Neues Polizeirecht für Mecklenburg-Vorpommern Wenn die Ausnahme zur Regel wird

Erstveröffentlicht: 
20.03.2011

Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein neues Polizeigesetz gegeben und einige Regelungen entfristet, die für den G8-Gipfel eingeführt wurden. Daran stoßen sich Opposition und Datenschützer.

 

HAMBURG taz | Mecklenburg-Vorpommern hat sein Polizeigesetz verschärft. Mit den Stimmen der rot-schwarzen Regierungskoalition ist zum Monatsende das novellierte Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) verabschiedet worden. Es räumt den Ordnungshütern mehr Befugnisse ein und entfristet einige Regelungen, die nur für den G8-Gipfel gedacht waren. "Mit dem Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes am 31. 3. 2011 wird Mecklenburg-Vorpommern wieder über ein aktuelles und modernes, an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasstes Polizeigesetz verfügen", so Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im Landtag.

 

Gegen das neue Gesetz ausgesprochen hatte sich die Linksfraktion, ihren Änderungsantrag lehnte der Landtag ab. "Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Zweifel hält die Koalition an der Videoüberwachung öffentlicher Orte fest, ohne einen konkreten Bedarf darzulegen", sagt Peter Ritter, innenpolitischer Sprecher der Linken. "So können einen Vielzahl von Menschen beobachtet werden, die in keinem Bezug zu Gefahren stehen, die abgewehrt werden sollen."

 

Diesen Punkt hatten auch Datenschützer gegenüber dem Innenausschuss sowie vorab in einer Stellungnahme bemängelt: "Wir wollten die im Zuge des G8-Gipfels eingeführte polizeiliche Videoüberwachung eingrenzen", sagt Ina Schäfer vom Landesdatenschutz. Mit einem derartigen Großereignis sei so schnell ja nicht wieder zu rechnen.

 

Gerade die ursprünglich bis Mitte 2010 befristete Überwachung aber wird durch das neue SOG entfristet. "Die gewählte Formulierung ,ein die öffentliche Sicherheit schädigendes Ereignis'", sagt Schäfer, sei "wohl kaum für eine an einem öffentlichen Ort einzurichtende Videobeobachtung ausreichend".

 

Innenminister Caffier lässt das nicht gelten. "Mit abgehobenen und weltfremden juristischen Diskussionen kann man die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht gewährleisten", sagt er: "Wenn einige behaupten, manche Vorschriften seien unnötig, weil sie angeblich zu wenig angewendet werden, liegen sie falsch." Als nicht notwendig erachtet die Linksfraktion etwa die Entfristung der präventiven Telefonüberwachung sowie der automatischen Erfassung von Auto-Nummernschildern. "Für ein Festhalten am automatisierten Erfassungen von Kfz-Kennzeichen gibt es weder rechtliche noch fachliche Gründe", sagt Ritter. Andere Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein, hätten sich nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom März 2008 zur ersatzlosen Streichung entschieden.

 

Damals hatten mehrere Autofahrer Verfassungsbeschwerde gegen das KfZ-Scanning eingelegt - die Karlsruher Richter erklärten die in Hessen und Schleswig-Holstein anlassunabhängig praktizierte Kennzeichenerfassung für unzulässig. In Schleswig-Holstein waren von August 2007 bis zum Karlsruher Urteil rund 131.000 Fahrzeuge automatisch erfasst worden - Ausbeute: 26 Verstöße gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz wurden festgestellt. Der damalige Innenminister Lothar Hay (SPD) sprach von einem "Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag".

 

Sein amtierender Schweriner Kollege Caffier hält dennoch am Scanning fest. "Einige Vorschriften stellen wegen ihrer Eingriffsqualität zu Recht sehr hohe Voraussetzungen an ihre Anwendung", sagt er. "Wenn aber in nur einem Falle die körperliche Unversehrtheit oder gar ein Leben geschützt werden kann, hat sich diese Vorschrift bewährt."

 

Im neuen SOG ist außerdem die Erhebung sensibler Daten etwa zur politischen Meinung, zur ethnischen Herkunft, zum Sexualleben oder zur Gewerkschaftszugehörigkeit geregelt. "Die polizeiliche Datenerhebung dient nicht einem Selbstzweck, sondern allein der Sicherheit und dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger", so Caffier. "Sie nützt also jedem von uns."

 

Personenbezogene Daten hätten die Behörden zur Gefahrenabwehr auch schon vor der Novellierung erheben dürfen, sagt Landesdatenschützerin Schäfer. "Ob die rechtliche Verankerung wirklich unproblematisch ist, wird sich erst in der Praxis zeigen."