Verdeckter Ermittler in der linken Szene

Erstveröffentlicht: 
22.12.2010

Heidelberg.  Das Innenministerium sagt nichts zu dem Fall, die Landtags-Grünen verlangen aber Aufklärung: Ein verdeckter Ermittler der Polizei soll in der Heidelberger linken Szene Informationen gesammelt haben.

 

Als "Simon Brenner" hat ein verdeckter Ermittler der Polizei anscheinend monatelang die linke Szene in Heidelberg ausgeforscht. Das Innenministerium lehnte jeden Kommentar dazu ab: "Zu Einsätzen verdeckter Ermittler sagen wir nichts", hieß es auf Anfrage nur. Der junge Beamte mit dem sinnigen Tarnnamen - Brenner ist die Hauptfigur in preisgekrönten Krimis des Österreichers Wolf Haas - hat aber nach seiner Enttarnung selber geplaudert, als er von bespitzelten "GenossInnen" zur Rede gestellt wurde. Das machten die "Antifaschistische Initiative Heidelberg" und die "Rote Hilfe" per Pressemitteilungen bekannt.

 

Demnach sollte sich "Brenner", zum Sommersemester 2010 als Student in Germanistik und Ethnologie eingeschrieben und zum Wintersemester zur Soziologie gewechselt, Zugang zur linken Szene verschaffen, Kontakte zu Aktivisten knüpfen und Informationen über Aktivitäten beschaffen. Ziel sei die Antifa-Szene der Unistadt gewesen, soll der Enttarnte erzählt haben. Aufgeflogen ist er nach neun Monaten, weil ihn eine Urlaubsbekanntschaft zufällig in Heidelberg traf: Der Frau hatte er angeblich vor dem Geheimeinsatz erzählt, er sei Polizist. Als sie ihn am 11. Dezember in Heidelberg beim Besuch einer Freundin auf einer Geburtstagsparty sah, hat sie sich gewundert, was der Polizist denn hier mache. Die Frau outete "Simon" gegenüber ihrer Freundin. Einen Tag später soll der Mann alles zugegeben haben, als ihn "Szenefreunde" zur Rede stellten.

 

Neun Monate lang soll der verdeckte Ermittler Informationen gesammelt und an Landeskriminalamt und die Heidelberger Polizei weitergegeben haben. Fleißig hat er sich nach Angaben der Ausgespähten an Aktionen beteiligt: In der SDS-Hochschulgruppe der Linken, in der "Kritischen Initiative", bei Demonstrationen gegen Atomkraft, gegen Neonazis oder auch bei der Bildungsstreikdemo im Juni.

 

Ende Oktober soll die Bespitzelung eine konkrete Folge gehabt haben - wenn die Berichte über die Beichte des Ermittlers zutreffen: Da gab es eine richterlich angeordnete Durchsuchung bei einem SDS-Mitglied, einem Studenten, der 2009 auf der Linke-Liste für den Gemeinderat kandidiert hatte. "Brenner" soll der Polizei den Tipp gegeben haben, angeblich war er in der Wohnung des Kommilitonen auf Verdächtiges gestoßen: Sprengsatz-Bau wurde dem Studenten dann vorgeworfen, außerdem Handel mit Drogen. "Absurd" nannte das die Studentengruppe des 30-Jährigen.

 

Durch den Einsatz des verdeckten Ermittlers seien "ohne konkreten Tatvorwurf eine Vielzahl oppositioneller Gruppen und Einzelpersonen ausspioniert und polizeilich erfasst worden", wirft die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) Innenminister Heribert Rech (CDU) vor. "Die Ausforschung unserer studentischen Gruppe durch einen Spitzel des LKA war für uns traumatisierend", heißt es in einer Erklärung der "Kritischen Initiative". Es sei "schockierend, dass Polizei und Staat so weit gehen, so tief in unser Leben einzugreifen. Es wurde nicht nur eine Identität gefälscht, ein Ermittler wurde eingesetzt, um sich mit uns anzufreunden."

 

Die Südwest-Grünen verlangen jetzt mit einer Landtagsanfrage Aufklärung: Ziel des Einsatzes sei angeblich die antifaschistische Szene gewesen - faktisch sei der Ermittler aber vor allem in Bildungsstreikkreisen oder auch in der Anti-Atom-Bewegung unterwegs gewesen. Unklar sei, wer ausspioniert wurde, welche Informationen weitergegeben wurden und was mit diesen geschehen ist, so die Heidelberger Abgeordnete Theresia Bauer. "Mit dem Antrag wollen wir zumindest etwas Klarheit über diese Fragen bekommen." Zu klären sei auch, ob der Einsatz überhaupt rechtmäßig war.

 

Nach dem Polizeigesetz ist der Einsatz verdeckter Ermittler "zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung" erlaubt. Vor bald 20 Jahren hatte ein Tübinger Fall Schlagzeilen gemacht: Zwei Beamte waren 1992 aufgeflogen, mehr als ein Jahr hatten sie die linke Szene ausgespäht.