Freiburg vor dem Gipfelsturm – Händler verärgert

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Erstveröffentlicht: 
08.12.2010

Gesperrte Straßen, verärgerte Einzelhändler: Der deutsch-französische Gipfel wirbelt Freiburg durcheinander. Das Treffen von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ruft zahlreiche Gipfel-Gegner auf den Plan. Die Polizei ist gerüstet.

 

Der Countdown läuft: Am Freitag ist Gipfeltag mit Freiburgs Altstadt als Kulisse. Staatspräsident Nicholas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel samt einer großen Entourage an Ministern werden erwartet. Der Münsterplatz erlebt einen Staatsempfang, im Rathaus wird getagt und im Historischen Kaufhaus später getafelt. Verärgert über den Gipfeltermin im Advent sind Innenstadt-Einzelhändler, die Einbußen befürchten.

Am Mittwoch ging’s schon los: Da mussten die Mitarbeiter der Ratsfraktionen von Unabhängigen Listen, SPD und CDU ihre Büros und Sitzungszimmer im Rathaus räumen. "Die Räume werden für bilaterale Gespräche gebraucht", erzählt Irene Vogel von den Unabhängigen Listen und wundert sich, dass die Kurzzeit-"Zwischenmieter" sogar eigene Drehstühle mitbringen. Das ist aber wohl die Ausnahme: "Zu 95 Prozent wird unser Mobiliar eingesetzt", berichtet Günter Burger, städtischer Protokollchef, der in Ad-hoc-Manier den Gipfel mit auf die Beine gestellt hat. Es blieben nur vier Wochen Vorlauf und nicht neun Monate wie im Jahr 2001, als Freiburg an einem Junitag mit Postkartenwetter als Gipfelstadt debütierte.

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Angela Merkel bezieht das Trauzimmer


Wie schon damals kommt der Historische Ratssaal zu Ehren: Hier tagen die Bundeskanzlerin und der Staatspräsident. Für beide wurde noch je ein separates Büro eingerichtet: Präsident Sarkozy residiert in der Amtsstube von OB-Sprecher Walter Preker, Angela Merkel im Trauzimmer. Trauungen wurden wegen des Trubels und der Sicherheitsvorkehrungen verlegt worden, etwa ins Haus zur Lieben Hand. Das Gros der Rathausmitarbeiter wird in Urlaub geschickt. Arbeiten darf dagegen Oberbürgermeister Dieter Salomon, mit prominenten Zimmernachbarn auf seinem Flur.

Offiziell beginnt der Gipfel um 11 Uhr mit dem Empfang der Gäste mit militärischen Ehren durch das Wachbataillon der Bundeswehr auf der Münsterplatz-Südseite. Wer den Staatsempfang als Zuschauer miterleben will, einige Plätze gibt es am auf der West- und Ostseite des Münsterplatzes.

Nach dem Empfang werden Sarkozy und Merkel auf Wunsch der Bundeskanzlerin noch das Münster besuchen und in der Kathedrale von Erzbischof Robert Zollitsch begrüßt. Kurz darauf gehen die deutsche Regierungschefin und der französische Staatspräsident via Rathausgasse zum Rathausplatz, vorbei am Weihnachtsmarkt. Im Rathaus werden sich die Staatsgäste ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Nach Konsultationen und Pressekonferenz im Theater wird im Historischen Kaufhaus ein weihnachtliches Drei-Gänge-Menü aus der Colombi-Küche serviert, eher französisch geprägt, wie Hotelier Roland Burtsche verrät.

Greenpeace demonstriert am Martinstor


Der Gipfel und seine Gäste provoziert aber auch einigen Protest: Bereits am Donnerstag, 18 Uhr demonstriert Greenpeace gegen die Atompolitik von Merkel und Sarkozy: "Ihr macht nur Atommüll, das ist doch der Gipfel",werden die Umweltschützer ans Martinstor projizieren und fordern: "Tore auf für die Sonnenenergie". Am Freitag um 13.30 Uhr veranstaltet die Partei "Die Linke" eine Demo auf dem "Platz der Alten Synagoge" mit dem Motto: "Résistance! Widerstand! Für ein soziales und friedliches Europa".

Um 11 Uhr will sich die linksextreme Szene zum "Carnaval de Résistance" am Bertoldsbrunnen versammeln. Diese Demonstration ist nicht angemeldet – die Autonomen versuchen ihre Leute zu mobilisieren. Im Internet werden bereits die Nummern von Demosanitätern bekannt gegeben, was wenig Gutes ahnen lässt. Die Polizei hofft dennoch, dass die Proteste friedlich bleiben: Bei Sachbeschädigungen und andere Straftaten, das Werfen von Gegenständen und Angriffe gegen Personen werde die Polizei eingreifen, so Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid. Rund 1000 Polizisten werden für Sicherheit sorgen.

Einzelhandel erwartet Verlustgeschäft


In der Innenstadt gibt es unterschiedliche Reaktionen auf den Auflauf von Staatsgästen, Polizisten und Demonstranten. Am Goethe-Gymnasium am Holzmarkt , zum Beispiel, bleibt man gelassen und hält ganz normal Unterricht ab. Es habe keine negative Rückmeldung von den Eltern gegeben, berichtet Direktorin Ursula Paravicini. Gar nicht begeistert ist dagegen Freiburgs Innenstadt-Einzelhandel über das Politikevent.

Peter Esser vom Hifimarket Esser an der Gauchstraße klagt, der Gipfel würde ihn zwingen, an einem umsatzstarken Vorweihnachtsmarkt den Laden geschlossen zu halten, weil weder Auslieferungen noch Anfahrten durch Kunden möglich sein werden. "Mit maximal 30 Prozent" der eigentlich zu erwartenden Kundschaft rechnet Olaf Kather, Geschäftsführer von Karstadt Freiburg, der ebenfalls verärgert ist über den Termin an einem Adventsfreitag, an dem die Innenstadt normalerweise brummt. Er schätzt, dass der Gipfel dem Einzelhandel in der Innenstadt Einsatzeinbußen von rund zwei Millionen Euro einbringt, weil die Kunden an dem Tag anderswo die Kasse klingeln lassen. Hätte man früher vom Gipfeltermin gewusst, hätte die Stadt ja überlegen können, die Geschäfte statt an dem Freitag einfach am Sonntag zu öffnen.

Das Lamento der Einzelhändler kann Bernd Dallmann, Chef der Freiburg Wirtschaft und Touristik, überhaupt nicht verstehen: "Das ist zu kurzfristig gedacht", findet er. Die Stadt werde vom Politikertreffen und der Berichterstattung profitieren – dafür könnten Einschränkungen an einem Tag hingenommen werden.

VORSICHT, GIPFEL!


Einschränkungen, vorübergehende Absperrungen bis 17 Uhr: Südseite des Münsterplatzes, Kaiser-Joseph-Straße zwischen Siegesdenkmal und Bertoldsbrunnen, Rathausgasse, beschränkter Zugang zum Weihnachtsmarkt. Auch der Rotteckring kann zeitweise gesperrt werden. Der Münstermarkt beschränkt sich auf die Nordseite des Platzes. Öffentlicher Nahverkehr ist in der Innenstadt eingeschränkt: Straßenbahnen enden am Schwabentor, Holzmarkt, Siegesdenkmal und auf der Stadtbahnbrücke. Betroffen sind auch die VAG-Busse11, 10 und 14, 17, 27, 31 und 32 sowie die Linien 7200, 7206 und 7212 sowie 201 im Regionalverkehr.