Todesurteil vollstreckt

Ronnie Lee Gardner ist am 18. Juni kurz nach Mitternacht im US-Bundesstaat Utah durch ein Erschießungskommando hingerichtet worden. Es ist die erste Hinrichtung in Utah seit 1999. Der US-Bürger hatte 25 Jahre in der Todeszelle verbracht.

 

Ronnie Lee Gardner war im Oktober 1985 wegen Mordes an Michael Burdell zum Tode verurteilt worden. Letzte Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Am 14. Juni lehnte der Begnadigungsausschuss eine Begnadigung des Betroffenen ab. Gesuche um einen vorläufigen Hinrichtungsaufschub wurden dem Gouverneur von Utah, Gary Herbert, übergeben. Gemäß der Verfassung von Utah besitzt der Gouverneur die notwendigen Befugnisse, um einen solchen Aufschub zu gewähren, er kann jedoch das Todesurteil nicht in eine Haftstrafe umwandeln. Am 17. Juni lehnte der Gouverneur einen Vollstreckungsaufschub ab. In einem Brief an die Anwält_innen von Ronnie Lee Gardner schrieb er: "Nach gründlicher Prüfung findet sich in dem heute Morgen vorgelegten Beweismaterial nichts, das nicht schon vom Begnadigungsausschuss oder den zahlreichen anderen Gerichten berücksichtigt und beurteilt worden wäre. Herr Gardner hatte die umfassende und faire Möglichkeit, seinen Fall von zahlreichen Gerichten prüfen zu lassen."

Seine Anwält_innen haben kürzlich Aussagen von vier Geschworenen des ursprünglichen Prozesses erhalten. Eine der Geschworenen legte dar, dass sie möglicherweise für eine lebenslange Haftstrafe gestimmt hätte, wenn sie das gesamte entlastende Beweismaterial über Ronnie Lee Gardners von Vernachlässigung und Missbrauch geprägte Kindheit gekannt hätte und ihr die Sachverständigengutachten über seinen Hirnschaden, die in dem Prozess nicht vorgelegt worden waren, bekannt gewesen wären. Sie fügte hinzu, dass "es vielleicht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre", wenn damals die Verurteilung zu einer lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung möglich gewesen wäre wie dies heute der Fall ist. Ein anderer Geschworener drückte sich deutlicher aus: "Wenn ich diese entlastenden Beweise vor 25 Jahren gehört hätte, hätte ich für eine lebenslange Haftstrafe gestimmt". Ein dritter ehemaliger Geschworener sagte, dass er "dafür gestimmt hätte", wenn es 1985 bereits die Möglichkeit einer lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährung gegeben hätte. Eine vierte Geschworene, die zum Zeitpunkt des Prozesses hochschwanger war, verriet: "Ich war die letzte der Geschworenen, die für die Todesstrafe stimmte. Ich fühlte mich dazu genötigt. Während der Beratungen schloss ich mich einmal in eine Toilette ein, um dem Druck, den ich spürte, zu entgehen. Ich stimmte für das Todesurteil, weil ich einfach nur nach Hause gehen wollte." Sie fügte hinzu, dass sie die Umwandlung des Todesurteils in eine lebenslange Haftstrafe unterstützte und sagte: "Wenn ich heute abstimmte, würde ich mich nicht beeinflussen lassen und für eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung stimmen."

Für seine Hinrichtung band man Ronnie Lee Gardner in einem Stuhl fest, zog ihm eine Kapuze über den Kopf und brachte eine weiße Zielmarkierung auf seiner Brust an. Dann wurde er von fünf unbekannten PolizeibeamtInnen, die sich freiwillig zum Erschießungskommando gemeldet hatten, erschossen. In einem Gewehrlauf befand sich eine Platzpatrone; den Schützen war nicht bekannt, in welchem. Um 00:17 Uhr wurde Ronnie Lee Gardner für tot erklärt.

Das Medieninteresse an dem Fall war aufgrund der Entscheidung des Betroffenen, durch ein Erschießungskommando statt der tödlichen Giftspritze hingerichtet zu werden, groß. Er hatte seinen Anwält_innen jedoch mitgeteilt, dass er diese Hinrichtungsart nicht gewählt hatte, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern weil er sie bevorzugte.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen und Ländern gegen die Todesstrafe, ganz gleich auf welche Weise der oder die Verurteilte hingerichtet werden soll oder welcher Art das Verbrechen war, für das er oder sie hingerichtet werden soll. In den USA sind im laufenden Jahr bereits 29 Menschen hingerichtet worden. Seit der Wiederaufnahme der Todesstrafe im Jahr 1977 wurden in den USA 1.217 Todesurteile vollstreckt, sieben davon in Utah. Die erste Hinrichtung nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshof von 1976, die Todesstrafe wiedereinzuführen, wurde in Utah vollstreckt: Gary Gilmore wurde am 17. Januar 1977 durch ein Erschießungskommando hingerichtet, nachdem er es abgelehnt hatte, ein Gnadengesuch einzureichen. Als so genannte "Freiwillige" werden auch drei weitere der in Utah hingerichteten Männer bezeichnet, da sie Gnadengesuche abgelehnt und in die Hinrichtung "eingewilligt" hatten. Ronnie Lee Gardners Hinrichtung ist die erste in Utah seit 1999 und die erste "ohne Einwilligung" seit 1992.

In einer Nachricht an Amnesty International schrieb einer von Ronnie Lee Gardners Anwälten: "Ich sollte erwähnen, dass wir ein paar Wochen vor dem Wochenende [des 12. und 13. Juni] zum Begnadigungsausschuss gegangen sind, um die Akten durchzusehen. Wir fanden einen riesigen Stapel Briefe aus der ganzen Welt, in denen der Ausschuss aufgefordert wurde, Ronnie Lee Gardners Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe umzuwandeln, und man sagte uns, dass dort 60 bis 70 Briefe pro Tag eintrafen...Vielen Dank für Ihre Unterstützung."