschistische Politik näher zu bringen.


Grundsätzlich hat die Demonstration gegenüber der letzten zwei Jahre an Qualität abgebaut, so verzichteten viele auf Transparente, einzig die AIR und die NEA/AINO hatten welche dabei. Gerade auch die Stimmung wollte nicht kämpferisch sein und das obwohl wir extra eine recht kurze Demonstration vorbereitet hatte, die sich durch Mittelstadt schlängelte. Ärgerlich aus unserer Sicht war auch die fast komplette Abwesenheit von einigen Gruppen aus Berlin und Brandenburg. Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt

 

Während der Demonstration legten wir an verschiedenen Stellen Blumen und einen Kranz ab, darunter war der Gedenkstein für den in Sachsenhausen ermordeten Anarchisten Erich Mühsam, für die in der der Reichspogromnacht niedergebrannte Synagoge Oranienburgs und an der Gedenkplakette für die Opfer des ersten KZ der Nazis. Mit der Idee am Ende ein Hiphop-Konzert zu veranstalten hofften wir, dass der Demonstration der Latsch-Charakter genommen und sie auch kulturell ansprechend wird. Dabei setzten wir auf linke Rapper und „local heroes“. Das Konzept mit der Demo und dem Konzertende werden wir auf jeden Fall ausbauen. Erfreulich war auch, dass es dieses Jahr nicht wie im Jahr 2009 zu unschönen Provokationen durch Potsdamer Beamte_innen kam, sondern die Cops sich massiv zurückhielten und nicht filmten, einen Spalier aufzogen oder ähnliches. weitere Presseartikel zur Demo: OGA; MAZ

 

Gedenkplakette für niedergebrannte Synagoge Kranz an Gedenkplakette für die Opfer des KZ Oranienburg

 

 

Party

Am Abend der Demo veranstalteten wir ein Hiphopkonzert, welches an die Grenzen der Bunten Kuh reichte. Mit knapp 250 Besucher_innen übertraf dies unsere Erwartungen. Dass es soviele Menschen wurden, verdankte wir dem Line-Up, welches mit Holger Burners Release, aber auch mit Pyro, One, Kurzer Prozess und Conscious & Ezzcape reichlich gefüllt war. Leider gibt es auch hierbei negatives zu verzeichnen.


Support your local DorfantifaEin Negativ-Höhepunkt war der Auftritt einer Berliner Gruppe samt Umfeld, welche durch Rufe wie „Viva Palästina“ und „Antideutsche sind keine Linken“ auf sich aufmerksam machten. Getoppt wurde das nur durch das rezitieren des Liedes „Kommunistenpower“ des Neonazirappers Makss Damage. Die Meinungen auf der Bühne waren dabei gespalten. So bewertete Holger Burner die „Viva Palästina“-Rufe als von ihm nicht vertretbar, da er „alle sozialistischen Kräfte in Palästina, Israel und Deutschland“ unterstützen würde. Den Spruch gegen „Antideutsche“ beantwortete er mit der These, dass dies wohl Konsens im Raum wäre. Ein Mitglied von Kurzer Prozess schüttelte mit dem Kopf, da er nicht verstehen konnte, warum sich die Leute in Berlin da so spalten. Auch wir als Antifa Oranienburg können dies nicht verstehen, da es die letzten Jahre eine friedliche Ko-Existenz gab und wir mit allen linken Strömungen zusammenarbeiten, welche unser Ziel, das Bekämpfen von Neonazis unterstützen. Bereits 2008 haben wir ein Statement zu dem sensiblen Thema „Antiimp vs. AntiD“ abgegeben und halten weiterhin an die damals formulierten Konsensmöglichkeit fest. Den Negativ-Höhepunkt erreichte die Gruppe beim beratschlagen, ob sie einen DJ angreifen wollen. Wir, die Antifa Gruppe Oranienburg und der Vorbereitungskreis, stellen hiermit klar, dass wir Angriffe, Bedrohungen u.ä. gegenüber Genoss_innen nicht tolerieren und fordern die Gruppe dazu auf mal über das eigenen (Fehl)Verhalten zu reflektieren. Am Ende bedanken wir uns bei den Menschen, die sich spontan mit uns solidarisierten und die mit uns bis in den Morgengrauen feierten.

Fazit

Es ist schwierig Menschen zu einer Demonstration zu ziehen, wenn es dort keinen handfesten Skandal gibt oder einen Übergriff durch Neonazis. Wir haben dies durch ein Konzert und die Recherchebroschüre versuchten zu ersetzen und werden auch im kommendem Jahr an diesem Konzept festhalten nur, dass wir mehr Veranstaltungen durchführen werden, um somit mehr Menschen davon zu überzeugen, dass eine antifaschistische Intervention in Oranienburg und eine antirassistische Intervention in Oberhavel notwendig ist – auch wenn viele Menschen nur einmal im Jahr in die Gegend nördlich von Berlin fahren. Unsere Fotos stammen vom Medienkollektiv Berlin.


Bericht+Fotos: Antifa Westhavelland
Bericht+Fotos : Ostblock
Fotos: PM Cheung
Fotos: Thomas Rassloff
Fotos: Christian Jäger