Aufruf der Interventionistischen Linken zu den Aktionstagen im Rheinland vom 24. - 29. August 2017 & 3. - 5. November 2017
Im April 2017 erreichte die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre den höchsten Wert seit etwa einer Million Jahren. Die "Kipppunkte" im Klimasystem, wodurch der Klimawandel in eine Phase eintritt, in der er sich selbst verstärkt und beschleunigt, rücken immer näher. Dennoch lassen politische Konsequenzen weiter auf sich warten. Regierungen und Konzerne, angetrieben durch kapitalistische Profit- und Wachstumszwänge, reden viel und unternehmen doch viel zu wenig. Sie träumen von einem grünen Kapitalismus und feuern die Profitmaschinerie weiter an, Hauptsache die 'Stimmung an den Märkten' stimmt. Wir aber sehen nicht weiter zu, wie sie auf ihren jährlichen Klimagipfeln schwammige Kompromisse beschließen, die am Ende doch niemanden verpflichten. Wir wissen: Ohne einen sofortigen Kohleausstieg ist der Kampf gegen den Klimawandel nicht zu gewinnen. Also nehmen wir das Ende der Braunkohle selbst in die Hand. Wir werden im August erneut zu Tausenden in das rheinische Kohlerevier gehen, um Bagger, Züge und Kraftwerke zu blockieren. Unsere Kampfansage lautet: "System change, not climate change!" Wir kommen, um die soziale Frage des 21. Jahrhunderts zu stellen, die nur eine globale sozial-ökologische Frage sein kann.
Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts
Die ökologische Krise droht nicht, sie ist schon längst da. Vor allem ist sie kein Unfall oder bedauerliches Nebenprodukt eines funktionierenden Systems. Die ökologische Krise ist in die kapitalistische Logik des höher, schneller, weiter eingeschrieben. Noch immer werden die ehemaligen Kolonien ausgebeutet, doch seine finale Grenze findet die Wachstumsmaschine in den Grenzen des Planeten. Die Katastrophe wird immer weiter entgrenzt und umfasst bald die gesamte Erde. Das Kapital fragt nicht nach dem Schutz von Arbeiter*innen oder Umwelt, denn es kann auf die ökologische Krise, die es nur als Wachstumskrise wahrnimmt, nicht anders antworten als in der ihm einzig verständlichen Sprache der weiteren Expansion - sei es durch Krieg, die Entwicklung neuer Technologien oder die wirtschaftliche Ausbeutung bisher nicht kapitalistisch genutzter Territorien.
Rund die Hälfte der bekannten Tiere und Pflanzen ist bereits ausgerottet durch die Auswirkungen industrieller Landwirtschaft, durch Zerstörung von Wäldern und durch immer stärkere Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden. Ackerland sowie frisches Trinkwasser werden zu einem knappen Gut in immer mehr Weltregionen. Hunderte Millionen Menschen, die von Subsistenzlandwirtschaft leben, werden durch den Klimawandel, Billigimporte oder gewaltsame Vertreibung bedroht, ganze Landstriche werden durch gewaltige Bergbauprojekte verwüstet. Die Auswirkungen des Klimawandels und der ökologischen Zerstörung treffen diejenigen am stärksten, die schon immer unter der kapitalistischen Expansion gelitten haben. Große Teile der Weltbevölkerung leben unter desolaten ökologischen Bedingungen, unter anderem weil ihre Ökosysteme für den imperialen Lebensstil des globalen Nordens ausgebeutet werden. Als logische Konsequenz eines Systems der unbegrenzten Umwandlung von lebendiger, lebensspendender Natur in totes, angehäuftes Kapital entsteht ein globales Umweltproletariat.
Deshalb gilt unsere Solidarität allen Bewegungen, die sich weltweit gegen Naturzerstörung und die Ausbeutung fossiler Energiequellen zur Wehr setzen, zum Beispiel den nordamerikanischen Indigenen, die gegen die Keystone XL Pipeline kämpfen. Mit Ende Gelände! setzen wir ein starkes Zeichen für Klimagerechtigkeit - Im Herzen des kapitalistischen Wachstumsregimes, gegen den Klimawandel und seine Nutznießer*innen, gegen das weiter so wie bisher.
Omnia sunt communia! - Alles gehört allen!
Auch wenn die Aussichten düster sind und die Plünderung unserer Lebensgrundlagen scheinbar unaufhaltsam fortschreitet, sind wir entschlossen für das scheinbar Unmögliche zu kämpfen, für den revolutionären Bruch und eine solidarische Gesellschaft. Zum 500. Jahrestag der Bauernaufstände ist Thomas Müntzers Motto aktuell wie nie: Omnia sunt communia. Alle sind gleich. Alles gehört allen gemeinsam. Alle sind gemeinsam verantwortlich. Die Erde ist commun und sie soll auch so behandelt werden. Aber dafür müssen wir die Erde dem Kapital und, den Kapitalist*innen ihre Macht entreißen. In diesem Sinne wollen wir einen ökologischen, feministischen, einen globalen Kommunismus. Wir wollen Freiheit, Gleichheit und Solidarität statt Autoritäten, Hierarchien und Konkurrenz. Wir wollen eine Wirtschaft, die realen menschlichen Bedürfnissen dient, statt Profit und Konsum zu steigern. Eine Wirtschaft, die die planetaren Grenzen achtet und unsere Lebensgrundlagen erhält. Wir wollen Klimagerechtigkeit und eine bessere Welt für alle.
Unsere Forderung nach globaler Klimagerechtigkeit ist legitim und wird dennoch immer stärker kriminalisiert. Wir erleben Gesetzesverschärfungen, die durch massive Strafen davor abschrecken sollen, Widerstand auf die Straße zu tragen. Strafanzeigen und Unterlassungserklärungen sollen uns im Namen des Rechtsstaats dazu zwingen, den Schutz des Klimas und der Biosphäre zu unterlassen. Wir schütteln die Köpfe angesichts der Repression von Menschen, die doch nur mit aller Kraft versuchen, der Zerstörung der Welt zu begegnen.
Systemwandel statt Klimawandel!
Eine Kohleblockade allein ist noch kein politisches Programm. Ein Kohleausstieg ist noch keine Revolution. Eine Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, wird entlang zahlreicher Brüche erkämpft werden. Sei es die Vergesellschaftung der großen Energiekonzerne; sei es ein kostenfreier öffentlicher Personennahverkehr; seien es weltweite Agrarreformen zur Stärkung kleinbäuerlicher, selbstbestimmter Landwirtschaft; sei es eine massive Arbeitszeitverkürzung unter Lohnausgleich und besonderer Unterstützung für Menschen mit vielen Sorgeaufgaben; sei es die demokratische Gestaltung eines gerechten Übergangs in den vom Braunkohletagebau betroffenen Regionen gemeinsam mit den Arbeiter*innen, nicht gegen sie. All diese Brüche im Einzelnen sind keine revolutionären Umwälzungen, aber sie sind Schritte auf dem weiten Weg einer radikalen Transformation zur Ermöglichung eines guten Lebens für alle. Die soziale und ökologische Frage gehören zusammen und lassen sich nicht jenseits der Machtfrage beantworten.
Auf diesem Weg ist Ende Gelände! für uns ein wichtiger nächster Schritt. Es ist auch der Erfolg von Ende Gelände!, dass sich herumspricht: Keine Zukunft mit der Kohle! Die Braunkohleindustrie spürt den Gegenwind bereits mächtig über ihre Reviere fegen. Ihre Börsenkurse brechen ein, ihre Profitaussichten verschlechtern sich drastisch. Um ihre Lobbyisten-Besatzung herum wird es allmählich einsam auf dem sinkenden Schiff, denn Verbrennung von Kohle gilt in immer breiteren Kreisen der Gesellschaft als inakzeptabler Irrweg. Importe von Steinkohle, die in anderen Weltregionen unter noch schlimmeren Bedingungen gefördert wird, sind dafür kein Ausweg. Mit Ende Gelände! intervenieren wir in diese gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse - gemeinsam, entschlossen und mit einer klaren Botschaft der globalen Solidarität.
Ende Gelände! ist Teil einer transnationalen Bewegung für Klimagerechtigkeit und ein wichtiger Ort der Zusammenkunft für die Klimabewegung in Europa. Der Erfolg des vergangenen Jahres, als 4.000 Aktivist*innen die Lausitzer Braunkohle blockierten, war ein Meilenstein in der jüngeren Geschichte unserer Bewegung. Lasst uns 2017 daran anknüpfen! Kommt mit uns ins rheinische Braunkohlerevier unter dem Motto: "Wir schaffen ein Klima der Gerechtigkeit!" Vom 24. - 29. August und vom 4-5. November während der UN-Klimakonferenz. Wir wollen den Systemwandel, um den Klimawandel aufzuhalten!
Infos:
http://www.klimacamp-im-rheinland.de/
Bündnisaufruf "Wir schaffen ein Klima der Gerechtigkeit"
Zucker im Tank - Kleingruppenaktionen während der Aktionstage