Als Spitzel enttarnt

Können diese Augen lügen? LKA-Ermittler »Simon Brenner« Foto: indymedia
Erstveröffentlicht: 
18.12.2010

Das LKA Baden-Württemberg forscht mit Geheimdienstmethoden die linke Szene in Heidelberg aus. Grüne und Rote Hilfe verlangen Aufklärung von Innenminister Rech  Von Claudia Wangerin

 

Über verdeckte Ermittlungen reden wir grundsätzlich nicht«, sagt LKA-Pressesprecher Horst Haug. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg will weder bestätigen noch dementieren, was »Simon Brenner« schon vor einer Woche zugegeben hat: Als verdeckter Ermittler hatte er im Frühjahr 2010 begonnen, sich in verschiedenen linken Studentengruppen in Heidelberg zu engagieren, wo er in den Fächern Soziologie und Ethnologie an der Universität eingeschrieben war. Womöglich unter falschem Namen.

 

Sein Einsatz sei »von langer Hand geplant«, sein Zielgebiet »insbesondere der Bereich Antifa« gewesen. Er habe dafür eine Sonderschulung absolviert, sagte der LKA-Spitzel, als ihn eine der betroffenen Gruppen nach seiner Enttarnung durch eine Urlaubsbekanntschaft am 12. Dezember zur Rede stellte. In regelmäßigen Dienstbesprechungen sowohl mit dem Heidelberger Staatsschutz als auch mit dem LKA habe er Namen und Informationen über Personen aus der linken Szene weitergegeben. Einen konkreten Straftatbestand hatte er nicht aufzuklären. Rein rechtlich erfordert der Einsatz verdeckter Ermittler durch die Polizei die Benennung eines konkreten Tatverdachts und einer Zielperson, die namentlich genannt werden muß. Statt dessen forschte »Simon Brenner« ein ganzes politisches Milieu aus.

 

Im Lauf des Jahres zeigte der angeblich 1986 geborene Student Interesse für nahezu alle denkbaren Felder linker Politik, beteiligte sich an Aktionen antifaschistischer Gruppen und der Antiatombewegung, nahm an den Bildungsprotesten ebenso teil wie am »No-Border-Camp« in Brüssel. Bei den Anticastorprotesten im Wendland soll er in die Organisation der Süd-Blockade involviert gewesen sein. Er wirkte unaufdringlich; sein Auftreten war soft (siehe Interview).

 

Um Aufklärung bemühen sich zur Zeit sowohl die baden-württembergische Landtagsfraktion der Grünen als auch die Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe e.V. Deren Bundesvorstand sieht durch das geheimdienstliche Ausspähen linker Gruppen durch das LKA das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst verletzt und verlangt vom LKA und der Polizeidirektion Heidelberg eine Stellungnahme über den Umfang und das Ziel des Spitzeleinsatzes. »Wir fordern den baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech auf, der Öffentlichkeit zu erklären, mit welcher Berechtigung staatliche Behörden legal arbeitende linke Strukturen durch verdeckte Ermittler der Polizei überwachen lassen«, heißt es in einer Erklärung der Roten Hilfe. Für die Landtagsfraktion der Grünen hat der Abgeordnete Ulrich Schkerl am Freitag eine parlamentarische Initiative eingereicht, um den Sachverhalt zu klären. Nicht zuletzt ist die Frage offen, ob und wenn ja in wie vielen anderen Städten Beamte under cover im Einsatz sind.

 

Bereits 1992 waren in Baden-Württemberg verdeckte Ermittler aufgeflogen. In der linken Szene in Tübingen hatte sich einer von ihnen seiner schwangeren Freundin offenbart. Der damalige Grünen-Politiker Tobias Pflüger sprach in diesem Zusammenhang von einer »Spätzle-Stasi«.