Bundesverteidigungsminister über die Bedeutung der WikiLeaks-Veröffentlichungen für Militäreinsätze
Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Rolf Clement
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg äußert sich Veröffentlichungen bei WikiLeaks und deren Bedeutung für militärische Einsätze. Ferner spricht er über die Wehrpflicht und einen möglichen Freiwilligendienst, bei dem ein Bonussystem denkbar wäre.
Rolf Clement:
Herr Minister zu Guttenberg, wenn der Verteidigungsminister sich jetzt
mit amerikanischen Diplomaten trifft - nach der Veröffentlichung von
WikiLeaks - sprechen Sie mit denen eigentlich noch vertraulich und
offen?
Karl-Theodor zu Guttenberg:
Ich glaube, wir haben in den letzten Jahrzehnten ein so offenes,
vertrauliches und auch freundschaftliches Verhältnis zwischen diesen
beiden unseren Staaten aufgebaut, dass wir mit einer gewissen
Gelassenheit auch an diese Veröffentlichungen herangehen sollten. Es
ist nichts Ungewöhnliches, dass Botschafter in ihre Hauptstätte
berichten. Und nicht alles, was aufgeschrieben wurde, ist in meinen
Augen jetzt, was das deutsch-amerikanische Verhältnis anbelangt,
bereits als Skandal zu bezeichnen.
Clement:
Aber wenn man nach Afghanistan guckt und sich das eine oder andere
durchliest, was über da berichtet wird: Hat das nicht auch irgendwann
Auswirkungen auf die Einsätze?
zu Guttenberg:
Das ist eine Problematik, die generell mit WikiLeaks zusammenhängt. Ich
glaube, dass wir hier schon mit sehr viel Sorge und einer eben solchen
Wachsamkeit beobachten sollten, wie sich das weiter entwickelt. Ich
halte es für fatal, dass es solche Veröffentlichungen in dieser Form
gibt, weil, dass vertrauliche Gespräche stattfinden können, steht außer
Frage, aber dass die Vertraulichkeit dann letztlich über solche
Instrumente weltweit offengelegt wird, kann ein Gefährdungspotential
bedeuten an den unterschiedlichsten Orten dieser Erde. Und da ist nicht
nur der Blick nach Afghanistan zu richten, sondern auch in ganz andere
Bereiche.
Clement: Aber bleiben
wir mal bei Afghanistan und gehen weg von WikiLeaks. Sie planen in der
kommenden Woche einen Fortschrittsbericht über die Zustände in
Afghanistan und den dortigen Einsatz zu veröffentlichen. Können Sie uns
denn schon sagen, was da drin stehen wird?
zu Guttenberg:
Wir wollen den ja erst mal veröffentlichen, diesen Fortschrittsbericht.
Der ist in der abschließenden Verantwortung des Auswärtigen Amtes, und
insofern soll er auch in dieser Federführung vorgestellt werden. Was
man allerdings sagen kann und was wichtig ist, ist, dass es sich um
einen schnörkellosen Bericht handeln wird in einer Form, dass man nicht
nur auf die Erfolge hinweist, sondern dass man auch deutlich macht, in
welchen Bereichen noch Verbesserungsbedarf gegeben ist, wo es Defizite
gibt. Es werden eben so die Problembereiche Drogenanbau und Korruption
aufgeführt - wie die Punkte, wo wir einfach noch Schritte vorangehen
müssen. Und ich kann für meinen Teil sagen, den ich mit zu verantworten
habe, was die militärische Ausbildung beispielsweise anbelangt, dass
wir hier weiter sind, als wir eigentlich avisiert hatten zu diesem
Zeitpunkt, aber dass wir noch viele, viele Kräfte auch investieren
müssen.
Clement: Wie sehen denn die Bedingungen aus, die erfüllt sein müssen, bis man an einen Abzug denken kann?
zu Guttenberg:
Zunächst einmal ist wichtig, dass wir einen weiteren erfolgreichen
Aufwuchs afghanischer Sicherheitskräfte haben und dass eine enge
erfolgreiche Abstimmung da mit unseren Alltagspartnern und mit der
afghanischen Regierung stattfindet. Wir haben eine Zielsetzung, bis
Ende 2011 über 300.000 afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet zu
haben. Hier sind wir, was den militärischen Aspekt anbelangt, auf gutem
Wege, um diese so genannte "Übergabe in Verantwortung" darstellen zu
können, was heißt, dass man die Sicherheitsverantwortung an die
Afghanen übergibt, um dann schrittweise eben selbst die
Abzugsperspektive darstellen zu können. Dass wir gleichzeitig ein
gewisses Maß auch an Menschenrechtserfolgen sehen wollen, steht außer
Frage. Aber es war wichtig, endlich mal die Ziele auf ein realistisches
Maß herunterzuschrauben und sich nicht nur in Illusionen und
Traumbildern zu befinden.
Clement:
Aber wie verbindlich kann das denn eigentlich heute schon sein, wenn
man heute schon sagt: 2011 beginnen, 2014 Ende des Abzugs, zumindest
der Kampftruppen - wenn man im Prinzip gar nicht absehen kann, wie die
Lage vor Ort sich entwickelt in diesen drei Jahren?
zu Guttenberg:
Die Lage in Afghanistan war volatil und wird auch volatil bleiben. Und
deswegen ist es eine Zielmarke, die von Präsident Karzai vorgegeben
wurde, die die NATO aufgegriffen hat, und wo man aber immer auch
anzulegen hat den Ansatz: Es muss verantwortbar sein und es muss
letztlich auch den Zielen entsprechen, die man sich gesetzt hat.
Alleine mit einer Zahl zu sprechen, würde diesem Anspruch nicht gerecht
werden.
Clement: Hat Deutschland,
hat die NATO, auch die westlichen Staaten nicht ein elementares
geopolitisches Interesse an einer stärkeren, an einer langfristigen
Präsenz - gerade in diesen Krisenregionen Afghanistan, Pakistan, Iran?
zu Guttenberg:
Nicht nur Europa, sondern ich glaube, die ganze Weltgemeinschaft hat
ein Interesse daran, dass die größere Region dort nicht einer
dauerhaften Instabilität unterworfen ist. Und das ist ja auch eines der
Begründungsmuster, die wir immer heranzuziehen haben, dass ein
implodierendes, sich selbst überlassenes Afghanistan absehbar
Auswirkungen auf den Nachbarn Pakistan, auf die zentralasiatischen
Staaten, möglicherweise auch auf den Iran haben könnten - macht
deutlich, welches Gefährdungspotential letztlich in dieser Region
gegeben ist und weshalb es so wichtig ist, auch dort und über das Jahr
2014 hinaus mit einer gewissen zivilen, die möglicherweise nicht mit
Kampftruppen, aber in der internationalen Gemeinschaft vielleicht auch
noch militärischen Präsenz vor Ort zu sein.
Clement:
Sehen Sie denn die Defizite im Moment eher im zivilen Bereich, nachdem
Sie gesagt haben, die Ausbildung von Soldaten klappt ganz gut, die
Sicherheit bekommen Sie zunehmend in Griff?
zu Guttenberg:
Ja, das "zunehmend in Griff bekommen" ist natürlich auch
unterschiedlich ausgeprägt in ganz Afghanistan. Es gibt Bereiche, wo
wir noch vor sehr, sehr großen Herausforderungen stehen, wo sich die
Sicherheitslage auch verschärft hat, weil man natürlich auch präsenter
mittlerweile an Orten ist, wo die sogenannten Aufständischen sich
befinden und man versucht, ihnen die Rückzugsräume zu nehmen. Es sind
überall noch Hausaufgaben zu machen, das gilt für den zivilen Bereich
ebenso wie für den militärischen, das gilt für die Polizeiausbildung
ebenso wie beispielsweise in den Bereichen der Entwicklungshilfe. Aber
es ist wichtig, dass man sich eben erreichbare realistische Ziele
setzt. Und das ist, glaube ich, etwas, was in diesem Jahr besser
vorangekommen ist.
Clement: Ich
möchte mal den Begriff der erreichbaren Ziele aufgreifen und auf die
Bundeswehrreform kommen, Herr zu Guttenberg. Die Wehrpflicht wird
ausgesetzt, de facto - sagen einige - sie wird damit abgeschafft. Ich
will auf einen anderen Punkt. Was sagen Sie einem jungen Menschen -
männlich oder weiblich -, der gerade sein Abitur hat, einen
Studienplatz sicher hat, der gerade seine Ausbildung abgeschlossen hat,
einen Arbeitsplatz hat - warum soll er freiwillig für zwölf bis 23
Monate zur Bundeswehr kommen?
zu Guttenberg:
Ein freiwilliger Dienst kann sich für den jungen Menschen nur lohnen,
wenn es letztlich einen Mehrwert für ihn bringt, wenn es einen Mehrwert
für die Gesellschaft bringt, wobei ich dabei voraussetze, dass wir in
diesem Land auch noch mal ein gefestigteres Bewusstsein bekommen, dass
es sich lohnen kann, einen Dienst an der Gesellschaft zu leisten. Und
dafür müssen wir natürlich etwas anbieten, dafür müssen wir in dieser
Zeit ein attraktiver Arbeitgeber sein. Dafür müssen wir ein Arbeitgeber
sein, der einen jungen Menschen, der zu uns kommt, ein Angebot macht,
dass er besser ausgebildet und mit einer besseren Chance auch für das
weitere Leben eine Bundeswehr verlässt, als zu dem Zeitpunkt, als er in
sie eingetreten ist. Und diese Instrumente sind derzeit in der
Ausarbeitung. Hier gibt es einige Instrumente, die darzustellen sind,
ohne dass man sehr viel Kosten damit verbinden muss. Andere kosten
natürlich Geld.
Clement: Können Sie das schon sagen: Womit kann einer rechnen, wenn er denn kommt?
zu Guttenberg:
Also was wichtig ist, ist beispielsweise, dass man zunächst einmal in
einen Bereich hinein geht, dass man spezifische Angebote zur
Berufsförderung gibt, dass man Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen
anbietet, dass man natürlich auch einen Wehrsold-Zuschlag in den Blick
nimmt - vom ersten Monat an, dass man eine beidseitig kündbare
Probezeit innerhalb von sechs Monaten hat, so wie dass man einfach
insbesondere in den Bereichen, wo man Ausbildungsmöglichkeiten schaffen
kann, besser wird.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der, wenn
man ein solches Jahr oder mehr als ein Jahr ableistet, dass man
beispielsweise, etwa wenn man dann ein Studium antreten will, einen
Bonus haben könnte im Vergleich zu jenen, die das nicht getan haben.
Und das gilt ja nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für den
Zivildienst - eben für freiwillige Dienste generell. Hier sind aber
natürlich auch die Länder gefragt, das kann der Bund nicht alleine
machen, weil das Punkte sind, die in der jeweiligen
Zuständigkeitshoheit der Länder bestehen.
Clement: Was glauben Sie denn bei den Ländern, wären die bereit, da mitzugehen?
zu Guttenberg:
Ich höre sehr positive Stimmen, und Gott lob auch über die
Parteigrenzen hinweg. Es gibt Ansätze, wo man darüber nachdenkt, dass
man etwa Verifizierungen den jungen Menschen gibt über die Ausbildungs-
und Fortbildungsmaßnahmen, die sie gemacht haben, es gibt Ansätze, wo
man dieses Bonussystem tatsächlich auch einrichten will. Und ich finde,
wir sollten das mit großem Nachdruck und so zügig wie möglich auch
angehen, weil darin besteht wirklich eine große Chance, auch diesen
Grundsatz, seinem Land etwas zurückzugeben, seinem Land zu dienen -
oder "tue was für das Land" auch gerecht zu werden.
Clement:
Ein weiterer Punkt, den Sie da anpacken wollen, ist die Frage der
Organisation der Ausrüstung der Bundeswehr. Man erfährt nun, dass Sie
sich am Freitag getroffen haben mit Vertretern der Rüstungsindustrie.
Was haben Sie mit denen vereinbart?
zu Guttenberg:
Zunächst einmal ist es unbestreitbar so, dass wir in der Frage der
Ausrüstung und der Beschaffungsprozesse sehr viel besser werden müssen
als wir es in den letzten Jahrzehnten - wenn man so will - waren. Hier
hat sich vieles verhärmt, wir haben teilweise unsäglich lange und sich
verlängernde Prozesse. Es wird in der Regel exorbitant teuer und teurer
über den Lauf der Zeit hinweg. Und es sind manchmal wirklich absurde
Gestaltungen, die Einzug gehalten haben. Und hier hat in der Industrie
eine entsprechende Nachbesserung stattzufinden, aber auch bei uns im
Hause. Und deswegen werden die strukturellen Überlegungen auch hier
angelegt. Und deswegen gilt es auch, sich in der Hinsicht zum Nutzen
aller Beteiligten sich abzustimmen. Allerdings ist es dabei auch
wichtig, dass man auch hier einen realistischen Blick bewahrt.
Clement:
Nun liest man an diesem Wochenende, dass Sie in dem Gespräch der
Rüstungsindustrie auch Milliardenzugeständnisse gemacht haben bezüglich
des Airbus A400M, des Militärtransporters, wie wegen der europäischen
Drohne Talarion.
zu Guttenberg:
Also, es ist hochinteressant, was man gelegentlich einem geschriebenen
Ansatz entnehmen kann. Faktisch ist es so, dass ich zu dem,
insbesondere zu letzterem Ansatz nur sagen kann, dass ich mich zu
meinen Entscheidungen niemals durch eine mediale Druckkulisse hinreißen
lasse, sondern dass das auf Substanz aufzubauen hat. Und die Substanz
in der Darstellung hat zunächst einmal diese Industrie zu liefern. Und
deswegen gibt es in der Hinsicht überhaupt keine Vorentscheidung. Es
ist fraglos so, dass wir Systeme benötigen, die insbesondere auch im
Bereich der unbemannten fliegenden Luftfahrt sich bewegen. Aber hier
sind unterschiedliche Wege auch denkbar, beziehungsweise auch Wege
denkbar, wo wir kurzfristig zu Ergebnissen kommen. Hier denke ich
beispielsweise, dass man sehr viel offener auch Mal von der Industrie
abverlangen kann, dass sie über Möglichkeiten des Lizenzbaus mit
marktverfügbaren Produkten nachdenkt, damit man gewisse Lücken auch
schließen kann. Und wenn es um langfristige Ansätze geht in diesem
Bereich, und da sprechen wir dann von Punkten, wo die Industrie ja
selbst mit sehr viel Stolz auch sagt, das sind Dinge, die nicht nur
militärisch sich auszahlen werden, sondern eben auch im zivilen
Bereich, dann, glaube ich, brauchen wir auch einen gesamtstaatlichen
Ansatz, beispielsweise mit enger Zusammenarbeit auch mit den anderen
Ressorts mit Blick auf diese zivile Nutzung und Technologie.
Clement: Also keine Festlegung bis jetzt auf das System Talarion?
zu Guttenberg:
Es gibt von meiner Seite zu keinem Zeitpunkt eine öffentlich geäußerte
Festlegung darauf. Es ist auch mit Blick auf den deutsch-französischen
Gipfel so, dass wir natürlich - wie mit anderen auch - unsere
Rüstungszusammenarbeit intensivieren werden, aber ohne, dass wir uns
bezüglich irgendeiner Sache spezifisch geäußert hätten.
Clement:
Herr Minister zu Guttenberg, Reformen kosten immer Geld. Es war im
Sommer davon die Rede, dass Sie 8,3 Milliarden bis 2014 im
Verteidigungshaushalt einsparen müssen. Die Zahl hat man seit dem
Sommer eigentlich nicht mehr gehört. Welche Zahl hören Sie denn intern
zurzeit? Wie viel müssen Sie denn noch einsparen?
zu Guttenberg:
Das ist jetzt noch abhängig von den Entscheidungen, die wir treffen
werden im Kabinett und dann natürlich auch mit Unterstützung der
Bundestagsfraktionen, nämlich welche Gesamtzahl wir als Zielmarke der
Bundeswehrstruktur ansteuern. Und hier habe ich ja eine Zahl genannt,
die auch aus dem Diskussionsverlauf, der Debattenlage der letzten
Wochen und Monate entsprungen ist, dass ich mir vorstellen kann,
zwischen 180.000 bis 185.000 Soldatinnen und Soldaten am Ende des Tages
zu haben. Das unterscheidet sich signifikant von der Minimallinie, die
ich mit 163.500 ich glaube einfach verantwortungsvoll aufgezeigt habe,
um mal zu sagen, da dürfen wir nicht drunter fallen, aber das ist eine
Linie und ich habe die Maximallinie aufgezeichnet, und das muss dann
auch substantiell finanziert werden. Und deswegen ist es immer daran
gekoppelt, dass wir, sowohl was Attraktivität anbelangt als auch was
die künftigen Kosten, die mit einer solchen Zahl verbunden sind, dass
auch darstellen können. Die Debatte hat sich ja gedreht in den letzten
Wochen und Monaten dahingehend, dass klar geworden ist: Wir wollen
keine Bundeswehr nach Kassenlage. Wir wollen auch nicht fragen, was
können wir uns künftig noch leisten, sondern es geht darum, was ist uns
die Sicherheit in diesem Lande wert. Und dazu müssen wir einen Beitrag
leisten.
Clement:Aber Sie müssen
doch Signale haben. Sie planen mit 185.000. Die freiwillig Dienenden
bekommen mehr Geld. Wie viele freiwillig Dienende haben Sie in Dresden
als Zahl auch nicht mehr genannt. Es muss mehr Attraktivität geben. Wo
kann das auskommen? Wie viel Einsparvolumen haben Sie denn noch?
zu Guttenberg:
Also zunächst einmal, was die freiwillig Dienenden anbelangt, kann ich
mir sehr wohl vorstellen, dass wir hier eine fünfstellige Zahl
erreichen können. In dieser Minimalrechnung, die der Generalinspekteur
vorgestellt hatte, war von 7500 die Rede. Ich glaube und bin überzeugt
davon, dass wir das deutlich überschreiten können, aber dass wir uns
auch eine gewisse Flexibilität gönnen und auch darstellen sollten, weil
es immer wieder auch nötig sein kann, dass man in dem einen oder
anderen Bereich etwas ausgleichen muss.
Dass eine große Reform
von diesem Umfang einer Anschubfinanzierung bedarf, steht glaube ich
außer Frage. Wir werden aber mittelfristig gerade durch den Abbau von
ja immer noch Zehntausenden Soldatinnen und Soldaten künftig auch
Effizienzpotential erheben können. Weitere Potentiale stecken darin,
dass wir internationale Kooperation suchen. Ich habe gerade eine
Initiative im europäischen Rahmen angestoßen in Gent, die wir jetzt
durch ein gemeinsames Einbringen mit den schwedischen Kollegen auch
noch mal jetzt in den nächsten zwei Wochen intensivieren werden
beziehungsweise noch einmal in eine nächste Folge bringen werden. Auch
hier sind Potentiale zu erheben. Die 8,4 Milliarden, von denen die Rede
war, sind mit einer Zahl von 180.000 bis 185.000 natürlich nicht
darstellbar. Ich hatte auf der Grundlage die Rechnung vorgenommen, habe
eine Minimalzahl genannt. Und auch damit hätten wir schon
Schwierigkeiten gehabt.
Clement: Wäre die Abschaffung des MAD eine wesentliche Einsparung?
zu Guttenberg:
Das war ein interessanter Vorschlag, der von wirklich überschaubarer
Weisheit getragen war, weil er - wenn man so will - eher mal aus der
Hüfte geschossen kam. Ich bin jemand, das hat sich wahrscheinlich
mittlerweile auch herumgesprochen, der keine Scheu vor größeren
Reformen hat und gerne auch selbstkritisch in die eigenen Bereiche
hineinblickt. Wenn wir allerdings über unsere Nachrichtendienste
sprechen, müssen wir über alle reden. Und da kann man nicht einfach mal
eine Rosine herauspicken und sagen, das ist jetzt ein wunderbarer
Aspekt, sondern es geht darum, dass die Dienste insgesamt einer
Betrachtung unterworfen werden. Und wenn man da zum Schluss kommt, dass
es Verbesserungsbedarf und Verbesserungspotential gibt, dann kann man
darüber reden. Wenn man allerdings nur eines herausgreift, ist es am
Rande des Populismus.
Clement:
Aber einen Minister, der einen einem eigenen Geschäftsbereich
zugehörenden Nachrichtendienst aufgibt, kann ich mir schwer vorstellen.
zu Guttenberg:
Wir haben sehr spezifische eigene Interessen, die auf den militärischen
Bereich auch zugeschnitten sind. Und diese Interessen müssen zwingend
gewahrt bleiben. Und gerade deswegen ist dieser Vorschlag auch so
himmelschreiend kurz gedacht. Wenn wir unsere Interessen wahren wollen,
dann muss es in einem Gesamtkonzept ebenso aufgehen. Dieses
Gesamtkonzept kann ich allerdings an keinem noch so schimmernden
Horizont erkennen. Und deswegen kann man diesen Ansatz zunächst einmal
in meinen Augen tunlichst beerdigen.
Clement:
Wir diskutieren zurzeit vor dem Hintergrund einer Terrorbedrohung, die
durch Erkenntnisse der Sicherheitsdienste nach Deutschland gebracht
worden ist. Welche Fähigkeiten hat die Bundeswehr, die sie in dieser
Situation jetzt einbringen könnte?
zu Guttenberg:
National sind wir den Grenzen unterworfen, die das Grundgesetz unserer
Verfassung uns setzt. Diese Grenzen sind bekannt und es wird auch nicht
so sein, dass unsere Streitkräfte zur Hilfspolizei gemacht werden.
Zunächst einmal hat die Bundeswehr ja - nicht nur in Afghanistan,
sondern andernorts - ja auch hier schon tätig Hilfe geleistet, dass der
Terror unser Land erst gar nicht erreicht. Das ist ein Ansatz, den wir
auch künftig nie ausschließen können.
Und das ist eine
Grundlage, die wir auch in meinen Augen, wenn es eine entsprechende
Fundierung durch die Vereinten Nationen oder durch ein gutes Mandat
hat, die wir dann auch ohne Frage rechtfertigen können. Was die Frage
Einsatz im Inland anbelangt, hier gibt es eine
Verfassungsrechtsprechung, hier gibt es die verfassungsrechtliche
Grundlage. Und die zu brechen ist mit Sicherheit nicht mein Ansinnen.
Wir können im Bereich der zivilmilitärischen Zusammenarbeit einige
Dinge machen. Aber das ist weniger im Zusammenhang mit der
Terrorbekämpfung zu sehen.
Clement:
Beim Katastrophenschutz, der ja unterhalb des Terroranschlags ist -
aber auch Terroranschläge können ja nachher in den Katastrophenschutz
hinein münden - haben Sie im Moment noch ein großes Potential an auch
Grundwehrdienstleistenden, die da mitwirken können. Sie haben gesagt,
künftig sollen hier die Reservisten stärker herangezogen werden. Wie
muss man sich das vorstellen? Werden Sie dann bei einer
Schneekatastrophe eine Teilmobilmachung ausrufen müssen?
zu Guttenberg:
Wir sind gerade dabei, diese neue Reservistenkonzeption zu entwerfen.
Und eine Schneekatastrophe wird ja nicht alleine von Reservisten
bewältigt werden, sondern wir dürfen ja nicht vergessen, dass wir
bestens ausgebildete freiwillige Berufs- und Zeitsoldaten auch künftig
haben werden und die überwältigende Mehrheit dieser Soldaten auch im
Inland sein wird. Und von daher muss jede Gestaltung dieser Szenarien
auch mit abgedeckt werden von den professionellen unseren Streitkräften
dienenden Soldaten. Aber - und das ist vollkommen richtig - unsere
Reservisten brauchen und wünschen mehr Verantwortung, gerade auch für
diesen Bereich, auch für andere Bereiche. Und deswegen wollen wir sie
in diesen Kontext besser einbinden. Wir wollen ihnen mehr Verantwortung
geben und klare Kommandostrukturen in dieser Hinsicht. Es gibt einige,
die sich bestens bereits organisiert haben. Es gibt andere, die ein
wenig noch von der Lagerfeuermentalität getragen sind, was nicht an der
Motivation des Einzelnen liegt, sondern manchmal an der Organisation
vor Ort. Und das wollen wir zwingend verbessern. Wir müssen unseren
Reservisten eine in dem Sinne neu definierte Rolle geben.
Clement:
Und dann können auch mehr Reservisten ihren Dienst absolvieren. Es gibt
ja zurzeit sicherlich auch die Diskussion darüber, dass einige, die
gerne würden, zurzeit keine Wehrübungsplätze kriegen.
zu Guttenberg:
Das ist ein Aspekt, den ich immer wieder höre. Ein anderer, der mir
Sorge bereitet und wo wir auch gesellschaftlich einiges tun müssen,
ist, dass Reservisten für ihre Wehrübungen oftmals Urlaub nehmen
müssen. Ich glaube, es muss in dieser Gesellschaft wieder auch der
Gedanke Platz greifen, dass, wenn ein Reserveübender in einem
Unternehmen ist, dass er ein Mann oder eine Frau ist, die Team- und
Führungsfähigkeiten in besonderer Weise mitbringen und eher eine
Bereicherung auch für den Betrieb sind. Und hier wünsche ich mir
schlechterdings etwas mehr Entgegenkommen auch seitens der Wirtschaft.
Bei Einigen funktioniert das bereits großartig, bei vielen anderen kann
es noch besser werden.
Clement:
Die öffentliche Präsenz der Bundeswehr wird ja auch abnehmen. Es gibt
keine öffentlichen Gelöbnisse mehr. Wir haben gerade auch davon
gesprochen, dass Sie auf der anderen Seite aber mehr Reservisten
brauchen würden. Wie wollen Sie denn in der Breite der Republik, also
dort, wo die Bundeswehr unter Umständen auch nicht mehr stationiert
ist, wie wollen Sie denn dort die Bundeswehr noch sozusagen auf die
Marktplätze bringen?
zu Guttenberg:
Zunächst einmal ist die Zielsetzung nicht die, dass wir ein
Stationierungskonzept vorlegen, das uns am Ende des Tages acht bis
fünfzehn Großstandorte in Deutschland beschert und das eine Präsenz in
der Fläche schon deswegen kaum mehr darstellen lässt, außer, es ist
irgendwo ein Notfall eingetreten. Das ist nicht die Zielsetzung und dem
müssen wir auch entgegenwirken. Deswegen wird es weiterhin eine klug
austarierte Präsenz in der Fläche geben. Die Entscheidung werden wir
allerdings nicht vor Mitte nächsten Jahres treffen können, weil das
sauber ausgeplant werden muss. Das ist der eine Ansatz.
Der
Zweite ist der: Selbst, wenn Gelöbnisse wegfallen, heißt das nicht,
dass man beispielsweise Vereidigungen nicht öffentlich stattfinden
lassen muss. Das kann man auch an den jeweiligen Plätzen in unserem
Lande darstellen. Und ich bin mir sehr sicher, dass das ebenso offen
und mit offenem Herzen angenommen wird, wie die Gelöbnisse heute. Und
dann hängt es an jedem Einzelnen von uns in der Gesellschaft wie auch
an den Soldatinnen und Soldaten, ob man bereit ist, mit einer gewissen
Selbstverständlichkeit dieses Leben als Soldat auch nach Außen zu
tragen. Das hat etwas damit zu tun, ob man sich scheut davor, eine
Uniform auch mal in der Öffentlichkeit zu tragen oder nicht. Es hat
etwas damit zu tun, ob man bereit ist, eine Diskussion auch über die
Pros und Kontras dieses Berufes zu führen, weil das, was die Soldaten
sich wünschen, ist schlechterdings mehr Anerkennung und mehr Rückhalt
in der Gesellschaft. Und den haben sie angesichts der Tatsache, dass
sie wirklich Leib und Leben für unsere Sicherheit riskieren, auch
verdient.
Clement: Herr Minister,
für diese Reform, für Ihre Reform, aber auch für die anderen Reformen
brauchen Sie Mehrheiten im Parlament, in beiden Kammern, Bundestag wie
Bundesrat. Im Bundestag haben Sie die, im Bundesrat stehen nächstes
Jahr im Superwahljahr 2011 sieben Landtagswahlen an. Wenn man sich die
Umfragen der Ersten anguckt - in Hamburg liegt die CDU zurzeit knapp
über 20 Prozent, in Baden-Württemberg ist sie auch nicht so stark, dass
sie da unbedingt zur Regierungsbildung gebraucht wird. Was muss die
Union tun, um ihre Politik weiterhin durchsetzen zu können?
zu Guttenberg:
Zunächst einmal unsere Arbeit. Wir müssen entscheidungs- und
durchsetzungsfähig sein. Wir müssen Entscheidungen treffen. Ich glaube,
wir sollten eben auch gerade nicht auf ein Superwahljahr schielen und
von Wahltag zu Wahltag rechnen und, je näher wir an die Wahltage
kommen, dann um so fahriger werden in unseren Grundaussagen. Das sind
Punkte, die die Menschen in unserem Lande eigentlich nicht mehr hören
können, sondern sie wollen eine Politik, die auch über Wahltage hinaus
reicht, die Perspektiven ausbildet. Und dann ist es wichtig, dass man
einfach eine Politik versucht zu gestalten, die über kluge
Kommunikationen und dann auch entsprechende Führung auf
Vertrauensbildung ausgerichtet ist. Sie haben Baden-Württemberg
genannt. Ich sehe Stefan Mappus beispielsweise hier auf einem sehr,
sehr guten Weg. Er hat auch meine volle Unterstützung. Es ist eben
wichtig, dass man kommuniziert, dass man zu den Menschen geht, dass man
auch komplexe Entscheidungen immer wieder herunterbricht auf seine
Kernelemente. Und ich glaube, in dieser Hinsicht kann man
Überzeugungsarbeit leisten. Wir hatten einen schwierigen Beginn dieses
Jahr und sind mittlerweile auf sehr viel besserem Weg.
Clement:
Hat die Union gewisse gesellschaftliche Entwicklungen verschlafen, zum
Beispiel im Zusammenhang mit dem, was sich um Stuttgart 21 und die
dortige Vermittlung von Heiner Geißler entwickelt hat?
zu Guttenberg:
Wir müssen uns insgesamt in der politischen Szenerie - wenn man das mal
so nennen darf - darum bemühen, dass wir gewissen Entscheidungsmuster,
die immer komplizierter geworden sind und manchmal über Jahre oder
Jahrzehnte ihren Weg nehmen, dass wir die mehr und deutlicher erklären,
dass wir, auch wenn das manchmal redundant klingen mag, dass wir uns
auch wiederholen, und dass wir auch uns immer wieder selbst überprüfen,
ist das noch relevant, ist das noch verantwortbar, ist es noch
darstellbar? Und das ist eine Teilaufgabe, die man hat, wenn man eben
auch über Wahltage hinaus denkt.
Weil es ist ja tatsächlich
so, dass viele von denen, die demonstriert hatten, beispielsweise zu
dem Zeitpunkt, wo damals Vorentscheidungen getroffen wurden, noch gar
nicht geboren waren. Und daran wird deutlich, welche Aufgabe man auch
hat im Bereich der Erklärungen und der Kommunikation.
Clement: Also Sie sind zuversichtlich für 2011?
zu Guttenberg:
Ich bin grundsätzlich ein zuversichtlicher und alles andere als
pessimistischer Mensch. Und wenn mal irgendwo an irgendeiner Stelle
etwas in die Binsen geht, sollte man deswegen nicht in Sack und Asche
gehen, sondern sollte einfach wirklich auch klug weiter arbeiten.
Clement: Herr Minister, einen schönen Geburtstagskaffee heute Nachmittag und einen schönen zweiten Advent.
zu Guttenberg:Danke Ihnen sehr. Ihnen auch.