Am Samstag Abend fand um 23.oo Uhr auf der blauen Wiwii-Brücke in Freiburg eine Soli-Aktion für die Freiheitskämpfe in der arabische Welt statt. Das große Interesse der Vorbeilaufenden führte zu einem regen Treiben auf der Brücke. Gemeinsam wurden die Papierballons in die Höhe gebracht und rege diskutiert. Ein Transparent mit der Aufschrift "Solidarity with the Fight for Freedom" wurde aufgehangen. Am Ende der Aktion gab es noch ein spektakuläres Feuerwerk.
Leider hatten wir nicht genügend Flyer, aber es wurden Plakate mit folgendem Text hinterlassen:
"In Solidarity with the Fight for Freedom"
Am 19. Februar, gut eine Woche nach dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubaraks, waren über Freiburg 25 schwebende Lichter zu sehen. 25, weil die Revolution in Ägypten am 25. Januar, als zum „Tag des Zorns“ aufgerufen wurde, ihren Anfang nahm. Mit dieser Aktion wollten wir den für Freiheit kämpfenden Menschen in Ägypten und auf der ganzen Welt unsere Solidarität bekunden.
Ägypten ist nicht das einzige Land in der (arabischen) Welt, in dem die Menschen derzeit auf den Straßen ihr Verlangen nach Freiheit hinausschreien. Auch in Jordanien, im Jemen, in Algerien und im Sudan standen während der ägyptischen Revolution die Menschen zu tausenden auf den Straßen. Nach dem Sturz Mubaraks gab es trotz Demonstrationsverbote massenhafte Solidaritätsbekundungen von Marokko bis in den Iran. Und die Proteste reißen nicht ab, sondern scheinen über die Erfolge in Tunesien und Ägypten bestärkt worden zu sein. Sogar in Libyen und Bahrain werden sie immer heftiger. Auch an diese Menschen dachten wir, als die Lichter sich in den Himmel hoben.
Aufbruch in der arabischen Welt
Was der „Grünen Revolution“ im Juni 2009 nicht glückte, der Sturz des theokratischen Systems im Iran, gelang in Nordafrika zu Beginn des neuen Jahres gleich zweimal: Am 14. Januar flüchtete der tunesische Präsident Ben Ali nach Saudi Arabien und am 11. Februar verkündete der ägyptische Vizepräsident Suleiman den Rücktritt Mubaraks. Sicher nicht die letzten autoritären Regime der Region, die ein Ende ihrer Gewaltherrschaft zu befürchten haben.
Trotz unterschiedlichster Situationen in den jeweiligen Ländern eint ihre BewohnerInnen die Jahrzehnte andauernde Erfahrung der Unterdrückung von Freiheitsrechten und die zunehmende Verarmung der Bevölkerung, nicht zuletzt wegen vom Westen durchgesetzten neoliberalen Reformen. Zudem gibt es einen sehr hohen Anteil an Menschen unter 30 Jahren und die Jugendarbeitslosigkeit beträgt bis zu 70%. Ein sehr wichtiger Faktor ist aber auch der fortschreitende Zugang zu Kommunikationsmedien, der den Menschen dort nicht nur zeigt, dass man auch ganz anders leben kann, sondern ihnen auch Vernetzung ermöglicht, um Protest auszudrücken. Die Menschen haben die Verhältnisse, in denen sie leben, schon lange satt. Nun haben sie auch den Mut und die Mittel gefunden, ihre Unterdrücker herauszufordern.
Heuchelei im Westen. USA, EU, BRD
Jahrzehnte lang stützte der Westen diese autoritären Regime, in denen die Bevölkerung Not litt und Folter an der Tagesordnung war. Neben milliardenschwerer Militärhilfe schickte die USA auch mutmaßliche Terroristen zum Erpressen von „Geständnissen“ ins geostrategisch wichtige Ägypten. Ansprechpartner fürs Foltern war der von Mubarak zum Vizepräsident ernannte und vom Westen seit langem vielgeschätzte und anfangs als Nachfolger favorisierte Omar Suleiman.
So verwundert es auch nicht, wenn sich zu Beginn der Revolution die Freude über die Emanzipation der Bevölkerung sehr zurückhielt. Vielmehr verfuhr die USA wie sie immer verfuhr, wenn kooperative Diktatoren (z.B. Marcos, Duvalier, Ceausescu) ihrem Ende entgegensahen: Sie stützen das Regime bis es nicht mehr zu halten ist und schlagen sich dann auf die Seite der Demonstranten. Für gewöhnlich wird dann versucht, unter dem Vorwand sich nun für die Rechte der Bevölkerung einzusetzen, alte Beziehungen weiterhin zu pflegen, um ihren Einfluss zu erhalten. Schlüssel hierfür sind in Nordafrika v.a. die lange unterstützen und zum großen Teil auch in Amerika ausgebildeten Offiziere des Militärs sowie wirtschaftliche Beziehungen.
Auch von Seiten der EU kam es nur sehr zögerlich zu Reaktionen und man vermied lange sich auf die Seite der Demonstranten zu stellen. Die Diktatoren Nordafrikas waren bisher gute Verhandlungspartner, die für „Stabilität“ sorgten. Vor der Opposition, mit der man sich nie herabgelassen hatte zu sprechen, hatte man plötzlich Angst. Auch wenn sie sich auf Werte wie Freiheit und Demokratie berief, wurde sie zunächst v.a. als Sicherheitsrisiko wahrgenommen. Hier zeigt sich, dass die EU zwar eine Wertegemeinschaft ist, sich aber vor allem dem Wert guter Handelsbeziehungen bewusst ist. Da kann man schon mal einige Jahrzehnte über schlimmste Menschenrechtsverletzungen hinwegsehen. Die im Umbruch begriffenen Staaten waren für EU Länder bisher aber nicht nur Absatzmarkt für billige Industrieprodukte, ihre Despoten waren auch sehr nützlich, da sie bei der Flüchtlingsabwehr an den Grenzen Europas halfen.
In Deutschland wurde die Demokratiebewegung zu Beginn ebenfalls ignoriert. Mainstreammedien wie Politiker zeichneten Szenarios der Gewalt und der Islamismusgefahr, auch wenn die Menschen auf der Straße, Nah-Ost Experten und ernstzunehmende Medien diesen Befürchtungen entschieden wiedersprachen. Die Reaktionen sind nach wie vor verhalten und die schwammigen Aussagen zeugen mehr von diplomatischem Machtkalkül, als dass sie von freiheitlichen Grundsätzen geleitet wären. So ist es widersprüchlich, wenn z.B. Minister, die in ihrem eigenen Land Prügeleinsätze der Polizei verteidigen, den ägyptischen Sicherheitsapparat dazu auffordern, keine Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen.
Ist dort nicht auch ein bisschen hier?
Die Schlagzeile „Mit Tränengas gegen Demonstranten“ war auf der Homepage eines öffentlich-rechtlichen Senders zu lesen. Sie betraf die Solidaritätskundgebungen im Iran, hätte aber bei wahrheitsgetreuer Berichterstattung ebenso gut über dem Bericht eines Protestes in Deutschland stehen können. Auch in Deutschland nutzt der Staat sein Gewaltmonopol übereifrig: Flächendeckende Überwachung, Infiltrierung sozialer Bewegungen und Agent Provocateurs, sowie Straffreiheit für Übergriffe seitens der Staatsbediensteten, Einsatz von chemischen Waffen (Pfefferspray, CS-Gas in Wasserwerfern) und verfälschte Berichterstattung (Falschaussagen vor Gericht und Öffentlichkeit) sind gängige Praxis. Demonstrationen wurden seit Beginn der BRD als Bedrohung wahrgenommen und nicht als Bereicherung der Demokratie. Sie bewirken wenig, wenn wirtschaftliche oder (partei)politische Interessen den Forderungen entgegenstehen. Vorangetrieben wird offensichtlich nicht soziale Gerechtigkeit und Freiheit, sondern soziale Spaltung und Militarisierung.
Nicht nur in der arabischen Welt gerät v.a. die Jugend immer häufiger mit der Staatsgewalt in Konflikt. Auch in Europa gibt es hin und wieder Ausschreitungen, z.B. 2006 in Frankreich und 2008 in Griechenland. Wie auch bei der Räumung des dänischen Jugendzentrums Ungdomshuset 2007 oder des autonomen Hausprojektes Liebig14 in Berlin 2011, ging die Polizei mit militärischer Härte gegen die zumeist Jugendlichen vor. Die Staaten, die sich Demokratie und Menschenrechte auf die Flaggen geschrieben haben und nun bei der Demokratisierung in Tunesien und Ägypten behilflich sein wollen, reagieren auf die Proteste im eigenen Land nicht mit mehr Demokratie, sondern setzen auf mehr Überwachung und eine verstärkte internationale Zusammenarbeit der Repressionsorgane.
Die Menschen in der arabischen Welt haben erkannt, dass sie ein Geschichte gestaltendes Subjekt sind und sind aus ihrer Ohnmacht erwacht. Sie atmen Freiheit. In Europa scheinen viele noch benebelt zu sein von den Errungenschaften der Nachkriegszeit, seien diese auch noch so verlogen.
Die Zeit der repräsentativen Politik ist vorbei. Wir wollen unser Leben selbst bestimmen und haben aus der Geschichte gelernt, dass Machkonzentration das Grundübel unserer gesellschaftlichen Missstände ist. Wir sind wütend, weil die aktuellen Regierungsformen dem Potential des Lebens nicht gerecht werden und noch immer auf Bevormundung und Ausbeutung ausgelegt sind.
Nur durch Kritik an den herrschenden Verhältnissen und dem Aufbau solidarischer Strukturen kann die Welt in einem emanzipatorischen Sinn verändert werden. Der Umbruch in Nordafrika zeigt, dass Machtstrukturen gebrochen werden können und soziale Revolutionen möglich sind. Wir wünschen den Menschen dort, dass sie den Willen weiterzukämpfen nicht verlieren und senden herzliche Grüße an alle, die vom Gefühl der Freiheit in den Kampf gegen das Bestehende getragen werden.
The battle is far from over, we´ll fight!