Hamburg war gewarnt – Krawalle als Vorbild für Linksradikale

Erstveröffentlicht: 
18.07.2017

Geheimpapier aus dem Bundesinnenministerium sieht vorherige "Prognosen" bestätigt. Gewalttäter sehen demnach G20-Randale als Erfolg

 

Von Jens Meyer-Wellmann

 

Hamburg. Die Aussage ist eindeutig. Die bereits vor dem G20-Gipfel vorliegenden Prognosen zum Verlauf der Proteste und Krawalle in Hamburg hätten sich als zutreffend erwiesen, heißt es in einem Geheimpapier aus dem Bundesinnenministerium (BMI). Mithin: Was in Hamburg vor und nach dem Gipfel passierte, kam nicht unerwartet.

In dem sechsseitigen Dokument, das dem Abendblatt vorliegt, zieht die Behörde von CDU-Innenminister Thomas de Maizière eine ernüchternde erste Bilanz des Gipfels. Wie erwartet seien gewalttätige Aktivisten aus ganz Europa angereist, und es sei zu massiven Konfrontationen mit der Polizei gekommen.

Die umfassende Aktionsplanung für die Proteste habe bei dem NoG20-Bündnis gelegen, heißt es in dem Papier weiter. Militante Kleingruppen hätten sich dabei nicht an den "Aktionskonsens" gehalten und seien marodierend durch Hamburg gezogen. Die bereits im Vorfeld "prognostizierten Ausschreitungen" seien "eingetreten". Zwar hätten auch linke kurdische und türkisch-ex­tremistische Menschen an Demonstrationen teilgenommen – allerdings nicht in besonders großem Maße.

Interessant ist auch, wie das BMI den Blick der "Szene" auf ihre eigenen Aktionen einschätzt. Demnach sehen die Organisatoren die Mobilisierung durch NoG20 als Erfolg an. Daher müsse man prognostizieren, dass das Prinzip der "spektrenübergreifenden Mobilisierung", also der Einbeziehung auch radikalster Gruppen, auch künftig verfolgt werde. Unter der Führung der "Interventionistischen Linken" seien bewusst alle linksextremistischen Strömungen bei der Vorbereitung integriert worden, heißt es in dem Papier. Dabei habe es von dem Bündnis niemals eine klare Distanzierung von Gewalt gegeben. Damit habe man auch den "militanten Strukturen", die für die Gewaltauswüchse gewesen seien, "wissentlich eine Aktionsplattform geboten".

Zwar sei die Vorgehensweise, etwa die "Kleingruppentaktik", nicht per se neu. Sie sei bereits 2015 bei der Eröffnung der neuen Europäischen Zentralbank in Frankfurt und im Dezember 2013 im Rahmen der Kampagne "Flora bleibt unverträglich" zur Anwendung gekommen, so der "Abschlussbericht". Allerdings hätten das "Aggressionspotenzial" und die Bereitschaft, Leib und Leben von Polizisten vorsätzlich zu gefährden, bei den G20-Protesten eine "neue Dimension" erreicht.

Für die Hamburger CDU zeigt die Analyse aus dem BMI, dass der rot-grüne Senat und SPD-Bürgermeister Olaf Scholz hätten gewarnt sein müssen. "Wenn Olaf Scholz jetzt behauptet, die Taktik und gewalttätigen Ausschreitungen der Linksextremisten seien überraschend und nicht vorhersehbar gewesen, ist das abenteuerlich", sagte CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator dem Abendblatt. "Entweder er hat sich vorab nicht über die Sicherheitslage informiert und eine völlig substanzlose Sicherheitsgarantie gegeben, oder er hat die Hamburger vorsätzlich getäuscht. Beides ist mit dem Amtseid, den er geleistet hat, nicht vereinbar."

Genau das, was Hamburg an Gewaltexzessen erlebt habe, sei von den Sicherheitsbehörden vorhergesagt worden, so Gladiator. "Als wir im April vor diesen Szenarien gewarnt haben, wurde das als Verschwörungstheorien, erfundene Horrorszenarien und übertriebener Alarmismus abgetan. Dass Olaf Scholz jetzt immer noch behauptet, das sei überraschend gewesen, ist eine üble Täuschung der Bürger. Damit hat er das Vertrauen der Hamburger und seine Glaubwürdigkeit als Bürgermeister unwiederbringlich verloren."