Spitzeleinsatz bestätigt

»Simon Brenner« (vorn) bei der Arbeit. Antiatomdemo am 26. Juli 2010
Erstveröffentlicht: 
19.01.2011

19.01.2011 / Inland / Seite 4Inhalt

 

Spitzeleinsatz bestätigt

 

Baden-Württembergs Innenminister räumt Schnüffelei von verdecktem Ermittler bei Studierenden in Heidelberg ein. Betroffene fordern seinen Rücktritt

 

Von Ralf Wurzbacher

 

Vier Wochen lang hatte Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) eisern geschwiegen – um schlußendlich doch einzuräumen, was eigentlich längst bekannt war: Das Landeskriminalamt (LKA) lies monatelang die linke Heidelberger Studentenszene durch einen verdeckten Ermittler ausspähen. In einer aktuellen, durch Rech gezeichneten Stellungnahme zu einer parlamentarischen Initiative des Grünen-Abgeordneten Uli Sckerl wird der Einsatz des Spitzels als Mittel »zur Gefahrenabwehr bzw. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung« gerechtfertigt. Nach Ansicht der Grünen wie auch der von der Schnüffelattacke direkt betroffenen Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) bleiben die Verantwortlichen aber weiterhin entscheidende Antworten schuldig.

Wie junge Welt berichtete, war der unter dem Falschnamen Simon Brenner agierende Ermittler im Dezember durch eine ehemalige Urlaubsbekanntschaft enttarnt worden. Zuvor hatte er sich neun Monate lang in diversen linken Gruppierungen engagiert und bei mehreren Aktionen von Castorgegnern und der Friedensbewegung mitgemischt. Sein Einsatz sei »von langer Hand geplant« gewesen, äußerte sich der Ertappte Mitte Dezember gegenüber Betroffenen. Er habe in regelmäßigem Kontakt zum Heidelberger Staatsschutz und zum LKA gestanden, um Namen und Informationen über Personen aus dem linken Milieu weiterzugeben. Im Mittelpunkt des Interesses der Ermittler stand dabei nach Angaben des 24jährigen die AIHD – allerdings »im allgemeinen« und nicht einzelne Aktivisten.

Das Innenministerium will etwas anderes weismachen. Angeblich waren demnach die Ermittlungen »gegen konkrete Zielpersonen aus der antifaschistischen/anarchistischen Szene und einzelne Kontaktpersonen dieser Zielpersonen« gerichtet und mit der Begründung erfolgt, eine konkrete Gefährdung abzuwenden. Nach dem im Ländle geltenden Polizeigesetz ist ein Einsatz verdeckter Schnüffler nur bei einem solchen Szenario legal. Die Ausspähung einer Gruppierung ohne greifbaren Tatverdacht gibt die Rechtslage nicht her. Tatsächlich heißt es in der Antwort des Ministers deshalb auch ausdrücklich, die AIHD stehe »nicht als Organisation« im Visier der Ermittler.

Für die Gruppe selbst ist das eine Schutzbehauptung und die Rede von »vorbeugender Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung« ein »völlig lächerlicher Vorwand«. In einer Pressemitteilung bestreitet die Initiative die Existenz von Gruppen in Heidelberg, »die solche Straftaten durchgeführt und geplant hätten«. Das Innenministerium müsse deshalb erklären, »welche angeblich geplanten Straftaten die Bespitzelung eines ganzen politischen Milieus mit geheimdienstlichen Mitteln rechtfertigen sollen«. Die Stellungnahme des Innenministers gibt dazu nichts her, lediglich von »tatsächlichen Anhaltspunkten« wird geraunt, daß die Ausspionierten »künftig Straftaten begehen«.

Das ist auch den Grünen im Stuttgarter Landtag zu dünn: Sollten Studierende wirklich »einen Anschlag geplant haben oder eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung, dann wollen wir das aber genauer wissen«, befand ihr innenpolitischer Sprecher Sckerl gegenüber der Frankfurter Rundschau. »Pauschale Erklärungen« genügten nicht, um den Einsatz zu begründen, ergänzte Vizefraktionschefin Theresia Bauer in einer Presseerklärung. »Wir haben aufgrund der ganzen bekannten Umstände nach wie vor den Eindruck, daß der verdeckte Ermittler einen ganz pauschalen Auftrag hatte, die linke Szene mal vorsorglich auszuspähen.« Insbesondere die Studierenden hätten ein Recht darauf zu erfahren, »was mit den erhobenen personenbezogenen Daten geschieht«.

Die Grünen wollen den Fall zum Thema im Innenausschuß des Landtages machen. Dort könnte sich der Innenminister auch nicht länger hinter der vermeintlichen Geheimhaltungspflicht verschanzen. Geht es nach der Heidelberger Antifa, muß Rech seinen Hut nehmen. »Wer die Polizei als selbstherrlich agierende Instanz zur Bespitzelung, Einschüchterung und Kriminalisierung mißliebiger oppositioneller Gruppen akzeptiert, ist als Minister untragbar.«