Ecuadors Botschafter fordert harte Strafen für Magdeburger Schläger

Erstveröffentlicht: 
02.03.2011

Brisanter Prozess beginnt am Freitag vor dem Amtsgericht / Vier Rechtsradikale überfielen im Dezember ausländische Studenten

Von Matthias Fricke


Vor dem Amtsgericht beginnt am Freitag ein brisanter Prozess gegen vier Rechtsradikale aus Magdeburg. Ihnen wird vorgeworfen, einen 24-jährigen Studenten aus Ecuador an der Haltestelle Lübecker Straße/Kastanienstraße krankenhausreif geschlagen zu haben. Seine Begleiterinnen, ebenfalls Studenten, wurden bei dem Überfall leicht verletzt. Die Täter sollen während der Prügelattacke "Scheiß Ausländer!" gerufen haben. Während der Fall in Deutschland bisher kaum Beachtung fand, gab es in Ecuador ein großes Medienecho.

Magdeburg. Die drei Wirtschaftsstudenten der Magdeburger Universität José Luise C. aus Ecuador (24), Surinam M. aus Mexiko (29) und Monique F. (25) aus Magdeburg befinden sich an jenem 18. Dezember gegen 4.10 Uhr auf dem Weg von einer Weihnachtsfeier nach Hause. Es ist kalt, es schneit. José Luise C. hat an der Haltestelle Lübecker Straße/Kastanienstraße seine Jacke gegen die Kälte tief ins Gesicht gezogen. Er sieht die späteren Angeklagten und stark betrunkenen Männer auf der anderen Straßenseite nicht. "Sie standen dann plötzlich vor ihm und prügelten sofort los", wird Augenzeugin Monique F. später berichtet.

Der Ecuadorianer will flüchten, wird aber von einem der Angreifer zu Boden gerissen. "Wir sind sofort zu ihm gelaufen, wollten helfen, wurden aber weggestoßen. Die hatten es nur auf seinen Kopf abgesehen und haben immer wieder zugetreten. Sie riefen ,Scheiß Ausländer‘ und bezeichneten uns als Schlampen", erzählt Monique F. auch den Ermittlern.

Fünf Tage in der Klinik

Der Magdeburgerin fällt außerdem auf, dass einer der Täter ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Landser" trägt. Es bezieht sich auf die rechtsradikale Band, die 2005 vom Bundesgerichtshof als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde.

Die Polizei wird später im Ermittlungsprotokoll zudem festhalten, dass die Schuhe mit Metallkappen versehen waren und der Haupttäter, ein 23-jähriger Mann ohne festen Wohnsitz (er befindet sich zurzeit in U-Haft), einen Schlagring benutzte.

Die Angreifer flüchten mit der Handtasche von Monique F., die einer der Angreifer ihr von der Schulter zog. Kurze Zeit später treffen auch Polizei und der alarmierte Rettungswagen ein. Der Ecuadorianer ist schwer verletzt und muss fünf Tage lang im Krankenhaus Olvenstedt mit einem Schädel-Hirn-Trauma, Nasenbeinbruch und mehreren Platzwunden am Kopf ärztlich versorgt werden. Die beiden anderen Studentinnen sind leichter verletzt und können sofort vernommen werden. Indes findet eine Polizeistreife in der Nähe des Tatortes in der Charlottenstraße die Handtasche der 25-jährigen Studentin unter einem Balkon. Ausweis und Geldbörse weisen Brandspuren auf.

Der Verdacht fällt schnell auf einen 47-jährigen Bewohner des Hauses, der gemeinsam mit den anderen Angeklagten in seiner Wohnung mit reichlich Alkohol gefeiert hat. Bei dem 23-jährigen Haupttäter wird später ein Alkoholwert von 1,88 Promille festgestellt. Der Schläger (18) hat 2,2 Promille im Blut. In den Vernehmungen räumen die Angeklagten ein, gemeinsam die rechtsradikale "Landsermusik" gehört zu haben. "Einer gab sogar zu, ,Sieg Heil‘ in der Wohnung skandiert zu haben", erklärt Rechtsanwalt Alain Mundt aus Berlin als Vertreter des Nebenklägers José Luise C. jetzt der Volksstimme.

Die Pressestelle der Polizeidirektion Nord gibt in einer Stellungnahme am 19. Dezember gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bekannt, dass es sich "vermutlich nicht um eine ausländerfeindlich motivierte Straftat" handelt. Die Ermittler gehen vielmehr von einem Raub aus, da die Beschuldigten in den Vernehmungen behaupteten, losgezogen zu sein, um jemanden "abzuziehen" (auszurauben). Die ausländischen Studenten seien also reine Zufallsopfer gewesen. Polizeisprecher Frank Küssner erklärte gestern, dass man zum Abschluss der Ermittlungen "ein ausländerfeindliches Motiv nicht mehr ganz ausschließen konnte".

Botschaft protestiert

"Leider findet sich das aber nicht in der Anklage wieder", zeigt sich Rechtsanwalt Alain Mundt enttäuscht. Da er überregional arbeite, kenne er auch Beispiele anderer Staatsanwaltschaften. So hatte er vor kurzer Zeit einen ähnlich gelagerten Fall in Neuruppin (Brandenburg) betreut, bei dem die Staatsanwaltschaft sogar auf "versuchten Mord" anklagte. Das Verfahren wurde deshalb auch vor dem Landgericht geführt. Am Ende kamen die Ankläger damit zwar nicht ganz durch, die Täter wurden aber dennoch mit hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

In Magdeburg ist dies im Vorfeld ganz anders. Angeklagt wird vor einem Jugendrichter im Amtsgericht (weil einer der Angeklagten noch im jugendlichen Alter ist), und zwar wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl. Ein Raub habe sich mangels Gewaltausübung beim Entreißen der Tasche nicht herausgestellt. "Ich finde es einfach nur entsetzlich, wie lapidar hier damit umgegangen wird", erklärt der Opfer-Anwalt. Die Staatsanwaltschaft wollte gestern zu dem Verfahren keine Stellung nehmen.

Die Bewertung des Falls ist in der südamerikanischen Republik Ecuador eine ganz klare. Dort berichteten mehrere Zeitungen, wie die "El Comercio" (bis 180 000 verkaufte Exemplare) und die "El Universo" (450 000 Auflage) von einem "rassistisch-motivierten Übergriff in Magdeburg". Der Botschafter in Berlin hat noch im Dezember bei Vertretern des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland Protest angemeldet und "um schnellstmögliche Aufklärung" gebeten. Ein Botschaftsvertreter erklärte gestern, dass der Prozess von Mitarbeitern des Konsulats beobachtet werde und er auch nicht ausschließen könne, dass an der Urteilsverkündung der Botschafter selbst teilnimmt. Die Regierung Ecuadors "werde den transparenten Ablauf" des Prozesses überwachen und bittet die Justizbehörden, "für die Angreifer die gesetzliche Höchststrafe zu erwirken."

Nach dem Prozessauftakt am Freitag sind am 18. und 21. März Verhandlungstermine angesetzt.