Heidelberger Studenten waren fassungslos, als ihr guter Freund Simon als LKA-Spitzel aufflog. Jetzt bestätigte Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech: Ja, die Polizei spähte Studenten aus. Die Grünen verlangen Aufklärung, linke Gruppen stellen den Beamten an den Pranger.
Der Verdacht gegen einen untergetauchten Studenten der Uni Heidelberg hielt sich über einen Monat - jetzt ist daraus amtliche Gewissheit geworden: Der junge Mann, der sich in Heidelberg "Simon Brenner" nannte, war ein Polizeispitzel und Beamter des Landeskriminalamts, angesetzt auf linke Aktivisten.
Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) bestätigte am Dienstag, dass ein verdeckter Ermittler neun Monate lang die linke Szene in der Stadt ausspioniert hatte. Allerdings bestreiten Rech und seine Behörde, dass sich die Arbeit des verdeckten Ermittlers gegen die gesamte Antifaschistische Initiative Heidelberg richtete. Das hatten die Studenten vermutet, die bis zum 12. Dezember beinahe täglich Umgang mit dem LKA-Beamten hatten.
Vielmehr sei es um "konkrete Zielpersonen aus der antifaschistischen/anarchistischen Szene (…) aus dem Bereich Heidelberg Rhein-Neckar-Kreis" gegangen, schrieb der Innenminister in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Landtag. Der Einsatz des Landeskriminalamts sei legitim, eine "Datenerhebung" durch "Polizeibeamte unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität" sei durch das Polizeigesetz abgedeckt.
Für die Studenten war es ein Fall, der ihnen an die Nieren ging: Der vermeintliche Student Brenner hatte versucht, sich über linke Initiativen Zugang zur linken Szene zu verschaffen. In der linken Hochschulgruppe Linke.SDS machte sich der sportliche Germanistikstudent im Surferlook schnell Freunde, zeigte sich "fast schon unangenehm zuvorkommend", erinnert sich ein ehemaliger Genosse. Für die Studenten war es daher ein Schock, als der freundliche Simon auf einer Party von einer Urlaubsbekanntschaft enttarnt wurde.
Konservative Studenten beklagen "Hetzjagd" gegen den Spitzel
Das Innenministerium habe den Einsatz nicht rechtlich geprüft und auch nicht angeordnet. Der Befehl sei direkt vom Leiter der Polizeidirektion Heidelberg gekommen, teilte Innenminister Rech mit.
Für die Landtags-Grünen wirft der Einsatz des verdeckten Ermittlers allerdings weitere Fragen auf. "Die Antwort des Innenministers klärt nicht auf und beweist nichts. Wir wollen wissen, was an den erhobenen Vorwürfen tatsächlich dran ist. Welche Straftaten wurden denn geplant und durch die Tätigkeit des verdeckten Ermittlers verhindert?", fragt der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Uli Sckerl.
Der Einsatz von verdeckten Ermittlern im Polizeigesetz und in der Strafprozessordnung sei an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft, weshalb eine pauschale Erklärung nicht genüge. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Theresia Bauer, sagte, sie habe weiterhin den Eindruck, "dass der verdeckte Ermittler einen ganz pauschalen Auftrag hatte, die linke Szene mal vorsorglich auszuspähen". Die Studenten hätten das Recht zu erfahren, was mit den erhobenen personenbezogenen Daten geschehen sei. Dass persönliche Daten weitergegeben wurden, hatte Innenminister Rech ebenfalls bestätigt.
Unter den Heidelberger Studenten hat der Beamte, der sich an der Uni Simon Brenner nannte, inzwischen Unterstützer gefunden. Der konservative Studentenverband RCDS stellt sich schützend vor den Polizisten. Zwar könne man nachvollziehen, dass die Studenten, die mit "Simon Brenner" befreundet waren, enttäuscht seien. Laut RCDS laufe derzeit aber eine "Hetzjagd" gegen den Polizisten und seine Familie. Auch seinen realen Namen haben linke Gruppen in Heidelberg inzwischen öffentlich gemacht.
Tatsächlich findet sich auf indymedia.org inzwischen ein verfasster Eintrag, der den mutmaßlichen Namen des Vaters des Beamten sowie beider Wohnorte, Vereinsmitgliedschaften und weitere private Details enthält. Wenn die linken Aktivisten dem Polizisten weiter nachstellten, "rechtfertigen sie nachträglich ihre Beobachtung durch die Behörden", urteilt das Heidelberger RCDS-Vorstandsmitglied Oke Johannsen.
Noch im Dezember hatte der RCDS die verdeckte Polizeiarbeit in Studentenkreisen scharf verurteilt. Spitzel seien "in einem liberalen Rechtsstaat eines der grenzwertigsten Instrumente der Sicherheitsbehörden", weil sie die Privatsphäre verletzten und das Vertrauen der Bürger missbrauchten. Wie die Grünen fragte auch der RCDS: War all das im Fall Simon Brenner wirklich nötig?