Armenier erhängt sich in Justizvollzugsanstalt Langenhagen (Abschiebehaft)

Erstveröffentlicht: 
05.07.2010
Offenbar aus Verzweiflung darüber, aus Deutschland abgeschoben zu werden, hat sich ein 58-jähriger Armenier in der Justizvollzugsanstalt Langenhagen (JVA) das Leben genommen. Bereits am Freitagabend fanden Wachbeamte den Mann gegen 22.30 Uhr bei der abendlichen Medikamentenausgabe leblos in seiner Zelle.

 

Er hatte sich mit dem Kabel eines Wasserkochers an einen Kreuz des Fenstergitters erhängt. Aus Sicht der Grünen im niedersächsischen Landtag ist der Suizid ein Indiz für „die inhumane Abschiebepraxis in Niedersachsen“.

 

Nach Angaben der JVA hat das Aufnahmegespräch des Armeniers keinen Hinweis auf eine Suizidgefährdung erkennen lassen. Nach Mitteilung der Grünen soll der Mann aber psychisch betreut worden sein. Aus dem Justizministerium hieß es, in der JVA Langenhagen sei es der erste Fall von Selbsttötung seit zehn Jahren gewesen. Im Dezember 2000 hatte sich ein 17-jähriger Tamile an seinen Schnürsenkeln erhängt, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war und er nach Sri Lanka abgeschoben werden sollte.

 

Der 58-jährige Slawik K. saß seit dem 28. Juni in Abschiebehaft in Langenhagen, wo zurzeit weitere 31 Menschen inhaftiert sind, weil sie in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Davor hatte der Mann elf Jahre mit seiner Ehefrau im Landkreis Harburg gelebt. Im Mai war Slawik K. einer vom Landkreis Harburg angeordneten Ausreise nicht nachgekommen. Eine Richterin ordnete daraufhin an, ihn in die für Abschiebungen in Niedersachsen zuständige JVA Langenhagen zu bringen. Auch bei Ks. Ehefrau prüfen die Behörden, sie in ihre Heimat abzuschieben. Der Sohn des Ehepaares hingegen besitzt eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.

 

Mit Bestürzung reagierte Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, auf den Tod des Mannes: „Wir haben mehrfach kritisiert, dass die Koalition billigend in Kauf nimmt, dass Menschen in Niedersachsen mehrfach rechtswidrig in Abschiebehaft genommen wurden.“ Die Grünen fordern von der Landesregierung unter anderem, auf die Inhaftierung von Kindern, Jugendlichen und psychisch Kranken zu verzichten und Familien nicht zu trennen.

 

Abschiebungshäftlinge seien keine Kriminelle, sie würden aber als solche behandelt, kritisierte Polat und bezog sich damit auf die Art der Unterbringung gemeinsam mit anderen Häftlingen. In der JVA Langenhagen gäbe es weder Freizeitangebote noch eine kostenlose Rechtsberatung, die Betroffenen bekämen wie alle anderen dort Inhaftierten nur eine Stunde Ausgang am Tag. In der JVA mit insgesamt 173 Plätzen befinden sich Frauen in Untersuchungshaft sowie verurteilte Männer, die kurze Freiheitsstrafen absitzen müssen.

 

„Menschen, die in Abschiebungshaft genommen werden, haben nichts anderes getan, als in Deutschland Zuflucht zu suchen“, sagte Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Das Bundesverfassungsgericht habe die niedersächsische Praxis der Abschiebehaft bereits neunmal gerügt, letztmalig im Februar 2009. Dem widerspricht Frank Rasche, Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums: „Dies ist ein tragischer Todesfall. Die persönlichen Umstände des Suizids sind nicht geklärt. Wir weisen die Vorwürfe der Grünen entschieden zurück. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand sind in diesem Fall keine Rechtsfehler ersichtlich.“ Solange kein Hinweis auf Suizid vorliege, seien die Zellen normal ausgestattet. „Würden wir jeden Gegenstand entfernen, der sich zum Suizid eignet wie Bettwäsche, Schnürsenkel oder Elektrogeräte, wären die Haftbedingungen nicht mehr menschenwürdig“, fügte Georg Weßling, Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums hinzu.