Neuigkeiten zu den Festnahmen von Anarchist_innen in Frankreich

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Bruno und Ivan, die im Zusammenhang mit den Anti-Terror Verhaftungen gegen Anarchist_innen in Frankreich festgenommen wurden sind wieder aus dem Knast raus aber unter juristischer Kontrolle.
Francois wurde auch im Januar festgenommen und ist Ende Januar wieder entlassen worden. Auch er ist unter Arrest.
Weiterhin in Haft sind Dan und Olivier. Alle Verhaftungen standen in Verbindung zu Kämpfen gegen die Abschiebemaschinerie und ihre Profiteure, die Verwaltung und Ausbeutung der Migrant_innen sowie die Lager und Knäste. Solidarität mit den Inhaftierten den Angeklagten sowie den Revoltierenden!

Hintergrund:

Aufruf zur Aktions- und Solidaritätswoche gegen die Repression, vom 20. bis 27. Februar 2011
http://de.indymedia.org/2011/02/300720.shtml

Infos zu den Festnahmen und ein Brief von Olivier aus dem Knast
http://de.indymedia.org/2011/02/301023.shtml

Neuigkeiten auf deutsch: http://noprisonnostate.blogsport.de
auf englisch: http://polisson.noblogs.org
auf französisch: http://www.non-fides.fr
                 http://cettesemaine.free.fr/



Hier ein übersetzter Brief von Dan aus dem Knast:


Wir wollen leben.
Dans Brief aus dem Gefängnis rue de la Santé, Paris, 6. Februar 2011

„Der Boden, auf dem Sie stehen, brennt.“ August Spies zu seinen Richtern.
Immer schon unterdrücken Menschen andere Menschen. Das sind die
verfluchten Grundlagen, aus denen diese Zivilisation der Gefängnis se
entstanden ist. Herrschaft, sei sie ökonomisch, sexistisch oder
 moralisch, bestimmt das Verhältnis zwischen den Menschen, so sehr und 
seit so langer Zeit, dass die alleinige Tatsache, andere Formen von
 Beziehungen zu suchen und zu leben, sich eine Zukunft ohne Autorität zu
 wünschen und nach diesen Zielen zu handeln, zu einer Straftat wird.
 Freundschaften werden zu ‚kriminellen Vereinigungen‘, freie
 Zusammenschlüsse ohne Hierarchien werden ‚terroristischen 
Organisationen‘ samt aller Fantasmen der Herrschenden: Chefs, 
Handlanger, Theoretiker usw. Von Frankreich bis Chile über Griechenland, 
Italien und viele andere Orte, wo sich Anarchisten und Anti-Autoritäre
 organisieren, um die Unterdrückungsverhältnisse zu beenden, organisiert
 sich auch die Repression mit ihrem militärisch-juristischen Arsenal. 
Diese Situation ist an sich nicht sehr erstaunlich, sie ist vielmehr so 
alt wie unsere Ideen und unsere Lust zu leben. Von den Sondergesetzen
gegen Anarchisten im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur
 Straftat der anarchistischen Gesinnung im heutigen Italien, hat der 
Anarchismus immer als soziale Abschreckung gedient. Ich thematisiere 
hier den Anarchismus, weil ich selbst Anarchist bin, aber diese 
Schlussfolgerungen treffen auch auf viele anderen phantasmatischen
 Kategorien der Mächtigen zu: die „Banden“, die „Randalierer“, die 
„Anarcho-Autonomen“, die „Roma“ und andere „ethnischen Gangs mit
 Kaputzenpullis“, von denen in den Medien so gerne gesprochen wird.
 Es wird versucht, diesen aus politischen und wahltaktischen Überlegungen 
erschafften Kategorien Jahrhunderte alte und weitverbreitete Praktiken
 wie soziale Umverteilung, Sabotage, politische Graffiti und andere 
Ausdrucksformen zuzuordnen, die in Wahrheit niemandem gehören auße r
vielleicht denjenigen, die die Gesellschaft dazu bringt gegen sie aktiv 
zu werden.
 Man kann also diese Praktiken einigen ‚Radikalen‘ zuschreiben, um alle
 anderen vergessen zu lassen, dass es nur in ihren Händen liegt, sich die 
Kontrolle über ihre Leben wieder zu nehmen. Hier kommen die 
Gewerkschaften, die Politiker, die Wortführer und andere mythische
 Figuren ins Spiel, um die Wut der Unterdrückten auszusitzen, um allen 
ihre persönliche Auflehnung abzusprechen und sie in Macht und Geld für
einige wenige umzuwandeln.
 Wir sind alle im Gefängnis. Wer kann guten Gewissens behaupten, dass 
arbeiten oder sich in einem Klassenraum, einer Fabrik oder in einem
 Supermarkt einsperren zu lassen, etwas anderes ist als sich selbst zum 
Gefangenen zu machen. Wer spürt nicht in seinem Hühnerkafig zwischen
 Wohntürmen, die den Horizont versperren, dass sein Leben nur eine Reihe
 an verschiedenen Freiheitsberaubungen ist? Wer schafft es noch, dem
 Anblick von Stacheldraht, Zäunen, Sicherheitstüren und Schranken zu
 entgehen, die immer stärker die Orte bestimmen, an denen wir uns
 befinden, wenn wir uns von der Arbeit zur Metro, vom 15m²-Zimmer zu den 
Einkaufshallen schleppen?
 Diese Gesellschaft ist ein riesiges Gefängnis, in der sich Gefängnisse
 befinden, die wiederum weitere Gefängnisse enthalten. Draußen die Angst
 vorm Gefängnis, drinnen die Angst vorm Bunker. In diesem grauen, kalten 
Leben entzünden sich trotzdem manchmal Flammen der Wut. Kürzlich haben 
sie von Tunesien, Algerien und Ägypten aus die Feuer unserer Herzen neu
 belebt, die sich nicht von Repression löschen lassen werden. 
Wir wollen unsere Solidarität mit allen Aufständigen ausdrücken, die
 sich ungeachtet der Drohungen und der Gewehrkugeln gegen die Ordnung
 wenden, weil auch wir mit dieser Welt des Geldes und der Macht Schluss
machen wollen, weil auch wir leben wollen. Als winzige Beteiligung an 
den Wutschreien, die in den letzten Monaten das Mittelmeer überquert
haben, haben wir einige Parolen an die traurigen Mauern unserer Viertel
geschrieben, gegen die demokratische und die diktatorische Herrschaft
und gegen die Macht des Geldes.


Festgenommen wurden wir um drei Uhr morgens im 20. Arrondissement in der
 Rue de Tourtille von Zivilbullen, die uns schon einige Zeit beobachtet 
hatten. Nach einer kurzen Nacht in der Polizeiwache des 20.
 Arrondissments, übernimmt die Anti-Terrorismus-Sektion der
 Kriminalitätsbrigarde und bringt uns in ihre Räume am Quai des Orfèvres,
 nachdem sie unsere Wohnungen durchsucht haben, um ihre Datensammlungen 
zu aktualisieren. Wir erfahren, dass sie uns für eine Reihe von Graffiti 
gegen das Rote Kreuz und seine allgegenwärtige und internationale
 Beteiligung an der Abschiebemaschinerie und der fortschreitenden
 Internierung von Besitzlosen verantwortlich machen. Wir sind außerdem
für die Verweigerung der Entnahme unserer DNA und der Abgabe unserer
 Fingerabdrücke angeklagt und für die Nicht-Beachtung der richterlichen 
Auflagen, die Olivier und ich schon hatten. Im Februar 2010 waren wir 
wegen unserer Beteiligung an Kämpfen gegen die Abschiebemaschinerie
 festgenommen worden. Wir waren damals mit einigen anderen Genossen wegen 
angeblichen Sabotageakten an Geldautomaten angeklagt. Es ging damals wie
 heute darum, einige Einzelpersonen für die Kämpfe und Wünsche zu
 bestrafen und zu isolieren, die von so vielen anderen geteilt werden. 
Bei unserer Hafteinweisung war der Staatsanwalt sehr klar: „Der der
 anarcho-autonomen Bewegung muss ein definitives Ende gesetzt werden und
 M. Sayag muss eine Lektion erteilt werden bevor er zu einer noch 
gewalttätigeren Form des Protests übergeht. “
Der Staat konzentriert sich heute auf uns, weil wir nie aufgehört haben, 
unsere anarchistischen Ideen auf die Straße zu tragen und denjenigen zu
vermitteln, die davon noch nie etwas gehört hatten, und unserer 
Solidarität mit den Aufständigen auf der ganzen Welt Ausdruck zu
verleihen. Das alles ist kein Geheimnis. Ich bin weder ‚unschuldig‘ noch 
’schuldig‘ in den Dingen, die mir vorgeworfen werden. Ich bin Anarchist
 und es gehört meine Solidarität allen Handlungen, die darauf abzielen, sich
 von Herrschaftsverhältnissen zu befreien ohne sie zu reproduzieren, ob 
sie von mir oder von anderen stammen. 
An alle, die nicht über diese armseeligen Mauern weinen, die wir zum
 Sprechen gebracht haben, an alle, die sich gefesselt fühlen, wenn andere 
es sind, sende ich meine revolutionären Grüße und rufe euch auf, euren 
Kampf für die Freiheit, der auch meiner ist, nicht ruhen zu lassen. 
An alle, die diesen Verhältnissen dienen: eure Gefängnisstrafen werden 
weder meine Tränen trocknen noch unsere Freude unterdrücken, mit der wir
 an der Veränderung der Verhältnisse arbeiten.
 Meine Solidarität gehört den Aufständigen, die aktiv werden ohne davon 
zu träumen, die Diktaturen durch eine demokratische Herrschaft zu 
ersetzen. Sie gehört auch allen Gefangenen auf diesem Planeten, die
 nicht aufgeben und die sich nicht von anderen abgrenzen, indem sie sich 
Kategorien wie die des ‚politischen Gefangenen‘ erfinden. Von Sidi
Bouzid nach Athen, von Bal-el-oued nach Santiago, von Villiers-le-bel in 
die Vorstädte von Rio – lasst unsere Revolten unsere Solidarität
stärken, und umgekehrt. Freiheit.

Am 6.2.2011, Dan.

PS: Ihr könnt mir auf englisch und auf französisch schreiben.

Maison d‘arrêt de la Santé

Daniel SAYAG

N° d‘écrou : 293 350

42,rue de la Santé

75 674 Paris cedex 14

France

Olivier's Adresse:

Maison d’arrêt de la Santé 

Olivier Toussaint

N° d’écrou : 293 348

42, rue de la Santé 

75 674 Paris
cedex 14
France