„Wir lassen Frustrationen gar nicht erst aufkommen“

Erstveröffentlicht: 
29.06.2017

CDU-Kreischef Ulrich Reusch hat keine Angst vor Austritten oder der Konkurrenz von Rechts. Für innerparteilichen Zwist empfiehlt er ein einfaches Rezept.

 

Meißen. Die Christdemokraten im Kreis haben turbulente Tage hinter sich. In Riesa zofften sich öffentlich Oberbürgermeister Marco Müller und Landtagsmitglied Geert Mackenroth. In Meißen wurde ein Ausschlussverfahren gegen Stadtrat Jörg Schlechte geführt. Kreisverbandschef Ulrich Reusch sieht das gelassen.

 

Herr Reusch, welche Position bezieht der CDU-Kreisverband Meißen zur „Ehe für alle“?


Wir unterstützen ausdrücklich die Haltung des Generalsekretärs Michael Kretschmer der sächsischen Union, den Antrag „Ehe für alle“ abzulehnen. Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, die Inhalte von Begriffen zu ändern, weil eine Minderheit das wünscht. Die Bedeutung des Begriffs Ehe darf nicht ausgehöhlt werden.

 

Wie ist es, in politisch so turbulenten Zeiten, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Meißen zu sein?


Wir erleben tatsächlich eine spannende Zeit. Was mich sehr freut, ist die große Geschlossenheit bei uns. Das hat sicher etwas mit dem ausgeprägten politischen Sachverstand der Mitglieder des Kreisverbandes zu tun und damit, dass wir Politpromis haben, die sich die Zeit nehmen, um mit der Basis zu diskutieren. Unser Bundestagsabgeordneter Thomas de Maizière hat erst jüngst in Riesa mit Parteifreunden über Extremismus und innere Sicherheit gesprochen. In Weinböhla gab es einen Bürgerstammtisch mit der Meißner Landtagsabgeordneten Daniela Kuge zur ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Fast wöchentlich finden solche Runden statt. Wir warten nicht, bis sich etwas aufstaut.

 

Kreisverbände wie Pirna hatten jüngst mit einer Austrittswelle zu kämpfen, Meißen nicht. Pflegen Sie Ihre Mitglieder besonders gut?


In Pirna ist das meines Wissens nach eine besondere Situation gewesen, die eine längere Vorgeschichte hatte und viel mit den dort handelnden Personen zusammenhing. Aber noch einmal: Wir lassen gar nicht erst zu, dass sich Frustration ansammelt, sondern führen rechtzeitig ein offenes Gespräch.

 

Neben der CDU buhlt auch die AfD im Kreis um bürgerliche Wähler. Wie stark schätzen Sie die AfD in der Region ein?


Die größte Herausforderung sehe ich darin, die Nichtwähler zurückzugewinnen, die wir in den letzten Jahren verloren haben. Dadurch relativiert sich die Konkurrenz durch die AfD. Wir Christdemokraten verfolgen hier in der Region und in den anderen Bundesländern eine langfristig angelegte Politik. Das resultiert dann in Erfolgen wie dem Sieg von Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen oder von Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland. Bei der AfD kann ich eine ähnliche Kompetenz nicht erkennen. Dazu fehlen ihr auf der einen Seite eine ausreichend breite Basis und auf der anderen Seite die übergeordnete Kompetenz. Angesichts der Gräben, die sich in den letzten Wochen in der AfD gezeigt haben, glaube ich nicht, dass die Partei richtig kampagnenfähig ist.

 

Sehen Sie künftig die Möglichkeit einer engeren politischen Zusammenarbeit mit der AfD etwa im Kreistag?


Wir haben ja im Kreistag eine sehr gut funktionierende Koalition mit der FDP und verfügen dort gemeinsam auch über eine komfortable Mehrheit. Ich sehe keinen Grund, daran etwas zu ändern. Aus meiner Sicht lässt die AfD im Meißner Kreistag bislang Nachweise einer wirklichen Sachkompetenz vermissen.

 

Schneller als gedacht werden 2019 Landtagswahlen in Sachsen anstehen. Wie bewerten Sie die Chance, erneut alle vier Direktmandate im Kreis für die CDU zu holen?


Ausgesprochen gut! Mit Daniela Kuge, Matthias Rößler, Geert Mackenroth und Sebastian Fischer haben wir Landtagsabgeordnete, die in ihrer Heimat sehr stark verwurzelt sind. Die Menschen nehmen wahr, dass sich diese Politiker um sie kümmern und als Ansprechpartner für kleine und große Probleme bereitstehen. Alle vier sind viel im Wahlkreis unterwegs und arbeiten hier sehr intensiv.

 

In Meißen hat es mittlerweile zwei Verfahren gegen Stadtrat Jörg Schlechte wegen grenzwertiger Äußerungen gegeben. Suchen Sie zu solchen Vorfällen auch intern das Gespräch?


Wir sind immer im Austausch miteinander. Ich beobachte, dass solche Diskussionen oft aus verkürzenden Beiträgen in Sozialen Netzwerken entstehen. Dann schaukelt sich das sehr schnell hoch. In einem vernünftigen, persönlichen Gespräch – wo die Sätze auch einmal länger sein können – lässt sich das viel besser klären.

 

In Riesa wurde zuletzt über Wochen hinweg öffentlich ein Zwist zwischen einem CDU-Landtagsabgeordneten und dem CDU-Oberbürgermeister ausgetragen. Beide Seiten warfen sich gegenseitig Untätigkeit vor. Hat sich das im Kreisverband bemerkbar gemacht? Ist der Streit jetzt beigelegt - oder nur vertagt?


Auf die Arbeit des Kreisverbandes hat sich das nicht ausgewirkt. Die Beteiligten haben die Kommunikation miteinander gesucht und gefunden. Damit sollten die Probleme ausgeräumt sein.

 

Das Gespräch führte Peter Anderson.