INFORIOT Vom 24.-27. August findet erstmals in Cottbus ein antifaschistisches Sommercamp, das JanzWeitDraussen (JWD)-Camp, statt. Vernetzung, Bildung und Erholung stehen bei dem JWD-Camp in Vordergrund. Inforiot hat mit den Organisator*innen des JWD-Camps gesprochen.
IR: Hallo, wer seid ihr, stellt euch doch mal kurz vor.
Alex: Ich bin 32 Jahre, mache seid meiner Jugend Politik, angefangen bei klassischer Antifapolitik über Freiraumkämpfe bis hin zu der Auseinandersetzung mit feministischer Theorie.
Hiba: Ich mache gerade Abitur. Ich habe an meiner Schule selbst rassistische Diskriminierung erfahren, mich dann in Schüler*innen-AG‘s angefangen zu politisieren, über Schule ohne Rassismus und sowas, und organisiere nun erstmalig eine größere Aktion mit.
IR: Das sind ja doch sehr unterschiedliche Erfahrungen, die ihr da mitbringt. Wie habt ihr für die Organisation des Camps zueinander gefunden?
Hiba: Ich habe mich an die in meiner Kleinstadt aktive linke Gruppe gewandt, um Unterstützung zu bekommen, neue Leute kennenzulernen und mich auch weiter mit politischen Sachen auseinandersetzen zu können. Das war so ungefähr vor einem Jahr. Zufälligerweise plante diese Gruppe dann auch ziemlich zeitnah das Alternative Jugend Camp (AJUCA) in Mecklenburg-Vorpommern zu besuchen, wo ich mich anschloss. Dort entstand die Idee eine ähnliche Sache in Brandenburg aufzuziehen und so begann das Kontakteknüpfen zu Strukturen in anderen Städten.
IR: Was hat euch genau am AJUCA fasziniert? Was macht die Vorbildfunktion aus und was hat euch dazu bewegt, auch in Brandenburg ein Camp zu machen?
Alex: Das AJUCA ist schon eine ziemlich gut organisierte Nummer. Einmal jährlich die Verbindung von Freizeit und Politik, Theorie und Praxis, Möglichkeiten zur Vernetzung und gute Einstiegsmomente für junge Aktivist*innen. Genau sowas fehlte uns hier in Brandenburg bisher. Vor allem in Flächenländern wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in dnen der Zu- und Wegzug der Menschen aufgrund fehlender Perspektive häufig sehr groß ist, ist Vernetzung ein wichtiger Bestandteil politischer Praxis. Der Austausch hilft einfach auch mit den oft schwierigen Situationen vor Ort besser umzugehen.
IR: Könnt ihr bitte nochmal genauer beschreiben, welche Situationen ihr meint. Über welche Themen benötigt ihr einen Austausch?
Alex: Ich denke, das größte Problem sind Nazis, die sich mit dem vermehrten Zuzug von Geflüchteten, an rassistische Bürgerproteste angedockt haben. Die Hemmschwelle zur Gewaltbereitschaft ist weiter gesunken, Rassismus "normal" geworden. Das haben vermutlich Antifaschist*innen in ganz Berlin und Brandenburg so erlebt und da kann man sich gegenseitig beraten.
Hiba: Ja, das kann ich nur bestätigen. Ich hatte in dem Ort, aus dem ich komme schön öfters mit Nazis Stress und einige Verwandte finden den rassitischen Kram, den die AfD erzählt, auch ganz geil. Ich wünsche mir da vom Camp vor allem ein paar Basics, wie politische Arbeit funktioniert, möchte gern Gleichgesinnte kennen lernen und und und.
Alex: Für mich steht, abseits vom alltäglichen Antinazikram, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Sexismus im Vordergrund, aber auch die Reflexion eigener Verhaltensweisen und Mechanismen und wie mensch sie auflösen kann. Ich freue mich sehr auf den Workshop zu Antifa und Männlichkeit, sowie f_antifa in der Provinz, die Teil des Camp-Programms sind. Außerdem gibt es den Workshop zu Flucht, Asyl und Migration, der einen Einstieg in antirassistische Arbeit ermöglichen soll.
Hiba: Außerdem haben wir in der Vorbereitung viel darüber diskutiert, wie wir Aktivist*innen einen Zugang zum Camp ermöglichen können, die beispielweise in ihrer politischen Arbeit Einschnitte machen müssen. Sei es durch die Kindererziehung oder der Ausschluss von Menschen, die ein Handycap haben. Wir haben daher einen Workshop eingeplant, in dem sich Aktivist*innen mit Kindern über Möglichkeiten und Probleme politischer Organisierung mit Kindern austauschen können. Zudem wird es einen Workshop vom ak_mob (Arbeitskreis mit ohne Behinderung) geben, der sich damit beschäftigt, wie wir unsere Räume und Veranstattungen barrierearm gestalten können. Unser Camp-Gelände ist übrigens auch für Menschen mit Rolli geeignet!
IR: Okay, jetzt haben wir ein bisschen über eure Motivation solch ein Camp zu veranstalten gesprochen. Nun erzählt uns doch mal konkreter was darüber.
Alex: Das JWD-Camp findet dieses Jahr erstmalig statt. Es hat eine klar antifaschistische Ausrichtung. Auch in den nächsten Jahren soll das Camp veranstaltet werden. In diesem Jahr haben wir uns für das Strombad in Cottbus entschieden. Das ist ein altes Freibad direkt an de Spree, ausgestattet mit Badestelle, Sanitäranlagen, Küche – also allem, was für ein Camp nötig ist. Das Chekov, ein alternativer Club, ist direkt mit auf dem Gelände und das Hausprojekt Zelle 79 in der Nachbarschaft.
Hiba: Wir wollen so vielen Menschen wie möglich an dem Camp teilnehmen lassen und dort gemeinsam eine schöne Zeit verbringen. Leider passen auf das Gelände nur 150 zeltende Personen. Die Möglichkeiten sind daher begrenzt. Allerdings rechnen wir beim ersten Mal nicht mit einem Ansturm, weshalb sich gern auch jetzt noch Leute für das Camp anmelden können. Donnerstag beginnt das Camp mit einem großen Plenum. Danach gibt es ein Kneipen-Quiz und Punkrock von der Platte. Der Freitag und Samstag widmet sich dann den Workshops. Mein persönliches Highlight ist das Freitagskonzert mit Lena Stoerfaktor und Pöbel MC.
Alex: Ja und Samstag wollen wir dann das Camp bei Lagerfeuer und Klampfe ausklingen lassen.
Hiba: Achso, und pleniert wird jeden Tag. So können wir gemeinsam unsere Bedrüfnisse und Wünsche austauschen und vielleicht schaffen wir es ja neue Pläne zu schmieden und gemeinsame Aktionen zu starten!
IR: Und warum veranstaltet ihr ausgerechnet in Cottbus solch ein Camp?
Alex: Uns ist es wichtig Berlin, beziehungsweise den Berliner Speckgürtel, zu verlassen. Wir möchten Leute in die vermeintliche Provinz holen, weil das einfach die Orte sind, in denen wir uns im Alltag bewegen. Nix mit Szene-Kiez und Großstadt-Antifa, sondern genau rein ins Geschehen. Daher ist auch der Name JWD-JanzWeitDraussen gewählt. Wir wollen das Camp gern routieren lassen, jedoch weiterhin in Städten oder Orten, die fernab der Großstadt sind.
IR: In eurem Aufruf sprecht ihr davon, dass Antifaschismus für euch eine Überlebensstrategie ist. Erzählt mal was zu der aktuellen Situation in Cottbus.
Hiba: Wenn man bei Inforiot in das Suchfeld "Cottbus" und "Nazis" eingibt, bekommt mensch ein ganz gutes Bild von dem, was da abgeht.
Alex: Ja, Cottbus macht öfters mal Schlagzeilen, was seine sehr ausgeprägte Nazisszene betrifft. Es ist schon paradox, dass Strukturen, denen die NPD früher nicht radikal genug war, nun mit der AfD gemeinsame Sache machen. Statt vom Volkstod sprechen sie nun vom Volksaustausch, aber im Großen und Ganzen die gleiche Suppe. Das ist bei den pegidaähnlichen Demos von Zukunft-Heimat, die seit Mai regelmäßig in Cottbus stattfinden, gut zu beobachten. Durch sowas ist der Alltag in Cottbus von Rassismus vergiftet. Dahingegen wollen wir vor allem jüngeren Leuten zeigen, dass es auch in der Provinz emanzipatorische Strukturen und Möglichkeiten für antifaschistisches Engagement gibt. Das verdeutlichen die Berichte bei Inforiot übrigens auch.
IR: Danke für eure Antworten, wollt ihr noch was ergänzen?
Hiba: Ja kommt vorbei, informiert euch auf unser Homepage www.jwdcamp.org Da findet ihr in Kürze Teile des Programms, Tipps zur Anreise und auch eine Kontaktadresse, falls ihr Lust habt euch einzubringen oder noch irgendwelche Fragen offen sind.
Alex: Genau, damit wir auch besser planen können, bitten wir noch darum euch oder eure ganze Crew anzumelden, damit wir über die Teilnehmer*innenzahl einen Überblick haben.
Vielen Dank für das Interview!