Kommentar zu De Maiziéres Vorschlag, das Conne Island zu schließen
Innenminister Thomas de Maizière will wegen der Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg das Conne Island schließen. Das ist natürlich sinnlos. Besser wäre ein Verbot von Bushido-Konzerten, Fußballspielen und betrunkenen Männern.
Jetzt rasten wieder alle aus. Nach den hässlichen Ausschreitungen in Hamburg hat die Stunde derer geschlagen, die den Linken generell mal eins reinwürgen wollen. Die Bild-Zeitung bringt Fahndungsaufrufe von irgendwelchen Menschen, die außer der Bild-Zeitung kein Mensch sucht. Völlig bescheuerte Ideen wie Rock Gegen Links werden tatsächlich ernsthaft diskutiert, obwohl die Einzigen, die so etwas bis jetzt veranstalteten, menschenverachtende Rechtsextreme sind. Aber es wird ja jetzt auch wieder allerorten betont, dass Linksextremismus genauso schlimm sei wie Rechtsextremismus.
Dass das einfach nicht stimmt, sei hier gerne noch und noch einmal erklärt. Rechtsextremismus richtet sich gegen Menschen, die unfreiwillig den Zorn auf sich ziehen für etwas, für das sie nichts können – ob das nun Hautfarbe, sexuelle Orietntierung, die falsche Kleidung oder sonst irgendwas ist, was den Neonzais gerade halt nicht passt. Linksextremismus richtet sich gegen ein System, das sehr wohl etwas dafür kann, wie es ist (kapitalistisch, neoliberal, immer nach dem größten Gewinn orientiert auf Kosten von anderen, die Schere zwischen Arm und Reich vergrößernd, etc.). Ich will hier an keiner Stelle Gewalt verteidigen. Nicht mal Sachbeschädigung, die natürlich dennoch nicht gleichzusetzen ist mit Gewalt gegen Menschen. Zum Verständnis für jedermann zitieren wir Marc-Uwe Klings Känguru, das rechte und linke Gewalt einfach erklärt: »Es gibt einen Unterschied. Die einen zünden Ausländer an, die anderen Autos. Und Autos anzünden ist schlimmer. Denn es hätte mein Auto sein können. Ausländer besitze ich keine.«
Genug der Theorie, zurück zu den Reaktionen auf die Ausschreitungen in Hamburg und dem Ausrasten der Politiker. Ganz vorne bei den Rufen nach schnellen und wahlkampftauglichen Lösungen: Innenminister Thomas de Maizière. Der fordert jetzt, dass nicht nur die Rote Flora schließen solle, sondern auch das Conne Island. »So etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen. Wenn das einmal eingerissen ist, ist das nicht so leicht wieder zu lösen«, zitiert ihn die LVZ. Was genau jetzt nicht hinnehmbar ist in Connewitz, bleibt unklar. Aber er bekommt natürlich sofort Unterstützung von seinem eifrigen Kollegen aus Sachsen, Markus Ulbig, der »konsequenter gegen diese Umtriebe vorgehen« will. Und die AfD kommt aus dem Applaudieren und noch wahnsinnigere Forderungen Stellen gar nicht mehr heraus.
Was hat das Conne Island, was hat der Oberbürgermeisterwohnbezirk* Connewitz verbrochen? Klar waren auch Connewitzer in Hamburg und garantiert auch Stammgäste aus dem Conne Island. Aber mein Nachbar war auch in Hamburg, meine beste Freundin auch. Gewalttätig wurden sie nicht. Und wer gewalttätig wurde, der muss damit leben, dass er dafür strafrechtlich belangt wird. Alle anderen nicht. So lauten kurz zusammengefasst die Regeln des Rechtsstaats, die einem Innenminister durchaus bekannt sein sollten. Jetzt aber sozio-kulturelle Einrichtungen, die sich seit 25 Jahren gegen Faschismus einsetzen, schließen zu wollen, ist wahlkampfiger und -krampfiger Wahnsinn. Und wie wichtig der Kampf gegen Faschismus auch 70 Jahre nach dem Dritten Reich noch ist, könnte de Maizière wissen, wenn er in seinem Wahlkreis Meißen mal die Neonazis zählt.
Seine Forderung ist noch unpassender als seine Äußerung, Heidenau sei eine »Verrohung der Flüchtlingsdebatte«. Eine Schließung des Conne Island ist nicht nur völlig undurchdacht, sie hilft niemandem weiter. Am allerwenigsten den Leuten, deren Autos oder Läden in der Schanze angezündet, zertrümmert oder geplündert wurden.
Die haben übrigens etwas genauer hingeschaut als de Maizière, wer da in ihrem Viertel wütet: »Der weit größere Teil waren erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk, denen wir eher auf dem Schlagermove, beim Fußballspiel oder Bushido-Konzert über den Weg laufen würden als auf einer linksradikalen Demo«, schreiben sie auf Facebook. Was nun? Schlagermove abschaffen, Fußballspiele nur noch ohne Zuschauer und Bushido die Auftrittsgenehmigung entziehen? Treffen von betrunkenen Männern nur mit bereitstehendem Wasserwerfer? Alkoholverbot in der ganzen Republik?
All das wäre um einiges effektiver, als das Conne Island zu schließen.
*OBM Burkhard Jung hat betont, dass die Stadt Leipzig zu der Förderung der soziokulturellen Zentren wie Conne Island und Werk 2 steht, da sie wertvolle Stadtteilarbeit leisten.
JULIANE STREICH