Ein Genosse bekam am Donnerstag, den 10.06.2010 um 6:00 Uhr ungebetenen Besuch vom Staatsschutz. Mitgebracht hatten die Beamten neben viel Tatkraft und einem "unabhängigen" Zeugen aus der Stadtverwaltung einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgarts. Dieser wurde am 27.05.2010 auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen. Eilig hatte es der Staatsschutz mit der Hausdurchsuchung also offenbar nicht.
Dem Genossen wird vorgeworfen am 17.04.2010 mit "zwei weiteren bislang nicht identifizierten Mittätern" Sachbeschädigung begangen zu haben - und zwar durch Graffiti. Laut Hausdurchsuchungsbeschluss wurde einer der Unbekannten dabei von einer fleißigen Polizeibeamtin beobachtet und sogleich zur Personalienaufnahme festgehalten, riss sich aber los und konnte entkommen (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte).
Was machen nun die Beamten des Dezernats 2.2 Staatsschutz der Stuttgarter Polizei, die sich seit "Dezember 2009 mit mindestens 141 angezeigten politischen Farbschmierereien im Bereich des Stuttgarter Südens" herumschlagen müssen?
Sie legen der Beamtin Fotos von polizeibekannten Linken aus Stuttgart vor und diese wählt den betroffenen Genossen aus. Wahrscheinlich hat sie sich das Gesicht des Täters innerhalb weniger Sekunden sehr gut einprägen können. Er soll es also gewesen sein: zuerst sprühen und dann auch noch abhauen. Das ist zu viel. Jetzt nur noch schnell zur Staatsanwaltschaft, die Durchsuchung beantragen und das ganze von einem Richter unterschreiben lassen.
Die Hausdurchsuchung wird nach Lehrbuch durchgeführt und endet mit der Sicherstellung eines Eddings, zwei unbenutzten Spraydosen und 7 Caps. Der Bitte des Genossen, die einzelnen Räume nacheinander zu durchsuchen, damit er bei der Durchsuchung anwesend sein kann wird nicht entsprochen, es werden mehrere Räume gleichzeitig durchsucht und teilweise fotografiert.
Auch wenn die Erkenntnisse aus der Hausdurchsuchung die Ermittlungen natürlich kein Stück voranbringen werden und die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung vielleicht im Nachhinein festgestellt wird hat der Staatsschutz damit ein wichtiges Ziel verfolgt: die Einschüchterung politisch aktiver Menschen durch Eindringung in das privateste Lebensumfeld der Betroffenen.
Unglaublich aber leider nicht mehr überraschend für uns ist, auf welchen Grundlagen Hausdurchsuchungen von der Staatsanwaltschaft beantragt und von deutschen Gerichten genehmigt werden und der Polizei damit ihre willkürliche Praxis ermöglichen.
Wir erinnern uns an den Gemeinschaftskunde-Unterricht: Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht und in §13 des Grundgesetzes festgehalten. Dass deutschen Richtern inzwischen der Verdacht, Farbsprühereien begangen zu haben und die Täteridentifikation über eine Fotoauswahl ausreichen, diesen schwerwiegenden Eingriff in ein Grundrecht zu genehmigen zeigt, wie sehr die Klassenjustiz ihre eigenen Gesetzt ernst nimmt.
O-Ton Durchsuchungsbeschluss: "Angesichts des Tatvorwurfs [Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte] und des Tatverdachts [Identifikation über Foto, Zeugenaussagen] ist die Durchsuchung und die Sicherstellung der genannten Beweismittel auch verhältnismäßig"
Der Genosse wird Widerspruch gegen die Durchsuchung einlegen und wird von uns unterstützt.
Gegen polizeiliche Willkür und Einschüchterung- für eine starke und solidarische Linke!
Rote Hilfe Ortsgruppe Stuttgart
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