Der ARD-Korrespondent in Japan untergräbt den Mythos von den 50 Helden
In den letzten Tagen war oft den Rede von den angeblich 50 noch am AKW Fukushima verbliebenen Arbeitern, die sich trotz der hohen Strahlenbelastung für das Wohl der Allgemeinheit opfern, um die Katastrophe noch abzuwenden.
Ob es nur 50 sind oder 200, die schichtweise arbeiten, oder wie viele auch immer, ist unbekannt. Die Betreibergesellschaft Tepco hatte Hunderte von Mitarbeitern abgezogen, weil die Strahlenbelastung zu groß wurde. Zurückgeblieben sollen nur wenige sein, so hieß es in allen Medien. Dazu sollen 20 "freiwillige Helfer" gestoßen sein.
Um wen es sich handelt, weiß man auch nich, sie bleiben gesichtslos, Gegenstand der Spekulation und der Phantasie. Gleichwohl wurden sie als Helden verklärt, man wunderte sich, wie diese Kamikaze sich für die Gemeinschaft opfern. So war in der Faz von Helden unter Beschuss von Gammastrahlen die Rede, die Bild toppte das natürlich und titelte: 50 Helden auf Himmelfahrtskommando.
Der ARD-Korrespondent in Japan, Robert Hetkämper, ist hingegen der Überzeugung, dass hier Menschen verheizt werden. Für gefährliche Arbeiten würden von Tepco gerne Obdachlose, Gastarbeiter, Arbeitslose und sogar Minderjährige ausgebeutet werden. Sie würden als "Wegwerfarbeiter" bezeichnet, weil sie, wenn sie zu stark radioaktiv belastet sind, entlassen würden. Hetkämper habe mit einem Arzt gesprochen, der dies bestätigt habe. Diese "grausame Geschichte" passiere nicht nur jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten. Und sie erinnert, wie die WDR-Kommentatorin sagt, an die Hunderttausende von Liquidatoren, die in der Sowjetunion für den Bau des Sarkophags um den Tschernobyl-Reaktor eingesetzt und geopfert wurden. Seltsam ist dies in Japan, wenn man dort Menschen verheizt, obgleich man sonst gerne auf Roboter setzt, die in Fukushima aber nicht vorhanden zu sein scheinen.
Ob die Information stimmt oder nicht, so ist doch klar, dass die Verantwortlichen, die mit dem Betrieb von AKWs reich wurden und sich um Sicherheitsbelange wenig scherten, letztlich nicht verantwortlich sind, sondern andere schicken, die sich in Gefahr begeben müssen – und die auch die Menschen dafür als Geisel nehmen. Auch in Deutschland haftet schließlich jeder Steuerzahler für die Risiken, die von AKWs ausgehen, weil der ansonsten so gepriesene freie Markt hier nicht existiert, es also keinen Versicherer gibt. Konzerne und Politiker übernehmen keine Verantwortung, aber sie nehmen alle in die Pflicht.
Wenn diejenigen aus der Wirtschaft und der Politik, die stets für Atomenergie eingetreten sind und davon profitiert haben, auch an vorderster Front stünden, um Katastrophen mit dem Einsatz ihres Lebens zu verhindern, dann könnte man vielleicht anders über die profitable Kultur der Verantwortungslosigkeit sprechen. Aber wenn einfache Arbeiter oder auf jeden Cent angewiesene Menschen den Sündenbock spielen müssen, dann entlarvt sich das Atomsystem, das sich zwischen Politik und Wirtschaft in Japan und anderswo gebildet hat.