Mit Lou Marin, Marseille (Verlag Graswurzelrevolution)
Albert Camus erhielt 1957 den Literaturnobelpreis und erlangte daraufhin literarischen Weltruhm. Nahezu unbekannt ist allerdings: Camus hatte zeit seines Lebens vielfältige Kontakte zur französischen und internationalen anarchistischen Bewegung. Er hielt Vorträge, beteiligte sich an Aktionen und trat für Angeklagte vor Gericht ein. Und seine Werke sind von freiheitlichem Denken gekennzeichnet.
Der vergessene Libertäre Albert Camus wird an diesem Abend vorgestellt: Seine Hinwendung zu libertären Ideen nach seiner Bekanntschaft mit der großen französischen Anarchistin Rirette Maîtrejean, die freiheitlichen Aspekte seines philosophischen Hauptwerkes Der Mensch in der Revolte und seine journalistischen Beiträge für anarchistische Zeitungen in den fünfziger Jahren.
Nur vor dem Hintergrund Camus' Nähe zu anarchistischen Ideen ist seine gewaltkritische Position zum ersten Algerienkrieg, dem bewaffneten nationalen Befreiungskrieg (1954–62) zu verstehen. Erst im Angesicht der Grausamkeiten des zweiten Algerienkriegs in den Neunzigerjahren zeigte sich, wie vorausschauend Camus' Lösungsansätze eines libertären Föderalismus und einer mittelmeerischen Kultur waren. Doch Camus wurde ins Abseits gedrängt, als „Kolonialist des guten Willens“ verspottet. Seine Nationalismus- und Gewaltkritik verhallte ungehört.
Spät, vielleicht zu spät, haben angesichts des jüngsten algerischen Alptraums renommierte LiteratInnen und PolitikerInnen aus dem Maghreb Camus rehabilitiert, dessen politische Aktualität beeindruckend ist.
Mo. 7. Feb. 2011, 19:30 Uhr, Trotz Allem, Witten, Augustastraße 58