Immer wieder machen angebliche oder tatsächliche Vorfälle in deutschen Gefängnissen Schlagzeilen, meistens jedoch interessieren sich Medien nicht für Entwicklungen hinter den Knastmauern. Heute soll es um Ereignisse in den Vollzugsanstalten Wuppertal (1.), Willich (2.), Aachen (3.) und zuletzt Bruchsal (4.) gehen.
1. JVA Wuppertal
Wie die Westdeutsche Zeitung am 31.07.2010 berichtete, sollen Gefangene über knapp zwei Jahre einen schwunghaften Handel mit Heroin betrieben haben. Eingebunden gewesen sei auch eine 51 Jahre alte Frau aus Solingen, zu der Gelder von Gefangene überwiesen worden seien.
Hierzu nahm kürzlich der Justizminister von Nordrhein-Westfalen in einer Sitzung des Rechtsausschusses des Landtages Stellung (Ausschussprotokoll APr 15/15 vom 08.09.2010). Angeklagt waren ein Ildefonso C., ein Salvatore A. und eine Bärbel S.. Auf das Konto von Frau S. seien mehrfach Gelder von Insassen der JVA Simonshöfen (Wuppertal) eingezahlt worden. Letztlich jedoch wurden Herr A., wie auch Frau S. vom Amtsgericht freigesprochen. Gegen Herrn C. konnte nicht verhandelt werden, da er zwischenzeitlich in sein Heimatland abgeschoben worden war.
2. JVA Willich
Die CDU meldete für die oben erwähnte Sitzung des Rechtsausschusses als Tagesordnungspunkt einen angeblichen Vorfall in der JVA Willich an. Danach habe der EXPRESS am 11.08.2010 berichtet, ein Wärter habe einem Inhaftierten für 10.000 Euro eine scharfe Pistole besorgt und säße deswegen mittlerweile in Untersuchungshaft.
Laut Berichterstattung des Justizministers Thomas Kutschaty habe ein Gefangener der JVA Willich I sich bei der Kriminalpolizei am 14.07.2010 gemeldet, um Angaben zu einer Flucht eines Gefangenen aus dem Jahr 2007 zu machen. Im Zuge der Vernehmung habe der Informant angegeben, ein Beamter habe sich ihm selbst gegenüber bereit erklärt für 10.000 Euro eine Pistole in die Anstalt zu bringen. Hierauf hin habe die Polizei am 20.07.2010 eine Übergabe einer Waffe, jedoch außerhalb der Gefängnismauern, fingiert.
An den Vortrag des Ministern schloss sich eine parteitaktische Diskussion im Rechtsausschuss über angebliche Verfehlungen der jeweiligen Regierungen in Bezug auf Sicherheit und Ordnung an.
Dr. Robert Orth (FDP) war es nicht einsichtig, weshalb es die SPD ablehne sämtliche Personen (also auch Wärter, Sozialarbeiter, etc.), die eine Anstalt betreten, durchsuchen zu lassen, so wie ja auch Stewardessen und Flugzeugkapitäne vor Betreten eines Flugzeugs durchsucht würden. Dem entgegnete die SPD, dass die bisherige Landesregierung von CDU / FDP fünf Jahre Zeit gehabt hätte genau dies einzuführen.
3. JVA Aachen
Gleichfalls von der CDU auf die Tagesordnung gesetzt wurde ein angeblicher Vorgang in der JVA Aachen, wo auch ein Vollzugsbeamter verhaftet worden sein soll, da er in Verdacht stünde Handys und Drogen in die Anstalt geschmuggelt zu haben. Zudem sei laut Rheinische Post (18.08.2010) ein Teil der Anstalt am 18. August von einem Großaufgebot der Polizei nach einer Waffe durchsucht worden. Ferner seien angeblich vier Wärter bei einer Schlägerei unter Gefangenen teilweise schwer verletzt worden; drei der Wärter so schwer, dass sie sich mehrtägig in einem Krankenhaus hätten behandeln lassen müssen.
Im Einzelnen bemerkte hierzu der Justizminister: Der Beamte, gegen den wegen Bestechlichkeit und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt werde, sei nicht festgenommen worden. Jedoch habe man am 09.08.2010 dessen Wohnung durchsucht. Mehr könne und wolle er aus Gründen der Ermittlungstaktik nicht sagen. Zur Zeit sei der Beamte dienstunfähig erkrankt.
Hinsichtlich der Suche nach einer Waffe habe es sich wie folgt verhalten. Am 11.08.2010 sei ein Gefangener der JVA Aachen auf Mitarbeiter des Sicherheits- und Ordnungsdienstes mit dem Hinweis zugekommen, ein Mitgefangener habe auf dem Außengelände der Anstalt eine Schusswaffe versteckt. Am Folgetag habe die Staatsanwaltschaft den Hinweisgeber als Zeugen vernommen. Die hiernach veranlasste Durchsuchung von Teilen der Anstalt habe jedoch nicht zu einem Waffenfund geführt.
4. JVA Bruchsal
Der immer wieder durch Gedanken und Einfälle hervortretende Leiter der JVA Bruchsal, Thomas Müller (http://de.indymedia.org/2010/01/270575.shtml) macht wieder von sich reden. Durften bis Juli 2010 Gefangene von Besucherinnen und Besuchern jeweils Schokolade (1 Tafel) bzw. Schokokekse (1 Rolle) und einen Beutel Tabak (wahlweise eine Schachtel Zigaretten) erhalten, zu kaufen in der Besuchsempfangsabteilung der JVA, welche dann die Gefangenen mit in die Zelle nehmen konnten, verbot er die Mitnahme der Süßigkeiten auf die Zelle.
Das Landgericht entschied am 05.10.2010 (Az. 151 StVK 119/10 des Landgericht Karlsruhe), dass diese Verfügung „rechtswidrig“ sei, d.h. das Verbot der Mitnahme der Süßigkeiten in die Zelle sei also nicht rechtmäßig.
Wie sah nun die Reaktion des leitenden Regierungsdirektor Müller aus? Wer sich ein bisschen im Strafvollzug auskennt wird es ahnen. Wer weniger damit zu tun hat, der / die mag überrascht sein. Jetzt verbot er auch noch die Mitnahme des Tabaks. Hierzu muss man wissen, dass viele Gefangene rauchen und sehr wenig verdienen. Da war bei zwei zuverlässigen Besuchen pro Monat jeweils einmal Tabak sehr willkommen und Entlastung für das schmale Budget. Etwas beleidigt klingend gab der Anstaltsleiter als Motivation an, es habe gerichtliche Klagen und Beschwerden gegeben. So hatten Eltern eines Mitglieds der Gefangenenvertretung im Justizministerium angerufen und sich beschwert, weshalb ihr Sohn die Süßigkeiten nicht mehr mit in die Zelle nehmen dürfe.
Andererseits, so eine Besuchsbeamtin, hätten sich auch schon Gefangene und Besucher beschwert, dass es sie finanziell überfordere Tabak / Süßigkeiten zu kaufen und es als ungerecht empfinden würden, wenn „vermögendere“ BesucherInnen den Gefangenen, die diese besuchten, Derartiges kaufen könnten.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass nun die Anstalt unter williger Mithilfe bspw. Von Peter L. - des 1. Sprechers der Gefangenenvertretung (einem verurteilten Sexualmörder, der sich aktuell um sie Verlegung in den offenen Vollzug bemüht) die Abschaffung des Tabaks versucht den Gefangenen, die sich zuvor über das Verbot der Mitnahme der Süßigkeiten in die Zelle beschwert hatten, gewissermaßen in die Schuhe zu schieben.
Beschwerden nimmt die Anstalt, insbesondere deren Leiter, also nicht zum Anlass in sich zu gehen und von Gerichten als rechtswidrig eingestufte Verfügungen aufzuheben, sondern für weitere Verschärfungen der Haftbedingungen.
Einige Gefangene reagieren wie die bekannten Pawlow'schen Hunde: d.h. Der Anstaltsleiter läutet mit dem Glöckchen und sie fangen an zu sabbern, sprich zu hetzen gegen jene, die sich zuvor (erfolgreich) beschwert hatten. Anstatt also den Herrn Direktor Müller als Verantwortlichen zu sehen, obwohl er ja die Verschärfung verfügte und jederzeit aufheben könnte, geraten Gefangene zu den Buhmännern.
Wer angesichts der Gegenstände, um die es geht, nun einwendet, es handele sich doch bloß um ein bisschen Tabak und Schokolade, die / der übersieht zum einen, dass es sich bei der Verbotsverfügung nur um einen Baustein von vielen handelt. In den letzten Jahren erließ Müller eine Vielzahl von solchen Einschränkungen, Verboten und Rücknahmen seit langer Zeit bewährter Regelungen.
Und zum anderen trifft die Gefangenen das Verbot finanziell. Ihnen stehen in vielen Fällen kaum mehr als 30 bis 60 Euro im Monat zur freien Verfügung, um sich Duschgel, Tee, Kaffee, Süßigkeiten und Tabak zu kaufen. Hier machte also das Besuchermitbringsel im monatlichen Gesamtwert von etwa 13 Euro einen Anteil von 20% – 40% des monatlichen Budgets aus und trug nicht unerheblich zur Entlastung bei, wenn die Besucher die Dinge am Besuchstor kauften.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie die zwischenzeitlich eingeschalteten Institutionen mit Müllers neuesten Gedanken und Einfällen umgehen. Vielleicht wenden sich ja noch andere Menschen an das Ministerium in Stuttgart.
Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA-Zelle 3113, Schönbornstraße 32, D-76646 Bruchsal
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