[S] Anträge bremsen Gericht

Erstveröffentlicht: 
22.03.2011

Nürtingen. Im Musiknachtprozess wollen die Verteidiger den Staatsanwalt in den Zeugenstand rufen. Von Jürgen Veit

 

Wer erwartet hatte, die Aussage eines Kriminalpolizisten würde mehr Licht in die Verhandlung wegen des Überfalls auf ein Lokal in der Nürtinger Musiknacht bringen, ist enttäuscht worden. Der Mann nahm gestern zwar kurz im Zeugenstand vor der Dritten Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart Platz, wurde aber rasch wieder aus dem Saal geschickt. Er hätte von seinen Vernehmungen dreier sogenannter Belastungszeugen - darunter ein 34 Jahre alter Kronzeuge - berichten sollen, die vor Gericht nicht mehr gewillt waren, gegen die mutmaßlichen Komplizen auszusagen.

Doch dazu kam es nicht. Mehrere Verteidiger der neun Angeklagten beantragten, diese Vernehmungen im Rahmen der Beweisaufnahme nicht zu verwerten. Denn sie seien rechtlich nicht korrekt geführt worden. Der Kronzeuge sei unter anderem über die Rechtslage getäuscht, unter Druck gesetzt sowie falsch oder nicht ausreichend belehrt worden. Außerdem sei eine sogenannte staatsanwaltschaftliche Vernehmung durch den Anklagevertreter Stefan Biehl nicht von diesem geleitet worden, „er war nur dabei, ohne aktiv teilzunehmen”. Biehl müsse zudem als Zeuge vernommen werden, um Klarheit zu erhalten, „ob und, wenn ja, welche Versprechungen den Zeugen gemacht wurden”. Diese waren zeitweise auf freien Fuß gesetzt, polizeilich geschützt und in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden.

Biehl wäre ein weiterer Staatsanwalt, der in diesem Fall von der Jugendkammer in den Zeugenstand gerufen würde. Denn gehört werden soll auch ein weiterer Ankläger aus dem abgetrennten Verfahren vor der Ersten Strafkammer, in dem sich neun mutmaßliche Komplizen wegen des Überfalls am 8. Mai des vergangenen Jahres verantworten mussten. Dieser Prozess war am vergangenen Donnerstag abgeschlossen worden, die Männer hatten Haftstrafen von je zwei Jahren und neun Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung erhalten. Das Gericht war im Gegensatz zur Anklagebehörde nicht von einer Tötungsabsicht bei der Schlägerei ausgegangen.

Der Staatsanwalt Biehl beharrt aber auch in der Verhandlung vor der Jugendkammer ungeachtet dieser Entscheidung darauf, dass die Männer wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes zu verurteilen seien. Deshalb trat er gestern sämtlichen Anträgen der Verteidigung entgegen. Auch jenen zweier Rechtsanwälte, die die Aufhebung des Haftbefehls gegen ihre Mandanten forderten. Vielmehr kritisierte Biehl die mangelnde Disziplin im Gerichtssaal. Die Angeklagten würden sich vor Verhandlungsbeginn mit Umarmungen begrüßen und sich ungestört unterhalten. Das will auch der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen unterbinden, eine Trennung der jungen Männer sei weiterhin erforderlich.

Außerdem wehrte sich Biehl gegen die Vorwürfe, bei den Vernehmungen seien Fehler begangen oder unrechtmäßige Versprechungen gemacht worden. Da werde von den Verteidigern „viel ins Blaue hinein behauptet”, sagte er. Dass der Staatsanwalt als Zeuge aussagen muss, kommt auch für den Vorsitzenden Richter „in Betracht”. Die Kammer befindet nun über die diversen Anträge der Verteidiger. Der Prozess wird am Montag, 28. März, fortgesetzt.