Spiegel: Polizisten fürchten Gewalteskalation bei Nato-Gipfel

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Erstveröffentlicht: 
02.04.2009

 

Vermummte Randalierer, Wurfgeschosse gegen Polizisten und zerborstene Scheiben - nach den Krawallen beim G-20-Treffen warnen Polizeigewerkschaften nun vor noch gewalttätigeren Protesten beim Nato-Gipfel in Frankreich und Deutschland. Sie drohen mit einer "Null-Toleranz-Strategie".

 

Osnabrück - Die Bilder von den teilweise gewaltsamen Ausschreitungen zum Auftakt des Londoner G-20-Gipfels gingen um die Welt. Bedrängte Polizisten inmitten aufgebrachter Demonstranten und zerborstene Scheiben von Bankfilialen - bei der deutschen Polizei lösen sie große Besorgnis aus. Denn direkt im Anschluss an das Treffen in London reisen die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder zu einem Treffen in die deutsch-französische Grenzregion.

 

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Tausende Gegendemonstranten werden zu dem Treffen erwartet - darunter, so fürchten Vertreter von Polizeigewerkschaften, auch gewaltbereite Autonome aus dem sogenannten schwarzen Block. Vor dem Hintergrund der Randale beim G-20-Treffen in London warnte der Vorsitzende der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Wirtschaftskrise habe die Stimmung der Kritiker gegen die führenden Industrienationen weiter angeheizt. "Wir müssen damit rechnen, dass die Proteste beim Nato-Gipfel deutlich aggressiver werden als in der Vergangenheit." Freiberg befürchtet außerdem, dass "reisende Gewalttäter den Protest der Friedensbewegung gezielt für Randale und brutale Übergriffe auf Polizisten missbrauchen könnten".

 

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sagte der Zeitung, die Krawalle von London seien "nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns beim Nato-Gipfel erwartet". Er warnte gewaltbereite Störer, dass die Polizei hart durchgreifen werde und sie notfalls auch vorbeugend in Haft nehme. "Eine zaghafte Einsatztaktik, die während des G-8-Gipfels 2007 in Rostock zur Eskalation der Lage geführt hat, wird es beim Nato-Gipfel nicht geben." Wer sich Platzverweisen widersetze oder die friedlichen Proteste erheblich störe, "sitzt für die Dauer des Gipfels in der Zelle", sagte Wendt. Krawallmachern werde mit einer "Null-Toleranz-Strategie" begegnet.

 

Das ARD-Morgenmagazin berichtete, im deutschen Gipfel-Ort Kehl stünden am zuständigen Amtsgericht zusätzliche Richter und Anwälte bereit, um bei möglichen Festnahmen zügige Verfahren zu ermöglichen.

 

Die Proteste gegen den G-20-Gipfel in London wurden am Mittwoch von einem Todesfall überschattet: Nach Polizeiangaben starb in einem Camp von Demonstranten unweit der Bank von England ein Mann. Zwei Beamte hatten den Mann nach seinem Zusammenbruch zunächst versorgt und einen Rettungswagen angefordert. Im Krankenhaus konnten die Ärzte jedoch nur noch den Tod feststellen. Nähere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.

Insgesamt hatten sich nach offiziellen Angaben etwa 4000 Demonstranten zu Protesten gegen Kapitalismus, Kriege und Umweltzerstörung zusammengefunden, die große Mehrheit demonstrierte friedlich. Zahlreiche Straßen und Eingänge zu Bahnhöfen wurden gesperrt. Mit Sprüchen wie "Bestraft die Plünderer" und "Wir brauchen sauberen Kapitalismus" zogen sie zunächst zur Notenbank.

 

In London hatte es den ganzen Mittwoch über Proteste gegen den G-20-Gipfel gegeben. Am Abend kesselte die Polizei mehr als tausend aufgebrachte Globalisierungsgegner vor der Bank von England ein. Die Demonstranten versuchten die Polizeikette zu durchbrechen, sie warfen mit Stöcken und Plastikflaschen. Am Nachmittag hatte eine Gruppe Randalierer die Filiale der Royal Bank of Scotland gestürmt und Gegenstände aus dem Gebäude geworfen. Doch letztlich verliefen die Proteste relativ ruhig - die angekündigte Revolution blieb aus. "Stürmt die Bank" und "Schande über Euch", hieß es in Sprechchören. Der Großteil der Demonstranten feierte eine fröhliche Straßenparty, die Gipfelgegner schlugen Zelte auf und machten Musik. Sie wollten ihrem Unmut über das Versagen des Weltfinanzsystems Luft machen, das Großbritannien besonders hart getroffen hat.