Amtsgericht
Er hat überreagiert und einen jungen Tatverdächtigen geschlagen – nun wurde ein Polizist vom Lörracher Amtsgericht verurteilt. Wegen Körperverletzung im Amt. Zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.
LÖRRACH. Es war am Abend nach einem WM-Fußballspiel, als am Lörracher Polizeirevier die Meldung einging, drei Jugendlichen versuchten im Parkhaus beim Meeraner Markt ein Auto aufzubrechen. Auch der 40-jährige Angeklagte fuhr mit seiner Kollegin los, und als sie in die Marie-Curie-Straße einbogen, kamen ihnen zwei Jugendliche auf der Flucht vor weiteren Polizeibeamten entgegen gerannt. Die Kollegen hatten sich aufgeteilt und stellten die Jugendlichen bei der Einfahrt zur KBC. Auch der Angeklagte und seine Kollegin trennten sich und eilten den Kollegen zu Hilfe.
Der Angeklagten unterstützte eine 33-jährige Kollegin, die dabei war, einen jungen Tatverdächtigen festzunehmen, der zwar älter aussah, aber, wie sich später herausstellte, zum damaligen Zeitpunkt erst 13 Jahre alt war. Der Junge sei auf einem Stein gestanden und habe sich gegen die Festnahme gewehrt, erzählte der Angeklagte. Er habe ihn am Handgelenk gepackt und vom Stein heruntergeführt. Dabei habe der Junge die Faust gegen ihn erhoben und in drohendem Tonfall "He!" gerufen. "Ich habe sein Verhalten als Widerstandshandlung interpretiert und einfach reagiert und ihm mit dem Handrücken ins Gesicht geschlagen", sagte der Angeklagte. Dann habe sich der Junge an einem Zaun festgehalten und sich weiter widersetzt. Damit er loslässt, habe er ihn zweimal nicht allzu fest mit dem Knie gegen den Bauch gestoßen, sagte der Angeklagte.
Zeuge: Die Jugendlichen waren nicht aggressiv
Der heute 14-jährige Junge berichtete jedoch, der Polizist habe ihn nicht mit der Hand, sondern mit dem Ellbogen ins Gesicht geschlagen. Danach habe er seinen Kopf in die Hände genommen und einmal gegen sein Knie geschlagen. Dass es sich so zugetragen hat, war sich der Junge sicher, der ansonsten bemüht war, den Angeklagten nicht zu sehr zu belasten. "Es ist nicht seine Schuld, er dachte, ich würde was machen", sagte er. Sein Vater, der den Jungen später auf dem Revier abholte, hatte dort zunächst eine Anzeige angedroht, diese aber dann doch nicht gestellt.
Die 33-jährige Kollegin des Angeklagten untermauerte die Angaben des Jungen. Der Angeklagte habe tatsächlich mit dem Ellbogen geschlagen und danach dessen Kopf gegen seinen Schenkel knapp oberhalb des Knies gehauen. "Ich habe seine Reaktion nicht verstanden, denn der Junge war passiv und hat sich festnehmen lassen", sagte die Polizistin. Auch ein anderer Beamter sagte, die Jugendlichen hätten sich nicht aggressiv verhalten. Ein weiterer am Einsatz beteiligter Beamter berichtete, eine Frau, die mit ihrem Auto langsam an dem Geschehen vorbeigefahren sei, habe schließlich angehalten und ihn gefragt, ob es wirklich sein müsse, dass man einem Kind gegen den Kopf tritt.
Nach der Beweisaufnahme stellte Staatsanwältin Martina Koloczek fest, der Vorwurf habe sich erhärtet und eine Notwehrsituation habe nicht vorgelegen. Wegen Körperverletzung im Amt beantragte sie eine Freiheitsstrafe von neun Monaten zur Bewährung und 1000 Euro Geldauflage. Während die Verteidigung von Widerstand sprach und Freispruch forderte, schenkte auch das Gericht den Zeugen Glauben. "Sie haben hier überreagiert, warum auch immer, ganz nachvollziehbar ist das für mich nicht", sagte Richter Harald Krohn. Die Zeugen hätten einen guten Eindruck gemacht und keinerlei Belastungstendenz gezeigt, deswegen habe er keinen Zweifel, dass es so gewesen sei. Er verurteilte den Polizisten zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe, außerdem muss er 2000 Euro an das Kinderheim Tüllinger Höhe zahlen.
Disziplinarische Folgen prüft die Polizeidirektion nach Vorlage des Urteils.