Stuttgart: Studierendenvertretung soll politisches Mandat verlieren

Erstveröffentlicht: 
28.07.2017

Die grün-rote Landesregierung führte die Verfasste Studierendenschaft wieder ein. Jetzt steht dieses politische Mandat vor der Streichung. Gefordert hatte den Entzug des politischen Mandats die CDU. Anlass ist die Reform des gesamten Landeshochschulgesetzes.

 

Von Axel Habermehl und Jens Schmitz

 

Die Wissenschaftsministerin wirkte stolz, als sie am 24. April 2012 die Umsetzung eines Wahlversprechens verkünden konnte: Die grün-rote Landesregierung führte die Verfasste Studierendenschaft wieder ein. "Die Studierendenvertreter haben nun ein politisches Mandat, um wirksam für die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange aller Studierenden eintreten zu können", sagte Theresia Bauer (Grüne) damals.

Jetzt steht dieses politische Mandat vor der Streichung. Eine Sprecherin Bauers bestätigte am Donnerstag entsprechende Informationen dieser Zeitung. Bisher steht in Paragraph 65 des Landeshochschulgesetzes (LHG): "Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahr. Sie wahrt nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen die weltanschauliche, religiöse und parteipolitische Neutralität." Der erste dieser zwei Sätze wird gestrichen. Darauf haben sich Ministerium und Abgeordnete der grün-schwarzen Regierungsfraktionen geeinigt.

CDU hat den Entzug gefordert

Gefordert hatte den Entzug des politischen Mandats die CDU. Anlass ist die Reform des gesamten LHG. Die war nötig geworden, weil der Verfassungsgerichtshof von Baden-Württemberg das Gesetz 2016 für verfassungswidrig erklärt hatte.
Das Gericht sah die Wissenschaftsfreiheit der Professoren durch eine zu starke Stellung des Rektorats gefährdet und forderte eine Neuregelung. Das soll nun dadurch geschehen, dass die Machtverhältnisse in den Gremien und Abstimmungsregeln verändert werden. Bauer will aber nicht einfach nur das Urteil umsetzen.

In einem ersten Gesetzentwurf, der der Badischen Zeitung vorliegt, heißt es: "Dieses Gesetz beschränkt sich jedoch nicht hierauf, sondern verbindet dies mit mehr Verlässlichkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs, einer Stärkung des Wissens-, Gestaltungs- und Technologietransfers und einer neuen gesetzlichen Grundlage für die hochschulartenübergreifende Zusammenarbeit, um damit wichtige Anliegen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen."

 

Dazu gehört das Vorhaben, die Stellung der Doktoranden aufzuwerten, indem sie zu einer eigenen Statusgruppe werden. Außerdem will die Ministerin eigenständige Tenure-Track-Professuren für Nachwuchswissenschaftler einrichten, um akademische Talente zu halten. Eine weitere Neuerung betrifft Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Hier soll die Möglichkeit einer Assoziation von Hochschullehrern als förmliche Kooperationsform eingeführt werden, um die Betreuung von Doktoranden zu verbessern. Außerdem sollen Hochschulen Existenzgründer stärker unterstützen können, damit Forschung stärker in die wirtschaftliche Praxis einfließt.

Der Koalitionspartner CDU stimmt all dem zu, fordert dafür aber, dass der Auftrag der VS geändert wird. "Das politische Mandat der Verfassten Studierendenschaft öffnet Tür und Tor für Missbrauch", sagt CDU-Wissenschaftsexpertin Sabine Kurtz. Sie kritisiert, dass in Einzelfällen mit VS-Gebühren von Studenten etwa Fahrten zu Demonstrationen finanziert wurden. "Wir freuen uns über hochschulpolitisches Engagement, aber Fahrten von Randalierern zu Demonstrationen wie gegen G20 in Hamburg sollten nicht mit den Zwangsgebühren aller Studierenden bezahlt werden", sagt sie. Die CDU hatte schon im Wahlprogramm 2016 angekündigt, die VS "weiterzuentwickeln" und "das Mandat auf hochschulpolitische Aspekte zu konzentrieren". Auch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag war dann von einem "klaren hochschulpolitischen Mandat" der VS die Rede. Entsprechend sieht eine Sprecherin Bauers in der Streichung nun nur eine Präzisierung. Allgemeinpolitische Betätigung der VS sei 1979 höchstgerichtlich für unzulässig erklärt worden. "Die große Errungenschaft war und ist die Einführung der Verfassten Studierendenschaft 2012", so die Sprecherin.

Die AfD freut sich, die SPD warnt

Rainer Balzer (AfD) freut sich: "Wir begrüßen das politische Engagement von Studierenden, aber wir sehen keine Notwendigkeit eines politischen Mandats für die Verfasste Studentenschaft." Die Korrektur sei eine gute Idee. Dagegen warnt Gabi Rolland (SPD): "Das wäre ein Schritt zurück in die 70er Jahre und bedeutet ein Austrocknen von Mitbestimmung, Beteiligung und Debattenkultur an unseren Hochschulen." Im Regierungsprogramm der Grünen 2016 hieß es über die VS: "Sie ist zu einer starken politischen Stimme der Studierenden geworden." Über allgemeine Politik aber soll diese Stimme künftig nicht mehr sprechen.