Gesperrte Straßen, verärgerte Einzelhändler: Der deutsch-französische
Gipfel wirbelt Freiburg durcheinander. Das Treffen von Angela Merkel und
Nicolas Sarkozy ruft zahlreiche Gipfel-Gegner auf den Plan. Die Polizei
ist gerüstet.
Der Countdown läuft: Am Freitag ist Gipfeltag mit Freiburgs Altstadt als
Kulisse. Staatspräsident Nicholas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela
Merkel samt einer großen Entourage an Ministern werden erwartet. Der
Münsterplatz erlebt einen Staatsempfang, im Rathaus wird getagt und im
Historischen Kaufhaus später getafelt. Verärgert über den Gipfeltermin
im Advent sind Innenstadt-Einzelhändler, die Einbußen befürchten.
Am Mittwoch ging’s schon los: Da mussten die Mitarbeiter der
Ratsfraktionen von Unabhängigen Listen, SPD und CDU ihre Büros und
Sitzungszimmer im Rathaus räumen. "Die Räume werden für bilaterale
Gespräche gebraucht", erzählt Irene Vogel von den Unabhängigen Listen
und wundert sich, dass die Kurzzeit-"Zwischenmieter" sogar eigene
Drehstühle mitbringen. Das ist aber wohl die Ausnahme: "Zu 95 Prozent
wird unser Mobiliar eingesetzt", berichtet Günter Burger, städtischer
Protokollchef, der in Ad-hoc-Manier den Gipfel mit auf die Beine
gestellt hat. Es blieben nur vier Wochen Vorlauf und nicht neun Monate
wie im Jahr 2001, als Freiburg an einem Junitag mit Postkartenwetter als
Gipfelstadt debütierte.
Angela Merkel bezieht das Trauzimmer
Wie schon damals kommt der Historische Ratssaal zu Ehren: Hier tagen die
Bundeskanzlerin und der Staatspräsident. Für beide wurde noch je ein
separates Büro eingerichtet: Präsident Sarkozy residiert in der
Amtsstube von OB-Sprecher Walter Preker, Angela Merkel im Trauzimmer.
Trauungen wurden wegen des Trubels und der Sicherheitsvorkehrungen
verlegt worden, etwa ins Haus zur Lieben Hand. Das Gros der
Rathausmitarbeiter wird in Urlaub geschickt. Arbeiten darf dagegen
Oberbürgermeister Dieter Salomon, mit prominenten Zimmernachbarn auf
seinem Flur.
Offiziell beginnt der Gipfel um 11 Uhr mit dem Empfang der Gäste mit
militärischen Ehren durch das Wachbataillon der Bundeswehr auf der
Münsterplatz-Südseite. Wer den Staatsempfang als Zuschauer miterleben
will, einige Plätze gibt es am auf der West- und Ostseite des
Münsterplatzes.
Nach dem Empfang werden Sarkozy und Merkel auf Wunsch der
Bundeskanzlerin noch das Münster besuchen und in der Kathedrale von
Erzbischof Robert Zollitsch begrüßt. Kurz darauf gehen die deutsche
Regierungschefin und der französische Staatspräsident via Rathausgasse
zum Rathausplatz, vorbei am Weihnachtsmarkt. Im Rathaus werden sich die
Staatsgäste ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Nach Konsultationen
und Pressekonferenz im Theater wird im Historischen Kaufhaus ein
weihnachtliches Drei-Gänge-Menü aus der Colombi-Küche serviert, eher
französisch geprägt, wie Hotelier Roland Burtsche verrät.
Greenpeace demonstriert am Martinstor
Der Gipfel und seine Gäste provoziert aber auch einigen Protest: Bereits
am Donnerstag, 18 Uhr demonstriert Greenpeace gegen die Atompolitik von
Merkel und Sarkozy: "Ihr macht nur Atommüll, das ist doch der
Gipfel",werden die Umweltschützer ans Martinstor projizieren und
fordern: "Tore auf für die Sonnenenergie". Am Freitag um 13.30 Uhr
veranstaltet die Partei "Die Linke" eine Demo auf dem "Platz der Alten
Synagoge" mit dem Motto: "Résistance! Widerstand! Für ein soziales und
friedliches Europa".
Um 11 Uhr will sich die linksextreme Szene zum "Carnaval de Résistance"
am Bertoldsbrunnen versammeln. Diese Demonstration ist nicht angemeldet –
die Autonomen versuchen ihre Leute zu mobilisieren. Im Internet werden
bereits die Nummern von Demosanitätern bekannt gegeben, was wenig Gutes
ahnen lässt. Die Polizei hofft dennoch, dass die Proteste friedlich
bleiben: Bei Sachbeschädigungen und andere Straftaten, das Werfen von
Gegenständen und Angriffe gegen Personen werde die Polizei eingreifen,
so Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid. Rund 1000 Polizisten werden für
Sicherheit sorgen.
Einzelhandel erwartet Verlustgeschäft
In der Innenstadt gibt es unterschiedliche Reaktionen auf den Auflauf
von Staatsgästen, Polizisten und Demonstranten. Am Goethe-Gymnasium am
Holzmarkt , zum Beispiel, bleibt man gelassen und hält ganz normal
Unterricht ab. Es habe keine negative Rückmeldung von den Eltern
gegeben, berichtet Direktorin Ursula Paravicini. Gar nicht begeistert
ist dagegen Freiburgs Innenstadt-Einzelhandel über das Politikevent.
Peter Esser vom Hifimarket Esser an der Gauchstraße klagt, der Gipfel
würde ihn zwingen, an einem umsatzstarken Vorweihnachtsmarkt den Laden
geschlossen zu halten, weil weder Auslieferungen noch Anfahrten durch
Kunden möglich sein werden. "Mit maximal 30 Prozent" der eigentlich zu
erwartenden Kundschaft rechnet Olaf Kather, Geschäftsführer von Karstadt
Freiburg, der ebenfalls verärgert ist über den Termin an einem
Adventsfreitag, an dem die Innenstadt normalerweise brummt. Er schätzt,
dass der Gipfel dem Einzelhandel in der Innenstadt Einsatzeinbußen von
rund zwei Millionen Euro einbringt, weil die Kunden an dem Tag anderswo
die Kasse klingeln lassen. Hätte man früher vom Gipfeltermin gewusst,
hätte die Stadt ja überlegen können, die Geschäfte statt an dem Freitag
einfach am Sonntag zu öffnen.
Das Lamento der Einzelhändler kann Bernd Dallmann, Chef der Freiburg
Wirtschaft und Touristik, überhaupt nicht verstehen: "Das ist zu
kurzfristig gedacht", findet er. Die Stadt werde vom Politikertreffen
und der Berichterstattung profitieren – dafür könnten Einschränkungen an
einem Tag hingenommen werden.
VORSICHT, GIPFEL!
Einschränkungen, vorübergehende Absperrungen bis 17 Uhr:
Südseite des Münsterplatzes, Kaiser-Joseph-Straße zwischen
Siegesdenkmal und Bertoldsbrunnen, Rathausgasse, beschränkter Zugang zum
Weihnachtsmarkt. Auch der Rotteckring kann zeitweise gesperrt werden.
Der Münstermarkt beschränkt sich auf die Nordseite des Platzes. Öffentlicher Nahverkehr
ist in der Innenstadt eingeschränkt: Straßenbahnen enden am
Schwabentor, Holzmarkt, Siegesdenkmal und auf der Stadtbahnbrücke.
Betroffen sind auch die VAG-Busse11, 10 und 14, 17, 27, 31 und 32 sowie
die Linien 7200, 7206 und 7212 sowie 201 im Regionalverkehr.