Autonome stellen "Polizeibericht 2010" ins Internet

Auf den ersten Blick wirkt der Bericht wie eine offizielle Veröffentlichung.
Erstveröffentlicht: 
27.12.2010

In Ihrem "Polizeibericht 2010" verraten linke Aktivisten Polizei-Kennzeichen und zeigen Fotos. Das Polizeipräsidium reagiert gelassen auf die Veröffentlichung im Internet.

 

Auf den ersten Blick sieht es aus wie die Berliner Variante von Wikileaks – doch das, was die linksautonome Szene als „Polizeibericht 2010“ zusammengetragen hat auf 108 Seiten, lässt die Betroffenen im Präsidium kalt. Man werde nicht juristisch gegen die Autoren vorgehen – was ohnehin schwer sein dürfte. Denn als Verantwortlicher im Impressum wird ein „Extrem Mist“ in der Archivstraße 12 genannt. Hier beweisen die Linksautonomen Humor, hinter der Anschrift verbirgt sich das Geheime Staatsarchiv in Dahlem.

 

Allerdings stehen in dem Heft, das auch im Internet abrufbar ist, kaum Geheimnisse; die meisten Informationen seien frei verfügbar, hieß es bei der Polizei.

 

Das Heft trägt den Titel „Ausrüstung, Strukturen, Einsatztaktik“. Die darin abgedruckten Fotos sind überwiegend von Internetseiten der Polizei oder privaten Seiten wie „polizautos.de“ kopiert. Andere wurden von Aktivisten bei Demonstrationen selbst aufgenommen. Auf den ersten Anschein wirkt das Heft fast offiziell – mal abgesehen von den Fotos abgebrannter Autos und der Tatsache, dass Polizisten als „Bullen“ oder „Pigs“ (Schweine) bezeichnet werden.

 

Ferner findet sich in dem Heft eine Liste mit etwa 130 Kennzeichen von Zivilstreifen. Eine Fleißarbeit, heißt es bei der Polizei gelangweilt, zusammengetragen bei diversen Demonstrationen. Nutzen dürfte die Liste den Autonomen nicht: Denn wie die Autoren selbst vermerken, benutzt die Polizei bei ihren Fahrzeugen sogenannte Wechselkennzeichen.

 

Ärgerlicher für Polizeipräsident Dieter Glietsch ist der weiter laufende Geheimnisverrat aus den eigenen Reihen: Auf der Internetseite „blitzberlin.de“ werden weiterhin alle zu Tempokontrollen eingesetzten Zivilfahrzeuge, die beliebtesten Blitzstandorte und technische Interna verraten. Teilweise sind die Fotos auf der Internetseite erkennbar aus Streifenwagen geschossen worden. Wie berichtet, hatte Glietsch Disziplinarverfahren gegen drei Beamte der Direktionen 3 und 2 angestrengt und angekündigt, dass die Zivilstreifen neue Kennzeichen bekommen. Die Verfahren endeten im Sande, die neuen Kennzeichen wurden sofort auf der Seite veröffentlicht.

 

Insiderwissen dürfte in den Bericht der Autonomen hingegen nicht eingeflossen sein, sagen Experten. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte: So ist zwar der Chef der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung bei einer Demonstration fotografiert worden, aber nur von hinten. Auch der Name des Beamten wird nicht genannt. Auch sonst verzichten die Linksaktivisten weitgehend darauf, Namen von Zivilpolizisten zu nennen oder identifizierbare Fotos zu veröffentlichen. Dabei kursierte bis vor wenigen Monaten im Internet eine Liste mit Einzelfotos vor allem von Beamten des Staatsschutzes und Spezialeinheiten. Da auf dieser Seite auch Namen und Dienstrang genannt waren, hatten die Berliner Behörden die Löschung der Seite im Internet durchsetzen können.

 

Das Heft ist seit Mitte Dezember im Internet zu finden, zum Beispiel bei „indymedia“, dem elektronischen Zentralorgan der Linksextremisten. Neu ist, dass die jüngste Ausgabe der Untergrundzeitung „Interim“ nun ebenfalls im Netz zu finden ist. Wie berichtet, hatte einige Autonome darin einen Aufruf zur Gewalt gegen Berlin-Touristen veröffentlicht. Nach einem Artikel im Tagesspiegel hatten Polizei und Justiz kurz vor Weihnachten vier linke Buchläden durchsucht.