Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein neues Polizeigesetz gegeben und einige Regelungen entfristet, die für den G8-Gipfel eingeführt wurden. Daran stoßen sich Opposition und Datenschützer.
HAMBURG taz
| Mecklenburg-Vorpommern hat sein Polizeigesetz verschärft. Mit den
Stimmen der rot-schwarzen Regierungskoalition ist zum Monatsende das
novellierte Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) verabschiedet worden.
Es räumt den Ordnungshütern mehr Befugnisse ein und entfristet einige
Regelungen, die nur für den G8-Gipfel gedacht waren. "Mit dem
Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes am 31. 3. 2011 wird
Mecklenburg-Vorpommern wieder über ein aktuelles und modernes, an die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasstes Polizeigesetz
verfügen", so Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im Landtag.
Gegen das neue Gesetz ausgesprochen hatte
sich die Linksfraktion, ihren Änderungsantrag lehnte der Landtag ab.
"Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Zweifel hält die Koalition an
der Videoüberwachung öffentlicher Orte fest, ohne einen konkreten Bedarf
darzulegen", sagt Peter Ritter, innenpolitischer Sprecher der Linken.
"So können einen Vielzahl von Menschen beobachtet werden, die in keinem
Bezug zu Gefahren stehen, die abgewehrt werden sollen."
Diesen Punkt hatten auch Datenschützer gegenüber dem Innenausschuss
sowie vorab in einer Stellungnahme bemängelt: "Wir wollten die im Zuge
des G8-Gipfels eingeführte polizeiliche Videoüberwachung eingrenzen",
sagt Ina Schäfer vom Landesdatenschutz. Mit einem derartigen
Großereignis sei so schnell ja nicht wieder zu rechnen.
Gerade die ursprünglich bis Mitte 2010
befristete Überwachung aber wird durch das neue SOG entfristet. "Die
gewählte Formulierung ,ein die öffentliche Sicherheit schädigendes
Ereignis'", sagt Schäfer, sei "wohl kaum für eine an einem öffentlichen
Ort einzurichtende Videobeobachtung ausreichend".
Innenminister Caffier lässt das nicht
gelten. "Mit abgehobenen und weltfremden juristischen Diskussionen kann
man die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht gewährleisten",
sagt er: "Wenn einige behaupten, manche Vorschriften seien unnötig, weil
sie angeblich zu wenig angewendet werden, liegen sie falsch." Als nicht
notwendig erachtet die Linksfraktion etwa die Entfristung der
präventiven Telefonüberwachung sowie der automatischen Erfassung von
Auto-Nummernschildern. "Für ein Festhalten am automatisierten
Erfassungen von Kfz-Kennzeichen gibt es weder rechtliche noch fachliche
Gründe", sagt Ritter. Andere Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein,
hätten sich nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom März 2008 zur
ersatzlosen Streichung entschieden.
Damals hatten mehrere Autofahrer Verfassungsbeschwerde gegen das
KfZ-Scanning eingelegt - die Karlsruher Richter erklärten die in Hessen
und Schleswig-Holstein anlassunabhängig praktizierte
Kennzeichenerfassung für unzulässig. In Schleswig-Holstein waren von
August 2007 bis zum Karlsruher Urteil rund 131.000 Fahrzeuge automatisch
erfasst worden - Ausbeute: 26 Verstöße gegen das
Haftpflichtversicherungsgesetz wurden festgestellt. Der damalige
Innenminister Lothar Hay (SPD) sprach von einem "Missverhältnis zwischen
Aufwand und Ertrag".
Sein amtierender Schweriner Kollege Caffier
hält dennoch am Scanning fest. "Einige Vorschriften stellen wegen ihrer
Eingriffsqualität zu Recht sehr hohe Voraussetzungen an ihre Anwendung",
sagt er. "Wenn aber in nur einem Falle die körperliche Unversehrtheit
oder gar ein Leben geschützt werden kann, hat sich diese Vorschrift
bewährt."
Im neuen SOG ist außerdem die Erhebung
sensibler Daten etwa zur politischen Meinung, zur ethnischen Herkunft,
zum Sexualleben oder zur Gewerkschaftszugehörigkeit geregelt. "Die
polizeiliche Datenerhebung dient nicht einem Selbstzweck, sondern allein
der Sicherheit und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger", so Caffier.
"Sie nützt also jedem von uns."
Personenbezogene
Daten hätten die Behörden zur Gefahrenabwehr auch schon vor der
Novellierung erheben dürfen, sagt Landesdatenschützerin Schäfer. "Ob die
rechtliche Verankerung wirklich unproblematisch ist, wird sich erst in
der Praxis zeigen."