Krach hinter den Kulissen

Personalrat und Gewerkschaft reagieren verärgert auf die Idee der Theaterleitung, Geld zu sparen. Es würde vor allem Beschäftigte treffen, die ihren Arbeitsplatz hinter der Bühne haben (kleines Bild)
Erstveröffentlicht: 
24.01.2011

Die Theaterleitung will Mehrarbeit streichen — Gewerkschaft und Personalrat vermuten, dass Billiglöhner einspringen sollen

 

Von unserem Redakteur Uwe Mauch


Hinter den Theaterkulissen rumort es. Die Leitung will bei einem Teil der Belegschaft die Mehrarbeit zurückfahren, um Kosten zu senken. Der Personalrat ist strikt dagegen, weil er hohe Lohneinbußen befürchtet. Gleichzeitig aber nimmt die Zahl an billigen und flexiblen Aushilfskräften zu, die meisten davon leben in Wagenburgen. Die Gewerkschaft Verdi spricht von Tagelöhnern und vermutet, sie sollen die gestrichenen Arbeitsstunden der Angestellten kompensieren. Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) weist die Kritik als haltlos zurück.

 

Seit zwei Jahren verfügt das Theater über einen Pool von etwa 25 Aushilfskräften, vor allem für die Arbeit hinter der Bühne. Die hätten zuvor schon für freie Theatergruppen wie Panoptikum gearbeitet, berichtet der kaufmännische Theaterdirektor Klaus Engert. Die jungen Frauen und Männer seien Selbstständige und hätten ihr Gewerbe angemeldet. Die meisten von ihnen wohnen in Wagenburgen, zum Beispiel bei den Schattenparkern im Eselwinkel im Stadtteil Mooswald. "Mir ist egal, ob die in Herdern oder in einem Wohnwagen leben" , sagt Engert.

 

Die mobile Einsatzgruppe benötigt er für Spitzenzeiten. "Wenn unser Personal nicht mehr ausreicht." 20 Euro bekommen die flinken Helfer pro Stunde — ob sie die geforderten Sozialabgaben entrichten, entzieht sich Engerts Kenntnis.

Gut ein halbes Dutzend Schattenparker sei täglich im Theater, berichten Beobachter. Das gehe nicht ganz ohne Reibung. Richtig Ärger gibt es, seit nun bekannt wurde, dass das Theater die üblichen Mehrarbeitsstunden vor allem bei den angestellten Bühnentechnikern schrittweise streichen will. Der Personalrat rechnet in seiner internen Information vor, dass das vier bis fünf Stellen entspreche. Die Vermutung: Die billigen Aushilfskräfte sollen einspringen.

Empört ist Gewerkschaftssekretärin Irmgard Tauss. Es handle sich um Scheinselbstständige, die weder kranken-, noch renten- noch unfallversichert seien. "Das sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse" , sagt die Verdi-Fachfrau. Sie hat keine Zweifel, dass diese Jobber nun die Mehrarbeitsstunden der Festangestellten kompensieren sollen. Für den Fall kündigt sie schon den Gang vors Arbeitsgericht an.

Tatsächlich arbeiten die 47 Beschäftigten in den Werkstätten, auf der Bühne, im Malsaal regelmäßig 41,5 statt 39 Stunden. Ein externer Gutachter entdeckte darin ein Einsparpotenzial von 140 000 Euro im Jahr — das hat die Theaterleitung schon fest eingeplant. Denn der Gemeinderat verlangt vom Stadttheater einen Sparkurs. Doch nur wer mehr als 40 Wochenstunden arbeitet, erhält auch die monatliche Theaterbetriebszulage von durchschnittlich 200 Euro. Nun fürchten Personalrat und Betroffene Lohneinbußen bis 450 Euro.

Unsinn, sagt Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Die Zulage, die anstelle von Zuschlägen für Überstunden oder Nachtarbeit gezahlt wird, bleibe erhalten. Es gehe ausschließlich um die Mehrarbeitsstunden, die auch nicht von Schattenparkern ausgeglichen würden, sondern durch bessere Organisation.

Der Personalrat will angesichts der schwierigen Situation dazu nichts sagen. Aber am Freitag in der nichtöffentlichen Sitzung des Theaterausschusses. Denn die CDU-Fraktion im Gemeinderat hat einen detaillierten Fragebogen vorgelegt und verlangt Klarheit.



Krach hinter den Kulissen

Die Theaterleitung will Mehrarbeit streichen — Gewerkschaft und Personalrat vermuten, dass Billiglöhner einspringen sollen

Von unserem Redakteur Uwe Mauch

Hinter den Theaterkulissen rumort es. Die Leitung will bei einem Teil der Belegschaft die Mehrarbeit zurückfahren, um Kosten zu senken. Der Personalrat ist strikt dagegen, weil er hohe Lohneinbußen befürchtet. Gleichzeitig aber nimmt die Zahl an billigen und flexiblen Aushilfskräften zu, die meisten davon leben in Wagenburgen. Die Gewerkschaft Verdi spricht von Tagelöhnern und vermutet, sie sollen die gestrichenen Arbeitsstunden der Angestellten kompensieren. Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) weist die Kritik als haltlos zurück.

Seit zwei Jahren verfügt das Theater über einen Pool von etwa 25 Aushilfskräften, vor allem für die Arbeit hinter der Bühne. Die hätten zuvor schon für freie Theatergruppen wie Panoptikum gearbeitet, berichtet der kaufmännische Theaterdirektor Klaus Engert. Die jungen Frauen und Männer seien Selbstständige und hätten ihr Gewerbe angemeldet. Die meisten von ihnen wohnen in Wagenburgen, zum Beispiel bei den Schattenparkern im Eselwinkel im Stadtteil Mooswald. "Mir ist egal, ob die in Herdern oder in einem Wohnwagen leben" , sagt Engert.

Die mobile Einsatzgruppe benötigt er für Spitzenzeiten. "Wenn unser Personal nicht mehr ausreicht." 20 Euro bekommen die flinken Helfer pro Stunde — ob sie die geforderten Sozialabgaben entrichten, entzieht sich Engerts Kenntnis.

Gut ein halbes Dutzend Schattenparker sei täglich im Theater, berichten Beobachter. Das gehe nicht ganz ohne Reibung ab. Richtig Ärger gibt es, seit nun bekannt wurde, dass das Theater die üblichen Mehrarbeitsstunden vor allem bei den angestellten Bühnentechnikern schrittweise streichen will. Der Personalrat rechnet in seiner theaterinternen Information vor, dass das insgesamt vier bis fünf Stellen entspreche. Die Vermutung: Die billigen Aushilfskräfte sollen einspringen.

Empört ist Gewerkschaftssekretärin Irmgard Tauss. Es handle sich um Scheinselbständige, die weder kranken-, noch renten- noch unfallversichert seien. "Das sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse" , sagt die Verdi-Fachfrau. Sie hat keine Zweifel, dass diese Jobber nun die Mehrarbeitsstunden der Festangestellten kompensieren sollen. Für den Fall kündigt sie schon den Gang vors Arbeitsgericht an.

Tatsächlich arbeiten die 47 Beschäftigten in den Werkstätten, auf der Bühne, im Malsaal regelmäßig 41,5 statt 39 Stunden. Ein externer Gutachter entdeckte darin ein Einsparpotenzial von 140 000 Euro im Jahr — das hat die Theaterleitung schon fest eingeplant. Denn der Gemeinderat verlangt vom Stadttheater einen Sparkurs. Doch nur wer mehr als 40 Wochenstunden arbeitet, erhält auch die monatliche Theaterbetriebszulage von durchschnittlich 200 Euro. Nun fürchten Personalrat und Betroffene Lohneinbußen bis 450 Euro.

Unsinn, sagt Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Die Zulage, die anstelle von Zuschlägen für Überstunden oder Nachtarbeit gezahlt wird, bleibe erhalten. Es gehe ausschließlich um die Mehrarbeitsstunden, die auch nicht von Schattenparkern ausgeglichen würden, sondern durch bessere Organisation.

Der Personalrat will angesichts der schwierigen Situation dazu nichts sagen. Aber am Freitag in der nichtöffentlichen Sitzung des Theaterausschusses. Denn die CDU-Fraktion im Gemeinderat hat einen detaillierten Fragebogen vorgelegt und verlangt Klarheit.

 

 

Münstereck

Gewisse Widersprüche

Das Theater als Arbeitgeber

 

Ein erklärtes Ziel des Stadttheaters ist es, gesellschaftliche Diskussionen loszutreten, über Gerechtigkeit, Kapitalismus, soziale Beziehungen. Das ist gelungen, aber aktuell ganz anders als beabsichtigt. Denn unversehens gerät die Theaterleitung in Erklärungsnot. Sie beschäftigt dauerhaft Aushilfskräfte zu günstigen Bedingungen, um Produktionsspitzen aufzufangen. Wie ein Betrieb, der Leiharbeiter einsetzt. Nur dass diese ordentlich versichert sind. Im Gegensatz zu den "selbstständigen" Wagenburglern, die als flexible Einheit hinter der Bühne arbeiten. Im Grunde ist das Vorgehen vernünftig: Intendantin und kaufmännischer Direktor versuchen, die staatlichen Zuschüsse möglichst effizient einzusetzen. Doch diese betriebswirtschaftliche Betrachtung will nicht so richtig zur Kapitalismuskritik des Theaters passen. Einen gewissen Widerspruch — nebenbei bemerkt — müssen auch die Schattenparker aushalten, die gerne und häufig die Stadtverwaltung kritisieren und sich nun von ihr engagieren lassen. So weit, so normal. Jetzt aber fürchten Gewerkschaft und Personalrat, dass die Theaterleitung den Festangestellten die bezahlte Mehrarbeit kappt und die Aushilfskräfte noch mehr in die Bresche springen lässt. Das wäre in der Tat ein Unding. Die Verantwortlichen weisen den Verdacht denn auch von sich. Trotzdem: Die Arbeitnehmervertreter werden darauf ein Auge haben müssen — und gegebenenfalls die Diskussion befeuern.